

- Startseite
- Versicherungen
-
LV-Bilanz: mehr bAV-Direktversicherungen, weniger Riester

2022 war für deutsche Lebensversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds „herausfordernd“, räumt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ein: Branchenweit sanken die Beitragseinnahmen im vergangenen Jahr um 5,9 Prozent auf 97,1 Milliarden Euro. Vor allem das Geschäft mit Policen gegen Einmalbeitrag verringerte sich infolge der seit Mitte 2022 wieder steigenden Zinsen um 17,7 Prozent auf 30,7 Milliarden Euro. Die laufenden Beiträge der Anbieter stiegen mit 66,5 Milliarden Euro hingegen nur leicht um 0,7 Prozent. „Auch für 2023 sind die Aussichten gedämpft“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands.

Wie aus der jetzt veröffentlichten GDV-Publikation „Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen“ hervorgeht, gab es 2022 in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) allerdings auch so viele abgeschlossene Direktversicherungen wie noch nie. Von allen fünf bAV-Durchführungswegen entwickelte sich die Direktversicherung am besten. Während die Versicherer Ende 2017 noch 8,1 Millionen Verträge zählten, lag der Bestand Ende 2022 bei 8,8 Millionen Direktversicherungen. „Das ist ein neuer Höchststand“, so Asmussen. „Angesichts der Krisen, die Wirtschaft und Beschäftigte in dieser Zeit durchstehen mussten und müssen, ist das ein gutes Ergebnis. Darauf können wir aufbauen.“
Zukünftig sollten aber insbesondere Arbeitnehmer in den unteren Lohngruppen stärker gefördert werden, fordert Asmussen. Die Politik solle die bAV „jenseits von Sozialpartnermodellen“ voranbringen: „Es besteht breite Einigkeit darin, die spezielle Förderung von Geringverdienern zu stärken. Wir Versicherer setzen uns hier bei fortschreitender Lohnentwicklung für eine Dynamisierung der Einkommensgrenzen ein, damit niemand aus der Förderung herausfällt.“ Ein gutes Instrument für kleine und mittlere Unternehmen sei außerdem, freiwillige Modelle zur automatischen Entgeltumwandlung mit Opt-out für die Beschäftigen auf Betriebsebene zu ermöglichen. Bislang braucht es dafür einen Tarifvertrag, kritisiert der GDV.
Auch bei der Riester-Rente mahnt die Assekuranz eine Reform an, die die Parteien der Ampelkoalition bereits in ihrem Koalitionsvertrag 2021 versprochen haben. Denn Ende 2022 zählte die Branche etwa zwei Jahrzehnte nach dem Start der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge zwar noch knapp 10,3 Millionen Riester-Verträge im Bestand, was einem moderaten Minus um 1,7 Prozent entspricht. Doch das Neugeschäft mit Riester-fähigen Rentenversicherungen sank zuletzt dramatisch um 59,8 Prozent, berichtet der GDV. „Regulatorische Vorgaben, insbesondere die Bruttobeitragsgarantie, stehen der Verbreitung der Riester-Rente im aktuellen Zinsumfeld im Weg“, steht für den Lobbyverband der Versicherer fest.
Durch den stark rückläufigen Neuzugang von lediglich knapp 125.200 zwischen Januar und Dezember abgeschlossen Verträgen sank der Bestand an Riester-Policen 2022 noch stärker als in den Vorjahren. Dieses Schrumpfen dürfte sich noch beschleunigen: Von der gerade noch achtstelligen Zahl an Policen befanden sich rund 442.000 in der Rentenphase. Dieser Anteil ist gegenüber dem Vorjahr um satte 22,4 gestiegen. Der Bestand an den auch Rürup-Verträgen genannten Basisrenten stieg mit rund 117.150 neu abgeschlossenen Policen (plus 15,8 Prozent) auf rund 2,6 Millionen (plus 3,9 Prozent). Bei der sich abzeichnenden Versicherungspflicht für Selbstständige könne sie „einen wichtigen Beitrag leisten“, hofft der GDV.
Riester-Versicherer legen Angebot „auf Eis“
Denn auch als Folge der zum 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Absenkung des Höchstrechnungszinses auf nur noch 0,25 Prozent hätten viele Riester-Anbieter ihre Offerten „auf Eis gelegt“. Angesichts der unverändert 100-prozentigen Beitragsgarantien sei es nämlich nicht mehr wirtschaftlich darstellbar. Der oft auch als Garantiezins bezeichnete Wert markiert laut GDV „die Obergrenze für den Zins, mit dem Versicherer ihre in der Zukunft liegenden Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden auf die Gegenwart diskontieren dürfen: Je niedriger der Zins, desto höher ist der Barwert der eingegangenen Verpflichtungen und die hierfür erforderlichen Rückstellungen der Versicherer.“
„Die Bundesregierung ist im Dialog, wie das bisherige System reformiert werden kann. Das ist richtig und notwendig“, betont der GDV mit Blick auf die sogenannte Fokusgruppe Altersvorsorge. „So sollen Selbstständige in die Förderung einbezogen werden“, nennt der Verband als konkreten Vorschlag. „Notwendig ist außerdem, die Förderung zu überprüfen und an die gestiegenen Einkommen anzupassen. Private Anlageprodukte mit höheren Renditen anzuerkennen, also Garantien zugunsten höherer Ertragschancen für die Vorsorgenden zu lockern, wäre ein weiterer wichtiger Schritt. Eine neue Balance aus Sicherheit und Chancen ist das Ziel. Das gilt auch für die betriebliche Altersversorgung.“
Das Geschäft mit Betriebsrenten bietet laut GDV „noch Wachstumspotenzial“. Denn „der Zuwachs in den letzten Jahren konnte nicht mehr mit dem Beschäftigungswachstum mithalten: die Verbreitungsquote unter den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten lag 2021 bei knapp 54 Prozent, bei steigender absoluter Verbreitung auf 18,4 Millionen.“ Anlass für Hoffnung auf ein anziehendes bAV-Geschäft gibt den Versicherern der hohe Bedarf, qualifiziertes Personal zu finden: „Die betriebliche Altersversorgung ist ein gutes Instrument zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern – angesichts des zunehmenden Mangels an Fachkräften ist dies wichtiger denn je. Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen wird sie noch zu wenig genutzt.“