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Elementarschäden absichern: Politik will Vertrieb einspannen

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Ein erschreckender Negativtrend setzt sich fort: Der März dieses Jahres war der zehnte Monat in Folge, der einen weltweiten Temperaturrekord gebrochen hat. Laut Daten des EU-Dienstes Copernicus war 2023 außerdem das heißeste Jahr seit dem Start der Aufzeichnungen. Auch Deutschland erlebte 2024 den wärmsten Frühlingsanfang seit Messbeginn vor mehr als einem Jahrhundert, und 2023 war auch hierzulande mit einer mittleren Temperatur von 10,6 Grad Celsius das bislang wärmste Kalenderjahr, berichtet der Deutsche Wetterdienst (siehe Grafik unten).
Die globale Erderwärmung führt laut den Experten des Weltklimarats bereits zu häufigeren und schwereren Extremwetterereignissen. Laut einem aktuellen Report des globalen Rückversicherungsmaklers Gallagher Re lagen die weltweit versicherten Schäden durch Naturkatastrophen im ersten Quartal 2024 um 10 Prozent über dem Zehn-Jahres-Durchschnitt von umgerechnet 16,8 Milliarden Euro.
Starkregen wird heftiger
Auch in Deutschland drohen zukünftig mehr Naturkatastrophen wie Überflutungen und verheerende Stürme. Mit dem Klimawandel dürfte außerdem Starkregen noch bedrohlicher werden. Denn mit der Erderwärmung verringern sich die Temperaturunterschiede zwischen Äquator und Arktis. Damit verändert sich der sogenannte Jetstream – ein Starkwindband in 10 Kilometer Höhe, das durch die Temperaturunterschiede angetrieben wird. Die Luftmassen bewegen sich deshalb zukünftig tendenziell langsamer, und Tiefdruckgebiete ziehen nicht mehr so schnell ab, sondern verharren mitunter tagelang über einer Region.
Wie gefährlich das werden kann, zeigte die vom Sturmtief Bernd ausgelöste Flutkatastrophe Mitte Juli 2021. Die bislang teuerste Naturkatastrophe hierzulande (siehe Grafik unten) hinterließ insbesondere im Ahrtal eine Schneise der Zerstörung und 135 Tote. Bereits wenige Stunden nach den starken Regengüssen gaben Barrieren dem Druck der aufgestauten Wassermassen nach, die als plötzliche Sturzfluten über die flussabwärts liegenden Gebiete hereinbrachen. Im Fall der von mitgerissenem Treibgut verstopften Nepomukbrücke im Weindorf Rech wurden 21 Gebäude zerstört und eine Frau getötet, nachdem einer der 1723 erbauten Brückenbogen mit einem großen Teil des Ufers fortgerissen wurde.
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Ein erschreckender Negativtrend setzt sich fort: Der März dieses Jahres war der zehnte Monat in Folge, der einen weltweiten Temperaturrekord gebrochen hat. Laut Daten des EU-Dienstes Copernicus war 2023 außerdem das heißeste Jahr seit dem Start der Aufzeichnungen. Auch Deutschland erlebte 2024 den wärmsten Frühlingsanfang seit Messbeginn vor mehr als einem Jahrhundert, und 2023 war auch hierzulande mit einer mittleren Temperatur von 10,6 Grad Celsius das bislang wärmste Kalenderjahr, berichtet der Deutsche Wetterdienst (siehe Grafik unten).
Die globale Erderwärmung führt laut den Experten des Weltklimarats bereits zu häufigeren und schwereren Extremwetterereignissen. Laut einem aktuellen Report des globalen Rückversicherungsmaklers Gallagher Re lagen die weltweit versicherten Schäden durch Naturkatastrophen im ersten Quartal 2024 um 10 Prozent über dem Zehn-Jahres-Durchschnitt von umgerechnet 16,8 Milliarden Euro.
Starkregen wird heftiger
Auch in Deutschland drohen zukünftig mehr Naturkatastrophen wie Überflutungen und verheerende Stürme. Mit dem Klimawandel dürfte außerdem Starkregen noch bedrohlicher werden. Denn mit der Erderwärmung verringern sich die Temperaturunterschiede zwischen Äquator und Arktis. Damit verändert sich der sogenannte Jetstream – ein Starkwindband in 10 Kilometer Höhe, das durch die Temperaturunterschiede angetrieben wird. Die Luftmassen bewegen sich deshalb zukünftig tendenziell langsamer, und Tiefdruckgebiete ziehen nicht mehr so schnell ab, sondern verharren mitunter tagelang über einer Region.
Wie gefährlich das werden kann, zeigte die vom Sturmtief Bernd ausgelöste Flutkatastrophe Mitte Juli 2021. Die bislang teuerste Naturkatastrophe hierzulande (siehe Grafik unten) hinterließ insbesondere im Ahrtal eine Schneise der Zerstörung und 135 Tote. Bereits wenige Stunden nach den starken Regengüssen gaben Barrieren dem Druck der aufgestauten Wassermassen nach, die als plötzliche Sturzfluten über die flussabwärts liegenden Gebiete hereinbrachen. Im Fall der von mitgerissenem Treibgut verstopften Nepomukbrücke im Weindorf Rech wurden 21 Gebäude zerstört und eine Frau getötet, nachdem einer der 1723 erbauten Brückenbogen mit einem großen Teil des Ufers fortgerissen wurde.
Gefahr von Sturzfluten
Die immer häufiger zu erwartenden Stark regen bedrohen aber nicht nur Grundstücke an Flussufern, sondern können nahezu überall Keller unter Wasser setzen oder einen Rückstau aus der Kanalisation verursachen. Laut Prognosen des Schweizer Rückversicherers Swiss Re dürften die wetterbedingten Katastrophenschäden in Deutschland bis 2040 um 90 Prozent ansteigen. Die höheren Kosten geben die Versicher der Versicher an ihre Firmenkunden weiter, die Privatleuten Gebäude-Policen anbieten.

„Verhärtungen im Rückversicherungsmarkt verschärfen die Situation für die Erstversicherer, was die Rückdeckung teurer macht“, beobachtet beispielsweise Kai Waldmann, Vorstand der Alten Leipziger Versicherung. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) warnt daher, dass sich Kunden mancherorts in Deutschland bald keine Versicherung mehr für ihre eigenen vier Wände leisten könnten: Die Prämien für Wohngebäudeversicherungen dürften sich nach Schätzungen des Branchenverbands allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre verdoppeln.
Prävention statt Pflicht
Abhilfe schaffe nur konsequent umgesetzte Prävention, die für den Versichererverband bereits bei der Stadtplanung beginnt. Kritisch sieht man dort zum Beispiel, dass im Ahrtal bis auf 34 Häuser alle Gebäude am ursprünglichen Standort wieder aufgebaut würden. „Wir steuern auf eine Katastrophe auf Wiedervorlage zu“, warnt die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. Als Lehre aus den Verwüstungen fordert sie einen Neubaustopp in potenziellen Abflusszonen mit hohen Fließgeschwindigkeiten.
Das kann die Bausünden der Vergangenheit allerdings nicht mehr verschwinden lassen: Hunderttausende Wohnhäuser und Gewerbebauten, landwirtschaftliche oder öffentliche Gebäude hierzulande „stehen quasi in einem Flussbett“, kommentiert Käfer-Rohrbach eine aktuelle Datenanalyse ihres Verbands. Demnach befinden sich deutschlandweit knapp 323.500 der insgesamt mehr als 22 Millionen untersuchten Immobilien in einem Überschwemmungsgebiet beziehungsweise einer sogenannten Hochwassergefahrenfläche.
Am unsichersten leben die Menschen demnach im rheinland-pfälzischen Landkreis Cochem-Zell, wo sich die Mosel zwischen Eifel und Hunsrück durchschlängelt und heute 10,5 Prozent der Gebäude gefährlich nah am Wasser gebaut sind. Die neuen Sturzflutdaten sollen 2025 in das Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen (Zürs) einfließen, mit dem die Versicherer ihre Prämien kalkulieren.
Pflichtversicherung im Bundesrat

Bauliche Prävention steht derzeit aber kaum auf der politischen Tagesordnung – sondern die Dauerdebatte um eine Pflichtversicherung, welche die für viele Verbraucher existenzbedrohenden Kosten zukünftiger Unwetter auffangen soll. Zuletzt forderte sie die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD). Das von ihr geführte Bundesland war in den vergangenen Tagen von einem auf Starkregen folgenden Hochwasser stark betroffen. Nun plant die Saarbrücker Landesregierung nach Angaben der Deutschen Presseagentur, einen Entschließungsantrag für die Sitzung des Bundesrates am 14. Juni einzubringen und das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni zu setzen.
Ähnliches forderte auch Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident des von dem Hochwasser zum Jahreswechsel am schlimmsten betroffenen Bundeslands Niedersachsen. Die von den Landesregierungen parteiübergreifend angestrebte bundesweite Versicherungspflicht verhindere zwar keinen einzigen Schadensfall, kritisieren die Versicherer. Doch mit einer reinen Versicherungslösung würden die Kosten überwiegend den Immobilienbesitzenden und der Versichertengemeinschaft aufgebürdet. Die neue Pflicht passe zudem nur schwer zum deutschen Zivilrecht, das grundsätzlich keinen Zwang vorsieht, sich gegen drohende Gefahren zu versichern. Einzige Ausnahmen: die Krankenversicherung als fundamentale soziale Absicherung und die Kfz-Haftpflicht, die allerdings Dritte davor schützen soll, auf ihren Kosten sitzen zu bleiben.
Vermittler sollen helfen
In der Diskussion ist nun aber auch eine Alternative zu dem umstrittenen Vorschlag der Pflicht-Policen, der Mitte März kontrovers im Rechtsausschuss des Parlaments besprochen wurde. Demnach sollen Deutschlands Versicherungsvermittler zukünftig dabei helfen, dass sich mehr Hausbesitzer hierzulande umfassender privat absichern. Konkret geht es um den finanziellen Schutz gegen alle Schäden durch Naturereignisse wie Überschwemmungen, Rückstau, Erdsenkungen, Erdrutsche, Erdbeben, Schneedruck, Lawinen oder Vulkanausbrüche. Sie sind von den rund 19,3 Millionen verbundenen Wohngebäudeversicherungen hierzulande nämlich nur selten standardmäßig mit abgedeckt.

Am stärksten verbreitet ist der Extraschutz gegen die sogenannten Elementarrisiken in Baden-Württemberg, wo eine solche Versicherung bis 1994 Pflicht war und heute schätzungsweise 94 Prozent der Gebäude gegen die weiteren Naturgefahren versichert sind (siehe Grafik oben). Besonders niedrig ist die Quote in Bremen mit nur 31 Prozent; deutschlandweit sind es im Durchschnitt 52 Prozent. Vor dem August-Hochwasser 2002 war erst lediglich etwa jedes fünfte Gebäude vollkaskoversichert.
Doch zukünftig soll der optional wählbare Zusatzbaustein bundesweit zum Normalfall werden, ohne dass er staatlich vorgeschrieben wird: Laut einem aktuellen Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion soll im Versicherungsvertragsgesetz die neue Pflicht eingefügt werden, dass „im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit einer Elementarschadenabsicherung angeboten wird, die nach Belehrung über die Konsequenzen abgewählt werden kann“.
Alle Wohngebäude-Policen im Bestand sollten hingegen zu einem bestimmten Stichtag entsprechend erweitert werden, wenn der vorgewarnte Kunde dem nicht innerhalb einer gewissen Frist widerspricht. Damit gäbe der Vertrieb den Kunden einen Anstupser, sich für den Elementarschutz zu entscheiden. Die auch Nudging genannte Herangehensweise soll Menschen ohne strenge Vorschriften zu einem wünschenswerten Verhalten führen.
Kunde muss aktiv abwählen
Dieses Modell ist für den mit etwa 2,5 Millionen Verträgen größten Wohngebäudeversicherer hierzulande bereits gelebte Praxis im Neugeschäft: „Um unsere Kunden stärker für den notwendigen Versicherungsschutz zu sensibilisieren, haben wir unsere Angebote 2022 von Opt-in auf Opt-out umgestellt“, berichtet Kerstin Reinisch, Verantwortliche für private Sachversicherungen bei der Allianz.
„Bei uns ist im Antrag für eine Wohngebäudeversicherung der gleichzeitige Abschluss einer Elementarschadenversicherung bereits voreingestellt“, sagt auch Uwe Schumacher, Vorstandsvorsitzender des auf Gebäudeversicherungen spezialisierten Assekuradeurs Domcura aus Kiel. „Kunden müssen sich also ausdrücklich dagegen entscheiden, wenn sie die Absicherung gegen Schäden durch Naturgefahren wie Hochwasser, Starkregen oder Erdrutsch nicht wünschen.“
Ebenso wie bei Domcura sind bei der ähnlich spezialisierten Grundeigentümer-Versicherung (GEV) dank dieser Herangehensweise rund 80 Prozent der Kunden umfassend versichert. „Wir raten unseren Maklern wirklich immer, die Versicherung mit dem Zusatzmodul Elementarschutz anzubieten“, berichtet GEV-Maklervertriebsleiter Jens van der Wardt. „Dadurch kommt der Makler auch seiner Beratungspflicht nach und beugt der Maklerhaftung vor.“ Er warnt davor, aus Kostengründen auf den Elementarschutz zu verzichten. „Dieser ist der einzige Schutz, der Reparaturen, Trockenlegung und Sanierung von Gebäude- und Hausratschäden nach einer Überschwemmung durch Starkregen abdeckt.“
Extraschutz zum Nulltarif
Van der Wardt hält eine bloße Absicherung der Wohngebäude-Grundrisiken Feuer, Leitungswasser und Sturm für nicht mehr zeitgemäß. Denn die Extrakosten des Elementarschaden-Bausteins für ein kleines Neubau-Einfamilienhaus in der niedrigsten Zürs-Gefährdungsklasse betragen in der Regel weniger als 100 Euro pro Jahr. In der höchsten Stufe fallen zwar bis zu mehreren Hundert Euro an. Doch diesen Betrag können Kunden durch hohe Selbstbehalte nach unten drücken.
Und für Altkunden sei „die Elementarschadenversicherung in vielen Fällen sogar fast zum Nulltarif zu haben“, berichtet Hayo Schulz aus knapp 30-jähriger Branchenerfahrung. Denn viele Kunden seien noch in Verträgen mit teilweise sehr alten Klauseln versichert, so der Organisationsleiter bei der Debeka in Trier. Die Policen böten gegen unverhältnismäßig hohe Beiträge daher kaum Schutz. „Stellt man diese Bedingungen um, kann man nicht selten Geld sparen. Dies führt oft dazu, dass kein relevanter Mehrbeitrag zu stemmen ist, der Vertrag aber enorm aufgewertet wird.“



