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GDV: Weniger Bürokratie, aber trotzdem mehr Staat

Die deutschen Versicherer haben ihre Beitragseinnahmen im vergangenen Jahr um 5,3 Prozent auf 238 Milliarden Euro gesteigert und rechnen spartenübergreifend mit einem ähnlichen Wachstum für 2025. Die Zahlen stellte Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), in der Jahresmedienkonferenz des Verbands heute der Öffentlichkeit vor. Die Versicherer hätten drei schwierige Jahre hinter sich, so Rollinger. Doch nun sei die Talsohle durchschritten.
GDV sieht Reformbedarf in allen drei Säulen der Altersvorsorge
Mit Blick auf die Bundestagswahl sprach der Verband von großen Chancen für die Umsetzung wichtiger Reformen, insbesondere in der Altersvorsorge. „Wir brauchen Reformen in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie in der privaten und in der betrieblichen Altersvorsorge. Das muss für die neue Bundesregierung Priorität haben“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
Die Reformvorschläge des letzten Jahres enthielten nach Ansicht des GDV bereits vielversprechende Ideen. „In der geförderten privaten Altersvorsorge werden wir uns zum Beispiel weiterhin für ein moderates Absenken der Garantien einsetzen. Auch die Rentenphase sollte chancenreicher gestaltet werden“, so Asmussen. Einmal mehr bekräftigten die Lobbyisten die Bedeutung der Versicherungswirtschaft für die Sicherstellung einer lebenslangen Rente. Für diese Haltung gebe es in der Politik breite Zustimmung, anders als teilweise in der von der Bundesregierung eingesetzten Fokusgruppe „Private Altersvorsorge“
Forderungskatalog an die Politik auf allen Ebenen
Auch sonst wiederholte der GDV viele bekannte Positionen, die vor allem Appellationscharakter an die Politik haben. Wo die Unternehmen sich stärker selbst einsetzen sollten, darüber wurde an diesem Tag nicht gesprochen. So wiederholte der GDV zum Beispiel seine Haltung zur Ablehnung einer Elementarschadenpflichtversicherung oder zu einem Bauverbot in von Hochwasser gefährdeten Zonen. Mit Blick auf den Klimawandel betonte der Verband, dass in der nächsten Wahlperiode Präventionsmaßnahmen in den Vordergrund gestellt werden müssten.
In Sachen Naturgefahren empfiehlt der Verband aus seiner Sicht im Ausland erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaften als Modell für Deutschland. Sie könnten als Vorbild dienen, um risikobasiert und marktwirtschaftlich bezahlbaren Schutz zu gewährleisten.
Auch beim Cyberschutz soll der Staat helfen
Ein sogenanntes Public-Private-Partnership-Modell ist aus Sicht der Branchenvertreter auch das geeignete Mittel für systemische Risiken im Fall einer groß angelegten Cyberattacke. Deren hohe Schäden könnten privatwirtschaftliche Versicherungen nicht mehr abdecken, auch weil Versicherer zurückhaltend bei der Zeichnung von Risiken sind.
„Wir wollen zusammen mit dem Staat eine robuste Struktur schaffen, die den Wirtschaftsstandort Deutschland auf den Fall einer Cyber-Pandemie vorbereitet und unsere Volkswirtschaft im Ernstfall effektiv schützt“, sagte GDV-Präsident Rollinger. Das Thema habe auch für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes Bedeutung.
Kleine und mittlere Unternehmen sollen schlecht vorbereitet sein
Der Funktionär warnte besonders eindringlich warnte vor einem ungenügenden Versicherungsschutz im Bereich Cybersicherheit. Die Wirtschaft sei bei diesem wichtigen Thema schlecht vorbereitet. Besonders kleine und mittlere Unternehmen unterschätzten die Risiken. Zudem wachse die Cyberversicherung langsamer als erwartet. Nachdem die Cyberversicherung zuvor um 50 Prozent pro Jahr gewachsen ist, dürften die Beitragseinnahmen der Sparte 2024 nur noch einstellig zugelegt haben, so Rollinger.
Der GDV fordert in Sachen Cybersicherheit die Einrichtung einer zentralen Stelle, in der ein Expertengremium kontinuierlich Cyberrisiken bewertet, Krisen früh erkennt und schnell reagiert. Zudem sollte es Notfallpläne und Reaktionsstrategien geben, damit ein Cyberangriff die deutsche Wirtschaft nicht unvorbereitet trifft. „Cybersicherheit ist Chefsache – sowohl in Unternehmen als auch in der Politik“, sagte der Top-Lobbyist, der auch Vorstandschef der R+V Versicherung ist.
Drastische Worte zum Thema Bürokratieabbau
Wenig überraschend fordert der GDV auch niedrigere Unternehmenssteuern, die einem internationalen Vergleich standhalten müssten. Zudem sollten dringend viele Einzelvorschriften im Steuerrecht angepasst werden. Asmussen: „Ziel ist ein verständliches, weniger komplexes und weniger streitanfälliges Steuerrecht.“
Beim Thema Bürokratie holte wiederum Rollinger zum Rundumschlag aus. „Die Regulierung überholt sich derzeit selbst. Sie ist der helle Wahnsinn“. Die immer weiter wachsenden Berichts- und Dokumentationspflichten seien eine Gängelung der Unternehmen – oft ohne erkennbaren Mehrwert. Hier fordert der GDV eine Vereinfachung: „Mit Spannung erwarten wir daher in den kommenden Wochen das EU-Omnibus-Paket, das eine Vereinheitlichung und Straffung der Berichtsanforderungen in den Regelwerken CSRD, CSDDD und der Taxonomie-Verordnung anstrebt.“
Findet Rollinger Elon Musk gut?
In seinem Schlussplädoyer zum Thema Bürokratie fiel dann noch eine bemerkenswerte Aussage. Rollinger sagte: „Wir schauen sehr stark nach Amerika, da gibt es einen Regierungsbeauftragten, der jetzt dafür sorgen soll, dass Regulierung zurückgeht. Vielleicht kann man sich davon etwas abschauen.“
Ohne dass er ihn namentlich erwähnte, dürfte der GDV-Präsident damit Elon Musk gemeint haben. Inwieweit dessen verstörendes öffentliches Auftreten für den GDV in seiner Bewertung, sich etwas von USA etwas abschauen zu können, eine Rolle spielt, wollte der Verband auf Nachfrage von DAS INVESTMENT offenbar nicht beantworten. Ein Sprecher schrieb lediglich: „Herr Rollinger hat das Beispiel USA genannt, um zu verdeutlichen, wie wichtig das Thema Bürokratieabbau für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft ist.“
Lage der Kfz-Versicherung prägt weiter Schaden- und Unfallgeschäft
Was die Zahlen der einzelnen Sparten angeht, steht weiter die Schaden- und Unfallversicherung im Fokus. Grund ist die kriselnde Kfz-Sparte. Trotz Verbesserungen zum Vorjahr gab es auch 2024 wieder einen versicherungstechnischen Verlust von rund zwei Milliarden Euro, so Rollinger.
Die Schaden-Kosten-Quote lag für die gesamte Kfz-Versicherung 2024 bei 106 Prozent – das bedeutet, dass für jeden eingenommenen Euro die Gesellschaften 1,06 Euro ausgaben. Zumindest für die Kunden dürfte die Nachricht, dass man erneut ein zweistelliges Wachstum der Beitragseinnahmen erwartet, keine gute sein, denn das bedeutet weiter drastisch steigende Prämien.
Im laufenden Jahr erwartet der Lobbyverband in der Kfz-Versicherung wieder eine schwarze Null. Die gesamte Schaden- und Unfallsparte schloss das Jahr 2024 mit einem Gewinn im Versicherungsgeschäft von etwa 1,9 Milliarden Euro ab, bei Beitragseinnahmen von rund 92 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr wird mit einem Beitragswachstum von 7,5 Prozent auf 99 Milliarden Euro gerechnet.
„Die Nachholeffekte der Inflationsentwicklung haben sich inzwischen deutlich abgemildert“, sagte Rollinger. Die Schäden seien zuletzt langsamer gestiegen als die Beitragseinnahmen.
Krakenversicherung wächst wesentlich stärker als Lebensversicherung
In der Lebensversicherung dürften die Beitragseinnahmen in diesem Jahr laut GDV-Prognose moderat um 1,3 Prozent auf knapp 96 Milliarden Euro zulegen. „Hier dürften sich steigende Löhne, rückläufige Inflationsraten und die aktuelle Zinsentwicklung positiv bemerkbar machen“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen in der Medienrunde. Maßgeblicher Treiber dürfte das Einmalbeitragsgeschäft mit einem Plus von 4,8 Prozent sein.
2024 verbuchten die Lebensversicherer ein Beitragswachstum um 2,6 Prozent auf rund 94 Milliarden Euro. Dabei nahm das Einmalbeitragsgeschäft im Vergleich zum Vorjahr um rund 10 Prozent zu. Beim laufenden Beitrag verzeichneten die Lebensversicherer hingegen ein Minus von 0,2 Prozent. Hier gleicht das Neugeschäft nicht die abgehenden Verträge aus. Eine Entwicklung, die sich laut des Verbands fortsetzen dürfte.
Für die Private Krankenversicherung prognostiziert der GDV dagegen ein deutlich stärkeres Beitragszuwachs von 7,5 Prozent auf 56 Milliarden Euro im laufenden Jahr. 2024 verzeichneten Anbieter Beiträge in Höhe von knapp 52 Milliarden Euro, ein Zuwachs von 6,3 Prozent.

Einnahmen und Leistungen der privaten Krankenversicherung einschließlich Nebenleistungen ohne die aus der Rückstellung für efolgsabhängige Betragsrückerstattung (RfB) entnommenen Beiträge; 2024: Hochrechnung; 2023 und 2022: endgültiges Ergebnis.
Einnahmen, Leistungen und Verträge in der Schaden- und Unfallversicherung inklusive Schutzbrief und Cyberrisiko; 2024: Hochrechnung; 2023 und 2022: endgültiges Ergebnis
Leistungen in der Lebensversicherung und Versicherungswirtschaft insgesamt: 2024 geschätzt, 2023 und 2022: endgültiges Ergebnis
Veränderungsraten und Gesamtwerte wurden aus ungerundeten Werten berechnet.
¹: 2024 Schätzung
Quelle: GDV