Gehaltscoach Claudia Kimich „Nehmen Sie niemals eine Beförderung an, ohne das Gehalt neu zu verhandeln“
DAS INVESTMENT: Frau Kimich, die meisten Menschen wollen gerne mehr Geld verdienen. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um das Gehalt neu zu verhandeln?
Claudia Kimich: Es gibt wie beim Thema Kinder kriegen nie den perfekten Zeitpunkt. Der Schlüssel liegt darin, einen klaren Nutzen für das Unternehmen vorweisen zu können. Haben Sie gerade ein wichtiges Projekt erfolgreich abgeschlossen? Konnten Sie einen wertvollen Kunden zurückgewinnen? Haben Sie innovative Prozesse eingeführt, die dem Unternehmen Geld sparen? Das sind ideale Momente, um das Gespräch zu suchen.
Gehen Sie aktiv auf den Chef zu, statt abzuwarten, dass er kommt. Ich hatte kürzlich eine Kundin, die mir sagte: „Ich habe eigentlich noch nie nachverhandelt.“ Raten Sie mal, wie lange sie schon in dem Unternehmen war? Acht Jahre!
Das ist eine verpasste Chance, die sich auf Hunderttausende von Euro summieren kann.
Meine Empfehlung ist, mindestens einmal im Jahr das Thema Gehalt aktiv anzusprechen. Und um Himmels willen: Nehmen Sie niemals eine Beförderung an, ohne vorher das Gehalt neu zu verhandeln. Viele denken, sie machen den Job erst mal und bekommen dann schon mehr Geld. Das funktioniert in den seltensten Fällen.
Gehaltsverhandlung: So bereiten Sie sich richtig vor
Wie bereitet man sich am besten auf so ein wichtiges Gespräch vor?
Kimich: Es gibt drei Dinge, die absolut entscheidend sind:
1. Setzen Sie sich klare Ziele. Und zwar neben dem Gehalt auch für Zusatzleistungen und Ihre Aufgaben. Ich empfehle, in drei Stufen zu denken:
- Was ist Ihr absolutes Minimum, unter dem Sie auf keinen Fall abschließen würden?
- Was wäre ein Ergebnis, mit dem Sie wirklich zufrieden wären?
- Und was wäre Ihr Traumszenario, bei dem Sie vor Freude an die Decke springen würden?
Diese Klarheit gibt Ihnen in der Verhandlung Sicherheit.
2. Erstellen Sie eine detaillierte Liste Ihrer Leistungen und Projekte. In der ersten Spalte notieren Sie, was Sie getan haben. In der zweiten Spalte beschreiben Sie Ihren persönlichen Anteil daran. War es Ihre Idee? Haben Sie das Projekt geleitet? Und in der dritten Spalte – das ist der wichtigste Teil – quantifizieren Sie den Nutzen für das Unternehmen.
Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Ich hatte mal eine Klientin aus der Logistik. Sie dachte, in ihrem Bereich sei es schwer, einen messbaren Nutzen vorzuweisen. Dann stellte sich heraus, dass sie durch die Entsorgung alter Lagerbestände dem Unternehmen 2,2 Millionen Euro eingespart hatte! Da kann man in der Verhandlung schon mal mit einem Augenzwinkern sagen: „Ich hätte gerne 2 Prozent davon.“
3. Analysieren Sie Ihren Gesprächspartner. Ist er ein Zahlenmensch, der harte Fakten liebt? Oder eher ein Beziehungstyp, bei dem Sie mit Soft Skills punkten können? Vielleicht haben Sie es auch mit einem klassischen Machtmenschen zu tun. Je besser Sie Ihr Gegenüber einschätzen können, desto gezielter können Sie Ihre Argumente platzieren.
Karrierechancen aus der Finanzwelt!
Gerade in der Finanzbranche herrscht oft ein harter Wettbewerb. Viele, besonders Frauen, haben Angst, zu viel zu fordern und als gierig zu gelten. Wie findet man heraus, was angemessen ist?
Kimich: Das ist eine Frage, die ich sehr oft höre, besonders von Frauen. Und wissen Sie was? Es ist weniger eine Frage des Marktwerts als eine des Selbstwerts. Ein gesundes Selbstwertgefühl bedeutet: Ich weiß, was ich kann, ich kenne meinen Wert und ich habe ein gutes Gefühl dabei, diesen Wert auch einzufordern.
Hier ist ein Trick, den ich gerne empfehle: Setzen Sie sich gedanklich auf den Stuhl Ihrer besten Freundin. Was würden Sie ihr raten, wenn sie in Ihrer Situation wäre? Für andere fällt es uns oft leichter, selbstbewusst zu sein. Nutzen Sie diese Perspektive für sich selbst.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Schauen Sie sich Ihre Glaubenssätze zum Thema Geld an. Was haben Sie von zu Hause mitbekommen? „Über Geld spricht man nicht“? „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“? Diese oft unbewussten Überzeugungen können uns in Gehaltsverhandlungen sabotieren.
Und zu guter Letzt: Informieren Sie sich über branchenübliche Gehälter. Aber Vorsicht: Diese Zahlen sind oft nur die halbe Miete.
Wenn Sie außergewöhnliche Leistungen bringen, dürfen Sie auch ein außergewöhnliches Gehalt fordern.
Das klingt nach einer selbstbewussten Herangehensweise. Aber wie können gerade Frauen in Verhandlungen noch selbstbewusster auftreten?
Kimich: Wissen Sie, Selbstbewusstsein in Verhandlungen ist wie ein Muskel – je mehr man ihn trainiert, desto stärker wird er. Mein wichtigster Rat lautet daher: Üben, üben, üben!
Stellen Sie sich vor, Sie wären eine Tänzerin, die sich auf einen großen Auftritt vorbereitet. Sie würden doch nicht ohne Training auf die Bühne gehen, oder? Genauso ist es mit Gehaltsverhandlungen. Trainieren Sie verschiedene Szenarien, bis Sie sich sicher fühlen.
Ein praktischer Tipp: Nehmen Sie sich eine Freundin und spielen Sie Verhandlungssituationen durch. Eine spielt den Chef, die andere sich selbst. Tauschen Sie die Rollen. Sie werden überrascht sein, wie viel Sie dabei lernen – über sich selbst und über typische Verhandlungstaktiken.
Und noch etwas: Hören Sie auf, sich zu entschuldigen! Viele Frauen neigen dazu, ihre Forderungen mit einem „Tut mir leid“ oder „Ich weiß, es ist vielleicht zu viel verlangt“ einzuleiten. Streichen Sie diese Phrasen aus Ihrem Vokabular. Sie haben ein Recht darauf, Ihren Wert einzufordern.