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Aktualisiert am 04.07.2013 - 12:58 Uhrin MärkteLesedauer: 6 Minuten

Geldpolitik: "Die Situation ist derzeit angenehm komfortabel"

Georg Graf von Wallwitz, Eyb & Wallwitz
Georg Graf von Wallwitz, Eyb & Wallwitz
Aristoteles sagte, das Leben der Menschen sei wie eine Gurke – bitter an beiden Enden (Gnomologium Vaticanum 143).

Obenstehende Feststellung ist eine große Beruhigung. Sie findet sich in einer Byzantinischen Sammlung von Anekdoten und Aussprüchen von Philosophen und anderen Berühmtheiten der griechischen Antike, welche derzeit in einem mit Spannung verfolgten Gemeinschaftsprojekt der Universitäten London, Uppsala und Wien herausgebracht wird.

Aus ihr lernen wir, dass das Leben schon immer wie eine Gurke war, nicht nur hier und heute, sondern bereits in jenem goldenen Zeitalter des Geistes, welches uns bis heute Inspiration und Leitstern ist. Wenn Aristoteles, der über fast 2000 Jahre als der einzig lesbare Philosoph galt, das so sieht, dann kann es nicht anders sein.

Erfahrene Leser unseres Börsenblatts ahnen bereits, dass es sich mit den Finanzmärkten nicht anders verhält als mit dem Leben im Allgemeinen und der Gurke im Besonderen. Das ist gegenwärtig besonders gut zu beobachten: Der Aufschwung an den Weltbörsen, der nun sogar ferne Orte wie Japan erreicht hat, nahm seinen Anfang in jenen bitteren Tagen um die Jahreswende 2008/2009, als der Untergang der Weltwirtschaft ein plausibles Szenario war und die Zentralbanken sich genötigt sahen, die Zinsen auf ein mitleiderregendes Niveau zu senken.

Er wurde verstärkt durch die glaubhafte Willenserklärung der Europäischen Zentralbank, tatsächlich alles zu tun, was zur Rettung des Euros nötig ist, sowie die unbegrenzte Versorgung der Banken im Euroland mit Liquidität. Ob das andere Ende dieser Gurke, also die Normalisierung der Zentralbankpolitik, ebenfalls bitter wird, steht noch aus.

Egal, wie man die Geschichte formuliert, die Situation ist derzeit angenehm komfortabel und die Märkte steigen auf einer Welle guter Gefühle. Wir sind also irgendwo in der Mitte der Gurke, vielleicht aber auch schon kurz vor dem hinteren Ende. Die Situation stellt sich folgendermaßen dar:

Blase am Rentenmarkt

Vermutlich haben wir eine Blase im Rentenmarkt. Das spüren nicht nur die Sparer, die fast keine Zinsen mehr bekommen, es lässt sich auch an einer Reihe von Indikatoren ablesen.

Beispielsweise ist das lange Ende der Zinskurve (also etwa die zehnjährigen Zinsen) bei den US-Staatsanleihen (und allen anderen als sicher geltenden Papieren) auf ein deutlich niedrigeres Niveau gesunken, als es mit Vernunftgründen erklärt werden kann.

Die term premium (das ist die Prämie, die Anleger in Anleihen verlangen, wenn sie ihr Geld langfristig anlegen sollen, als Entschädigung für die Unsicherheit eines solchen Geschäftes gegenüber vielen kurzfristigen Ausleihungen) liegt normalerweise bei etwa plus einem Prozent, ist nun aber auf minus ein Prozent gefallen. Das heißt, die Anleger sind gewillt, dem Staat langfristig Geld zu leihen zu einer niedrigeren Rate, als sie für dieselbe Zeitspanne erwarten könnten, indem sie nacheinander kurzfristige Anleihen kaufen.

Ben Bernanke, der Chef der US-Zentralbank, hat kürzlich auf dieses Phänomen hingewiesen und es dann wegzulächeln versucht. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass viele Anleger einfach nicht wissen, wohin mit dem Geld, und genötigt sind, zu irrationalen Kursen Anleihen zu kaufen. Die Blase wird noch eine Weile bestehen bleiben, denn zu vielen Anlegern stecken noch die Beinahe-Katastrophen von 2009 und 2011 in den Knochen.

Sie werden sich so bald nicht wieder zurück in die Aktien wagen. Und Versicherungen und Banken werden vom Staat gezwungen, Staatsanleihen zu kaufen, sodass eine erhebliche Nachfrage garantiert bleibt – und den Rest kaufen die Zentralbanken.

Blase am Aktienmarkt?

Am Aktienmarkt ist die Lage schwieriger zu beurteilen. Die Bewertungen erscheinen moderat, denn mit den Kursen sind auch die Gewinne gestiegen, und wenn die Alternative (also die Anleihen) extrem teuer ist, so liegt es nahe, auch jetzt noch in Aktien zu investieren. In der unschönen Fachsprache heißt dies, dass die Risikoprämie für Aktien nach wie vor hoch ist, dass der Aktionär also ein gutes Polster hat für den Fall, dass die Situation sich wieder verschlechtert.

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Dagegen wird angeführt, dass die Gewinne heute historisch extrem hoch sind und immer dazu tendiert haben, früher oder später zu ihrem Mittelwert zurückzukehren. Und wenn die Gewinne wieder dahin schmelzen, dann ist die Bewertung der Aktien, die auf Dauer doch immer am Gewinn hängt, nicht mehr zu rechtfertigen.

Außerdem ist die Konjunktur schleppend: Wie soll es da gelingen, außerordentliche Gewinne zu erwirtschaften? Die Unternehmen haben sich fraglos gut erholt in den Ländern, die am besten aus der Krise heraus gekommen sind (also die USA und Deutschland).

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