Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Unterschätzt die EZB die Inflation?
Jörg Angelé ist Volkswirt bei Bantleon. Foto: Thomas Wieland
Nach dem Ende vieler Corona-Einschränkungen ist der Weg für eine konjunkturelle Erholung in Europa frei. Die hohe Inflation bereitet Experten jedoch Sorgen. Wie die Europäische Zentralbank auf den aktuellen Preistrend reagieren könnte, erläutert Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé.
Dieser steht eine Mehrbelastung bei Kraftstoffen, Strom und Gas in Höhe von gut 300 Milliarden Euro gegenüber, wobei hier in einer vorsichtigen Berechnung unterstellt ist, dass sich die Preise bis zum Jahresende auf dem aktuellen Niveau halten werden. Zum Zweiten entlasten die staatlichen Maßnahmen zur Dämpfung des Energiepreisanstiegs die Verbraucher in nennenswertem Umfang.
Die EZB geht daher selbst in ihren Risikoszenarien deutlich höherer Energiepreise davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um mindestens 2,3 Prozent wächst. Sie kann sich daher bei der Beurteilung der angemessenen geldpolitischen Ausrichtung voll und ganz auf die Inflation konzentrieren. Für 2022 erwarten die Währungshüter einen Verbraucherpreisanstieg in Höhe von 5,1 Prozent. Wir halten das für deutlich zu niedrig und rechnen mit einem Plus von 6,5 Prozent.
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Dieser steht eine Mehrbelastung bei Kraftstoffen, Strom und Gas in Höhe von gut 300 Milliarden Euro gegenüber, wobei hier in einer vorsichtigen Berechnung unterstellt ist, dass sich die Preise bis zum Jahresende auf dem aktuellen Niveau halten werden. Zum Zweiten entlasten die staatlichen Maßnahmen zur Dämpfung des Energiepreisanstiegs die Verbraucher in nennenswertem Umfang.
Die EZB geht daher selbst in ihren Risikoszenarien deutlich höherer Energiepreise davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um mindestens 2,3 Prozent wächst. Sie kann sich daher bei der Beurteilung der angemessenen geldpolitischen Ausrichtung voll und ganz auf die Inflation konzentrieren. Für 2022 erwarten die Währungshüter einen Verbraucherpreisanstieg in Höhe von 5,1 Prozent. Wir halten das für deutlich zu niedrig und rechnen mit einem Plus von 6,5 Prozent.
Die EZB wird ihre Prognose im Juni somit weiter anheben müssen. Zugleich schwindet die Hoffnung, dass der Preisauftrieb im nächsten Jahr wieder auf beziehungsweise unter den Zielwert von 2,0 Prozent sinkt. Im Gegenteil, mit zunehmender Dauer der Hochinflationsphase steigt die Wahrscheinlichkeit markant höherer Lohnforderungen. Wobei die Arbeitnehmer angesichts einer rekordniedrigen Arbeitslosenquote in der Eurozone gute Chancen haben, diese Forderungen auch in entsprechende Abschlüsse umzumünzen.
Die EZB wird auf das neue Inflationsregime mit einer merklichen Straffung der Geldpolitik reagieren. Das heißt, sie wird nicht nur schon im Herbst beginnen, die Leitzinsen anzuheben. Vielmehr dürften nach zwei Zinsschritten beim Einlagensatz à 25 Basispunkten bis Ende 2022 im nächsten Jahr mindestens sechs weitere Anhebungen in gleicher Größenordnung folgen.
Ziel sollte es sein, mindestens das neutrale Zinsniveau zu erreichen, das wir bei 1,5 Prozent bis 2,0 Prozent sehen. Kristallisiert sich dagegen eine Lohn-Preis-Spirale heraus, wird die Notenbank nicht umhinkommen, die Zinsen in restriktives Terrain zu führen.
Momentan preisen die Geldtermin-Märkte in der Eurozone jedoch nur ein Zielniveau bei den Leitzinsen von 1,40 Prozent ein. Bei den Renditen deutscher Staatsanleihen ergibt sich somit weiteres Aufwärtspotenzial. Das Gros des Anstiegs bei zehnjährigen Bundesanleihen dürfte allerdings bereits hinter uns liegen. Wir sehen noch Luft bis zu einem Prozent. Zudem gehen wir davon aus, dass der Weg dorthin vor dem Hintergrund der diversen Risikofaktoren (Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie in China) weniger geradlinig ausfällt als es bisher der Fall war.
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