Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
So reagiert die EZB auf die hohe Inflation
Aktualisiert am
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Dekabank. Foto: Dekabank
Langsam aber sicher bereitet auch die Europäische Zentralbank Leitzinserhöhungen vor. Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater erklärt, welche Strategie die Notenbanker in Frankfurt verfolgen.
Die Aktienmärkte stehen ganz im Zeichen der wirtschaftlichen Rückwirkungen der Russland-Sanktionen aufgrund des Ukraine-Kriegs. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen treffen insbesondere die europäischen Volkswirtschaften und hier vor allem die deutsche. Sorge bereiten die hohen Rohstoffpreise, die zu einem weiteren vorübergehenden Inflationsanstieg im Euroraum auf etwa 7 Prozent führen.
Preissteigerungen reduzieren die reale gesamtwirtschaftliche Nachfrage, was das Wirtschaftswachstum dämpft. Noch stärker als diese würden physische Ausfälle von Rohstoff- oder Vorprodukts-Lieferungen auf die Konjunktur wirken, weil sich hieraus stellenweise Produktionsunterbrechungen ergeben können. Wie stark die Konjunktur reagiert, wird ab der kommenden Woche absehbar sein, wenn die ersten Konjunkturumfragen seit Kriegsausbruch veröffentlicht werden.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die Aktienmärkte stehen ganz im Zeichen der wirtschaftlichen Rückwirkungen der Russland-Sanktionen aufgrund des Ukraine-Kriegs. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen treffen insbesondere die europäischen Volkswirtschaften und hier vor allem die deutsche. Sorge bereiten die hohen Rohstoffpreise, die zu einem weiteren vorübergehenden Inflationsanstieg im Euroraum auf etwa 7 Prozent führen.
Preissteigerungen reduzieren die reale gesamtwirtschaftliche Nachfrage, was das Wirtschaftswachstum dämpft. Noch stärker als diese würden physische Ausfälle von Rohstoff- oder Vorprodukts-Lieferungen auf die Konjunktur wirken, weil sich hieraus stellenweise Produktionsunterbrechungen ergeben können. Wie stark die Konjunktur reagiert, wird ab der kommenden Woche absehbar sein, wenn die ersten Konjunkturumfragen seit Kriegsausbruch veröffentlicht werden.
Vieles spricht für eine deutliche Dämpfung des Wirtschaftswachstums. Dies trifft jedoch auf eine Konjunktur, die nach den Corona-Lockdowns in einer kräftigen Aufwärtsbewegung war. Daher sollte selbst unter den gegenwärtigen Sanktionen für das Gesamtjahr ein Pluszeichen vor der Wachstumszahl des Bruttoinlandprodukts stehen.
EZB hält am Normalisierungskurs fest
Marktwirtschaften stellen sich schnell auf veränderte Rahmenbedingungen ein. Außerhalb des Energiesystems werden die neuerlich gestressten Lieferketten Schritt für Schritt wieder entspannt. Auch an den Finanzmärkten müssen die neuen Rahmenbedingungen wie Zahlungsausfälle russischer Schuldner oder erhöhte Risikoaufschläge noch verarbeitet werden.
Dass der Stress im Bankensystem erträglich ist, zeigt die Reaktion der Europäischen Zentralbank (EZB), die trotz der gegenwärtigen Unsicherheiten an ihrem graduellen geldpolitischen Normalisierungskurs festhalten will.
Das steht im starken Kontrast zur russischen Volkswirtschaft, in der Inflationsraten und Wirtschaftseinbrüche im zweistelligen Prozentbereich zu erwarten sind. An den europäischen Aktien- und Rentenmärkten sind bereits viele dieser Aspekte in der Kursentwicklung berücksichtigt. Aber die Orientierung über die ökonomischen Auswirkungen wird noch eine Weile anhalten. Und solange bleibt auch die Volatilität an den Märkten hoch.
Die EZB hat dabei in ihrem neuen Prognosebild wahrscheinlich noch zu wenig an Sanktionswirkungen eingestellt. Von entscheidender Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Annahmen der EZB zu den Entwicklungen der Energiepreise. Trotz des Preisrückgangs Anfang März liegt der aktuelle Weltmarktpreis für Rohöl immer noch weit über dem Niveau, das die EZB für den Jahresdurchschnitt 2022 unterstellt.
Und sowohl für das Rohöl als auch für anderen Rohstoffen geht sie – für die kommenden zwei Jahre – von relativ deutlich sinkenden Preisen aus. Präsidentin Christine Lagarde wies in der zweiten Märzwoche darauf hin, dass der Anstieg der Löhne auch im Schlussquartal 2021 hinter den Erwartungen der Zentralbank zurückgeblieben sei. Aufgrund der zunehmenden Auslastung am Arbeitsmarkt rechnet sie für den Euroraum weiterhin mit einer etwas kräftigeren Lohnentwicklung.
Sorgen vor ausgeprägten Zweitrundeneffekten aufgrund der aktuell sehr hohen Inflationsraten scheinen angesichts der veränderten Umstände aber in den Hintergrund gerückt zu sein. Unter der Annahme sinkender Energie- und Rohstoffkosten, sich entspannender Lieferketten-Probleme und vor allem eines weiterhin moderaten Lohndrucks geht der Mitarbeiterstab davon aus, dass die Kerninflation in den kommenden Jahren wieder auf knapp unter zwei Prozent nachlassen wird.
Allerdings scheint die EZB sehr wohl auch die Risiken zu sehen, denn sie gibt eindeutig der Inflationsbekämpfung die Vorfahrt gegenüber den konjunkturellen Risiken. Es ist davon auszugehen, dass die Notenbank die Nettoanleihekäufe des Asset Purchase Programms (APP) schon im Sommer auslaufen lassen wird. Das macht wiederum den Weg für den Beginn von Leitzinserhöhungen zum Ende des Jahres frei, denen weitere behutsame Zinsschritte im kommenden Jahr folgen sollten.
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