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Aktualisiert am 30.01.2020 - 09:22 Uhrin Grünes GeldLesedauer: 8 Minuten

Genfer Autosalon: Mit Vollgas in die Zukunft?

Porsche 911 GT3 R Hybrid
Porsche 911 GT3 R Hybrid

DAS INVESTMENT.com: 16 Prozent grüne Premieren in Genf. Nicht schlecht dafür, dass viele Kritiker meinen, dass die Technologien überhaupt noch nicht marktreif sind. So konnte man in „Der Spiegel“ von der „Starkstrom-Utopie“ lesen. Kommt die Generation Elektro jetzt auf die Straßen?

Philipp Mettler: Reine Elektrofahrzeuge werden in naher Zukunft eher Nischenprodukte bleiben. Das größte Wachstumspotenzial sehen wir bei seriellen Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen, also Autos mit Verbrennungs- und Elektromotor, die über Steckdosen wieder aufgeladen werden können.

Thomas Bauer: Die Generation Elektro ist doch bereits auf den Straßen. Die Technologien sind marktreif, schließlich kann man bereits Elektroautos wie den Tesla Roadster kaufen. Vor kurzem hat sogar der erste Tesla-Laden auf europäischem Festland eröffnet, in der Münchener Blumenstraße. Und in Japan gibt es schon das erste Großserien-Elektroauto, den Mitsubishi I-MIEV. Ende 2010 kann man ihn voraussichtlich auch bei uns kaufen.

DAS INVESTMENT.com: Wo ist dann das Problem?

Bauer: Bisher hat einfach die Nachfrage gefehlt, um besonders die Batteriehersteller in die Lage zu bringen, die Akku-Zellen in einer Menge und zu einem Preis zusammenzuschalten, die für die Anwendung im Fahrzeug notwendig ist.

DAS INVESTMENT.com: Das hört sich nach einem klassischen Henne-Ei-Problem an. Ohne Nachfrage gibt es keine Elektroautos mit bezahlbaren Akkus und vernünftiger Reichweite und ohne attraktive E-Mobile keine Nachfrage.

Bauer: Das hat sich aber schon geändert und wie gesagt, die Technik ist inzwischen marktreif. Bei Reichweiten von 350 bis 400 Kilometer mit einer Akkuladung, wie beim Tesla Roadster, sind die Akkus bei über 95 Prozent der Fahrten kein Problem mehr.

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Mettler: Die zweistelligen Wachstumsraten der Nachfrage dürften dazu führen, dass die Batteriekosten deutlich sinken; von derzeit rund 1.000 US-Dollar pro Kilowattstunde auf 350 Dollar im Jahr 2020. Nichtsdestotrotz wird eine 15-kWh-Batterie mit einer rein elektrischen Reichweite von rund 75 Kilometern für ein Hybridfahrzeug auch dann noch über 5.000 Dollar kosten. Bei einem reinen Elektrofahrzeug wären diese Kosten aufgrund der notwendigen Batteriekapazität noch deutlich höher. Staatliche Subventionen könnten diese Lücke zwar zunächst schließen, aber längerfristig ist anzunehmen, dass der Staat einen Ersatz für die Mineralölsteuern suchen wird. Möglich wäre beispielsweise eine Strom-Steuer.

DAS INVESTMENT.com: Und schon sind wir beim nächsten Henne-Ei-Problem: Ohne gute Lade-Infrastruktur fehlt die Nachfrage nach Elektroautos und ohne Nachfrage wird die Infrastruktur nicht ausgebaut.

Bauer: Ist eine vernünftige Reichweite der Akkus erst einmal erreicht, wird die Nachfrage kommen und dann auch automatisch die Lade-Infrastruktur. Aus meiner Sicht sind nun zuerst einmal die Millionen von Zweitwagen und die Autobesitzer mit einer eigenen Garage an der Reihe. In Deutschland gibt es rund 10 Millionen Zweitwagen mit einer sehr geringen Jahres- beziehungsweise Tageslaufleistung. Wenn die alle auf Strom fahren, wäre das die zehnfache Menge, die die Bundesregierung bis 2020 anstrebt.

Mettler: Bei Plug-in-Hybriden ist eine Lade-Infrastruktur nicht notwendig. Wir denken daher, dass sich letztere schneller in den Märkten etablieren werden und bis 2020 rund 10 Prozent an der weltweiten Gesamtproduktion ausmachen könnten. Bei reinen Elektrofahrzeugen rechnen wir mit einem Marktanteil von 5 Prozent. Die Wachstumsdynamik dürfte ab 2015 allerdings deutlich zunehmen, da dann eine größere Vielfalt von Fahrzeugen zur Verfügung stehen sollte.

DAS INVESTMENT.com: Wann wird eine massentaugliche Reichweite erreicht sein? Wer drückt bei der Entwicklung auf Gaspedal, wenn die Nachfrage noch nicht vorhanden ist?

Bauer:
Die Nachfrage kommt. Schließlich wollen auch die Menschen in China und Indien motorisiert werden. In den kommenden zehn Jahren bedeutet das rund 350 Millionen neue Fahrzeuge. Diese Motorisierungswelle ist mit Verbrennungsmotoren nicht darstellbar, schon gar nicht vor dem Hintergrund des immer wichtiger werdenden Klimaschutzes. Schon heute gibt es in Peking Fahrverbote und in Shanghai darf man sich erst dann ein Auto kaufen, wenn man in der Lotterie ein Nummernschild gewonnen hat.

Mettler: Wir gehen davon aus, dass in naher Zukunft die Nachfrage nach Elektromotoren und Batterien in erster Linie von Hybridfahrzeugen kommen wird.

DAS INVESTMENT.com: Angenommen, die Nachfrage steigt entsprechend und Elektroauto fahren auf der Überholspur. Der Umweltschutz-Vorsprung schmilzt doch ganz schnell wieder, wenn der Strom nicht mit erneuerbaren Energien erzeugt wird.

Bauer: Auch die Versorgungsunternehmen kommen nicht am Klimaschutz vorbei. Die Vorteile von Elektroautos sind enorm, denn gerade die stark schwankenden Erträge bei den erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind machen es den Versorgern schwer. Das Stromnetz kann keinen Strom speichern. Oft müssen Windkraftanlagen vom Netz genommen werden, weil der Strom gerade nicht gebraucht wird. Die Akkus der Elektroautos könnten diese Probleme lösen. Sie speichern überschüssigen Strom und könnten ihn bei Bedarf sogar wieder abgeben.

Mettler: Es gibt bereits Kooperation zwischen Energieversorgern und Automobilherstellern, beispielsweise zwischen Renault und der EDF sowie zwischen RWE und Daimler. Diese Initiativen werden in den kommenden Jahren noch zunehmen.

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