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Georg Graf von Wallwitz über die Griechenland-Krise Was ein „Ja“ im Referendum für die Finanzmärkte bedeutet

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Was bedeutet das für das Referendum?

Die Griechen haben nun eine Woche Zeit zu erleben, wie es sich anfühlt, von 60 Euro am Tag zu leben. Auch wenn die meisten gewisse Reserven unter der Matratze haben, wird sich das Pleite-Gefühl doch in Form von Geschichten ausbreiten („Meine Kreditkarte funktioniert nicht mehr!“ oder „beim Bäcker Stavros um die Ecke stehen die Leute Schlange für Hamsterkäufe!“ et cetera).

Das trifft zwar alles noch nicht die Kern-Klientel von Syriza (Rentner und Staatsangestellte - die trifft es erst an besagtem 17. Juli), aber es dürfte ausreichen, das ohnehin große Pro-Euro-Lager zu stärken. Man darf nicht vergessen, dass die radikalen Programm-Gegner bei der letzten Wahl nur 52 Prozent der Stimmen hatten, der Rest ging an die gemäßigten Parteien.

Was bedeutet ein JA im Referendum für die Regierung?

Eine Regierung, die ein NEIN zu ihrer raison d’être gemacht hat, kann in keiner Weise glaubwürdig ein JA umsetzen. Diese Regierung hätte ihr demokratisches Mandat verloren und müsste zurücktreten. Vermutlich bildet sich in der nächsten Woche eine Technokraten-Regierung, so wie einst Mario Monti den gescheiterten Silvio Berlusconi ersetzte. Auf das Greferendum folgt der Tsiprexit.

Was bedeutet das für die Finanzmärkte?

Die Finanzmärkte werden einen gewissen Schock erleiden, denn eine Überraschung ist ein Grexit schon lange nicht mehr. Heute früh handelt der Euro aber kaum mehr als 1 Prozent schwächer, und die Aktienmärkte sehen ebenfalls nicht so aus, als würden sie mehr als 4 oder 5 Prozent abgeben wollen. Der Dax wird vielleicht die Marke von 10.800 Punkten testen, aber da war er vor zwei Wochen auch schon. Die relative Ruhe erklärt sich dadurch, dass die Situation heute nicht vergleichbar ist mit 2012. Die Bankensysteme in der Eurozone sind heute sehr viel stabiler. Die Gründe dafür sind allgemein bekannt:

•    Die Staatsschulden in der Eurozone werden heute im Wesentlichen von Inländern gehalten.
•    Die Banken und Versicherungen haben heute kaum noch griechische Staatspapiere.
•    Es gab in den letzten Jahren Stresstests und erhebliche Rekapitalisierungen.
•    Die EZB kann heute direkt in den Markt eingreifen, hat die Rolle eines „Geldgebers letzter Hand“.
•    Die Banken haben eigentlich sowieso zu viel Liquidität.

Insgesamt ist die Ansteckungsgefahr gering. Und da die wirtschaftliche Bedeutung Griechenlands marginal ist, ist der Schaden eher politischer als greifbarer Natur. Um die Relationen zu verdeutlichen: Der Zuwachs der chinesischen Wirtschaft in einem Quartal entspricht der gesamten Wirtschaftsleistung Griechenlands in einem Jahr.

Wenn die Unsicherheit nach dem Tsiprexit verflogen ist (das heißt vermutlich übernächste Woche), dürften die Finanzmärkte sich bald über sehr viel höhere Kurse freuen. Wir sind daher tendenziell Käufer in diesem Markt.

Und wie weiter?

Der Geburtsfehler der Währungsunion bleibt erhalten: Ein Euro ohne einen föderalen europäischen Staat mit Fiskalunion ist eine Fehlkonstruktion. Die Staaten geben in einer Währungsunion einen großen Teil ihrer Souveränität ab, es gibt aber keine Institution, die diese Souveränität ausfüllen könnte. Souverän ist nicht mehr das einzelne Land, sondern die Gemeinschaft - dieser gehen aber die Mittel ab. Daher ist die Feststellung der griechischen Regierung, dass der Wille des griechischen Volkes nicht mehr geachtet wird, in der Sache durchaus berechtigt. Es hat einen guten Teil seiner Souveränität abgegeben. Das trifft aber auf alle Euroländer zu. Wir sind heute alle Kolonien.

Der Geburtsfehler ist leider nicht behoben, aber die aktuelle Krise wird bald beendet sein. Aber das ist dann schon wieder ein egoistisches Motiv - welches nicht schlecht sein muss.

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