In der Welt der ETFs taucht ein Name immer wieder auf:
Gerd Kommer, auch bekannt als der „ETF-Papst“.
Der Experte hat sich mit seinen Büchern, Videos und Interviews einen festen Platz in der ETF-Community erobert. Seinen Bestseller „Souverän Investieren mit Indexfonds“ bezeichnen seine Fans auch als die „ETF-Bibel“. Kommer vertritt die Ansicht, dass passives Investieren in global diversifizierte ETFs aktiven Handelsstrategien überlegen ist. Seine Aussagen sind keineswegs bloße Meinungen. Sie basieren auf einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien aus der Kapitalmarktforschung.
Getreu dieser Auffassung und auf der Basis seines fundierten Fachwissens hat Gerd Kommer den nächsten Schritt gewagt. Nachdem er bereits verschiedene Beratungs- und Vermögensverwaltungsdienstleistungen anbot, entschloss er sich in diesem Jahr, einen eigenen ETF auf den Markt zu bringen, der seine Anlagestrategie exakt widerspiegelt und den gesamten Aktienmarkt abdeckt. In Zusammenarbeit mit LGIM (Legal & General Investment Management) wurde der L&G Gerd Kommer Multifactor Equity ETF aufgelegt, der in einer thesaurierenden (ISIN: IE0001UQQ933) und einer ausschüttenden Variante (ISIN:IE000FPWSL69) erhältlich ist.
Das Produkt konzentriert sich ausschließlich auf Aktien und dürfte vor allem für Anleger von Interesse sein, die eine Einzel-ETF-Strategie verfolgen und keine weiteren Anlageklassen wie Anleihen, Rohstoffe oder Kryptowährungen in ihre Anlageentscheidungen aufnehmen möchten. Im Interview haben wir Gerd Kommer gefragt, wie sein Weltportfolio funktioniert und warum wir jetzt überhaupt noch einen Welt-ETF brauchen.
DAS INVESTMENT: Der neue Gerd Kommer Multifactor Equity ETF beziehungsweise der zugrunde liegende Index strebt eine breitere Abbildung der Welt als der MSCI World an. Das ist aber auch mit bestehenden Produkten wie dem SPDR ACWI IMI möglich. Warum sollten Anleger das neue Produkt im Auge behalten?
Gerd Kommer: Die gängige Gewichtungsmethode von Aktien in Indizes und damit ETFs ist die nach der Marktkapitalisierung. Eine Schwachstelle hierbei ist allerdings, dass die Konzentration in den größten Positionen hoch ist. Aktuell hat Apple ein Gewicht von über 4 Prozent am Weltaktienmarkt. Microsoft über 3 Prozent und die größten zehn Positionen über 15 Prozent zusammen.
Zum Vergleich: Die kleinsten 6.000 Unternehmen eines MSCI ACWI IMI haben in Summe einen Anteil von unter 15 Prozent. Als ETF-Investor hat man das Ziel, gerade keine Einzelwertrisiken zu tragen, sondern über viele Unternehmen zu diversifizieren. In der Praxis hat man dann aber doch eine hohe Konzentration in wenigen Aktien. Im Gerd Kommer ETF werden die Gewichte einzelner Aktien auf maximal ein Prozent begrenzt. Außerdem werden kleinere Aktien in der Gewichtung tendenziell erhöht und größere gesenkt.
Die zweite Schwachstelle in herkömmlichen Indizes ist die Konzentration in einzelnen Aktienmärkten und Regionen. So haben die USA auch bei einem MSCI ACWI IMI Index immer noch rund 60 Prozent Gewicht. Die knapp 25 Schwellenländer wie China oder Indien haben zusammen gerade einmal rund 11 Prozent. Auch hier liegt aus unserer Sicht ein unnötiges Konzentrationsrisiko vor. Deshalb kommt bei uns eine Ländergewichtung zum Zug, die auch die reale Wirtschaftsleistung der Länder berücksichtigt. Im Gerd Kommer ETF wollen wir also solche unnötigen Risiken vermeiden und dazu gibt es derzeit unseres Wissens nach kein anderes Produkt.
Wie funktioniert der ETF genau? Wie ist er zusammengesetzt und wie oft wird umgeschichtet oder rebalanciert?
Kommer: Es handelt sich um einen All-Cap- und All-Market-ETF. Er bildet also neben den Industrieländern auch die Schwellenländer ab und neben den großen und mittleren Aktien auch die kleinen Small Caps. Bei der Ländergewichtung werden sowohl Marktkapitalisierung als auch Wirtschaftsleistung (BIP) berücksichtigt. Die größten Titel werden auf 1 Prozent beim quartalsweisen Rebalancing gekappt. Bei der Gewichtung der einzelnen Aktien werden Faktorprämien übergewichtet und somit integriertes Faktor-Investing umgesetzt. Im Index sind rund 5.000 Aktien. Im ETF derzeit rund 2.100, wobei diese Zahl weiter steigen kann, wenn das Fondsvolumen wächst.
Der ETF gewichtet das Portfolio je zur Hälfte nach Marktkapitalisierung und Bruttoinlandsprodukt. Wozu führt diese alternative Gewichtung und was sind die Vorteile oder auch Nachteile?
Kommer: Die Gewichtung der Länder in einem Portfolio ist eine grundsätzliche Diversifikationsfrage. Wir schauen aus Risikosicht darauf und wollen breit streuen. Die anteilige BIP-Gewichtung ist dabei eine Möglichkeit, breiter zu streuen und dennoch keine zu großen Abweichungen zum Weltaktienmarkt zu erzielen. In der Praxis bedeutet das aktuell, dass die USA nicht mit rund 60 Prozent, sondern nur mit rund 45 Prozent vertreten sind und im Gegenzug die meisten der anderen knapp 50 Länder ein höheres Gewicht erhalten und damit eine breitere Streuung gegeben ist.
Das muss übrigens langfristig nicht immer die USA treffen. Um die 1990er Jahre wäre beispielsweise vor allem Japan in der Gewichtung reduziert worden. Japan erlebte in den 1980er Jahren einen explosionsartigen Anstieg am Aktienmarkt, gefolgt von einem sich über Jahrzehnte streckenden Zeitlupen-Crash. Unser Ziel ist ein stabileres breiter gestreutes Länder-Exposure zu erzielen. Langfristig sollte es damit in der Renditeerwartung jedoch keinen großen Unterschied geben.
Bei einem historischen Langfristvergleich wäre die Rendite leicht höher gewesen bei einer Gewichtung nach dem Bruttoinlandsprodukt. Kurz- und mittelfristig wird es aber zu starken Abweichungen im Vergleich zur Gewichtung nach Marktkapitalisierung kommen. Daraus ergibt sich auch der Hauptnachteil jeder anderen Ländergewichtung: Das Referenzrahmenrisiko, also die kurz- und mittelfristigen Abweichungen der Renditen zum persönlichen Referenzrahmen wie beispielsweise einem MSCI World. Diese Art von Risiko will nicht jeder Investor tragen.