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Gerd Kommer und Alexander Weis 10 Gründe, warum aktives Investieren schlecht funktioniert

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1. Die Efficient-Market-Hypothese ("EMH")
Wie oben erwähnt, ist sie das am häufigsten genannte Argument gegen aktives Investieren. Die EMH besagt, dass Wertpapierpreise zu jedem gegebenen Zeitpunkt alle öffentlich verfügbaren Informationen bereits enthalten; diese Informationen also schon eingepreist sind. Man bezeichnet das als Informationseffizienz der Kapitalmärkte (Brown, 2011). Durch die Nutzung öffentlicher Informationen – andere haben die allermeisten Anleger nicht – lässt sich somit kein zuverlässiger Renditevorteil (im Fachjargon "Alpha") gegenüber dem Marktdurchschnitt erzielen. In einem informationseffizienten Markt ist die Abweichung zur Marktrendite bei einem einzelnen Anleger Zufall. Als "Vater" der EMH gilt niemand der amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Eugene Fama.

2. "The Arithmetic of Active Management" (AAI)
Diese Bezeichnung ist der Titel eines berühmten Aufsatzes des Wirtschafts-Nobelpreisträgers William Sharpe. Die AAI sagt, dass der durchschnittliche aktive Anleger einen äquivalenten passiven Anleger mit mathematischer Notwendigkeit unterperformen muss (Sharpe, 1991). Etwas präziser formuliert: Mindestens 50 Prozent aller aktiv investierten Geldeinheiten müssen eine schlechtere Rendite haben als eine passiv investierte Geldeinheit. Das ist deswegen so, weil alle Anleger gemeinsam ja den Markt bilden. Es muss also – vor Kosten – genau eine Hälfte besser sein als der Markt und die andere Hälfte schlechter. Passive Anleger erzielen vor Kosten definitionsgemäß genau die Marktrendite. Da die Kosten der aktiven Anleger notwendigerweise höher sind als die der passiven Anleger, wird mehr als die Hälfte der aktiven Anleger einen passiven Anleger netto unterperformen. Diese Aussage setzt weder die Gültigkeit der EMH noch andere Bedingungen voraus. Hinter ihr verbirgt sich letztlich ganz simple Sach- und Marktlogik in Verbindung mit den fünf- bis zehnmal höheren Kosten aktiven Investierens gegenüber passivem Investieren.

3. Der eingebaute Steuervorteil von Buy-and-Hold
Nahezu alle Anleger zahlen Steuern, und aktive Anleger zahlen mehr Steuern als passive Anleger. Warum? Aktiv investieren erfordert definitionsgemäß mehr Käufe und Verkäufe als passives Anlegen, das notwendigerweise ein Buy-and-Hold-Ansatz ist. Weil die Realisierung von Kursgewinnen und die davon ausgelöste Steuerzahlung unter Buy-and-Hold in die Zukunft verschoben wird, produziert es gegenüber aktivem Investieren (wo das für die durchschnittliche Position nicht oder weniger der Fall ist) einen sogenannten steuerlichen Barwertvorteil, das heißt die effektive Steuerbelastung sinkt. Dieser Zusammenhang existiert in praktisch jedem Steuerregime. Unter sonst gleichen Bedingungen wird dieser Steuervorteil von Buy-and-Hold umso größer, je höher das Steuerniveau ist. Unter dem deutschen Abgeltungsteuerregime führt dieser Effekt bei Aktien unter sonst gleichen Umständen zu einem Nettorenditeplus von etwa einem Prozentpunkt pro Jahr, wenn man einen Zeitraum von 30 Jahren Buy-and-Hold unterstellt (Kommer, 2018).

4. Rechtsschiefe in der Renditeverteilung bei Aktien
Rechtsschiefe ist ein Begriff aus der Statistik und bedeutet – vereinfacht ausgedrückt – dass sehr weit rechts vom Durchschnitt einige extreme Ausreißer existieren. Das Phänomen ist sowohl im Marktquerschnitt als auch im Zeitlängsschnitt zu beobachten.

Zunächst zur Rechtsschiefe im Sinne des Marktquerschnitts: Der Marktquerschnitt sind alle Aktien, die in einem bestimmten Zeitraum (z. B. 50 Jahre) existieren oder existiert haben. Hier die Krux: Lediglich 4 Prozent aller Aktien sind verantwortlich für die gesamte Marktrendite oberhalb des Geldmarktzinses ("risk-free return") (Bessembinder, 2018). Die anderen 96 Prozent "Loser-Aktien" erzeugen kollektiv nur die Sparbuchrendite, die inflationsbereinigt nahe bei null liegt. Da die positive Marktrendite letztlich in außerordentlich wenigen "Superstar-Aktien" konzentriert ist, dürfte es sehr schwer sein, diese dauerhaft und hinreichend zuverlässig per Stock Picking zu identifizieren. Für ein gegebenes Zeitfenster gelingt das – wie oben erwähnt – nur einer kleinen Minderheit von Stock-Pickern und vermutlich aus Zufall.

Ein ganz anderes, aber ähnliches "Rechtsschiefe-Phänomen" besteht im zeitlichen Längsschnitt, also den Marktrenditen pro Periode (z. B. Tage, Monate oder Jahre) entlang der Zeitachse. Verpasste man bspw. beim MSCI-World-Standard-Index von Anfang 1970 bis Ende 2019 (50 Jahre bzw. 600 Monate) die renditeträchtigsten 20 Monate – das sind nur 3 Prozent aller Monate in diesen 50 Jahren – schrumpft die Gesamtrendite von 7,9 Prozent p. a. (nominal und in Euro) drastisch um die Hälfte auf 3,95 Prozent p. a. Verpasst man die besten 49 Monate, also lediglich 8 Prozent aller Monate, fällt die resultierende Rendite über die ganzen 50 Jahre auf null. Würde man diese Kalkulation auf Tage statt Monate beziehen, wäre der renditezerstörende Effekt durch das Verpassen kleiner Zeitanteile der Gesamtzeitspanne sogar noch extremer. Aus "Rechtsschiefe-Gründen" muss Market Timing also unrealistisch präzise sein, um Erfolg zu haben.

5. "The Paradox of Dropouts"
Nach dieser These des Ökonomen Steven Thorley wird der Kapitalmarkt (z. B. der globale Aktien- oder Anleihenmarkt) als ein Spiel mit Teilnehmern unterschiedlichen Könnens verstanden – eine plausible Annahme (Thorley, 1999). Es ist demzufolge naheliegend, dass im Zeitablauf vorwiegend Spieler (Marktteilnehmer) mit niedrigem Können (Skill) aus dem Spiel ausscheiden werden, da sie ihren mangelnden Spielerfolg (Rendite) früher oder später bemerken. Infolgedessen steigt das durchschnittliche Skill-Niveau der verbleibenden Spieler. Für einen gegebenen verbleibenden Spieler wird es dann schwieriger, den nun höheren durchschnittlichen Skill-Level (im Spiel "Börse" ist das die Marktrendite) zu übertreffen. Das Paradoxon von Dropouts impliziert, dass der seit einigen Jahren zunehmende Marktanteil passiven Investierens (und im Gegenzug der abnehmende Marktanteil aktiven Investierens) – anders als oft behauptet – vermutlich nicht zu einem Vorteil für die verbleibenden aktiven Anleger führt, sondern zu einem Nachteil.

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