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Gerd Kommer und Alexander Weis Mythen und Missverständnisse zu Depotentnahmen

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Argument 1: Bei der Steuerbelastung gibt es keinen nennenswerten Unterschied

Aus steuerlicher Sicht besteht zwischen A-Entnahmen (laufenden Erträgen) und B-Entnahmen (Anteilsverkäufen) bei Kapitalanlagen im Privatvermögen in den meisten Ländern, so auch in Deutschland, kein wesentlicher Unterschied. Da, wo einer besteht, werden B-Entnahmen steuerlich sogar eher günstiger behandelt (wie z. B. in der Schweiz und in den USA). (Nota Bene: Wir unterstellen bei allen steuerlichen Aussagen in diesem Beitrag, dass die betreffenden Vermögenswerte in Privatvermögen, nicht im betrieblichen Vermögen, gehalten werden.)

Argument 2: Bei Transaktionskosten existiert kein materieller Unterschied

Aus Transaktionskostensicht (Kosten für Käufe und Verkäufe von Wertpapieren oder Fondsanteilen) haben A-Entnahmen bei oberflächlicher Betrachtung Vorteile. Wer tiefer analysiert, wie wir das in unserem Beitrag "Ausschüttende vs. thesaurierende Fonds" getan haben, wird erkennen, dass dieser Vorteil in der Praxis in den meisten relevanten Konstellationen entweder gar nicht besteht oder nicht ins Gewicht fällt. Das viel gehörte Argument ,"Ausschüttungen verursachen keine Transaktionskosten, Anteilsverkäufe jedoch schon", greift in diesem Zusammenhang zu kurz. Warum das so ist, haben wir im besagten Beitrag dargelegt.

Argument 3: Anlagen mit hoher Ausschüttungsrendite sind nicht grundsätzlich attraktiver als solche mit niedriger Ausschüttungsrendite

Vermögensanlagen sollten – das ist banal – auf der Basis ihrer so genannten erwarteten Gesamtrendite und ihres erwarteten Risikos ausgewählt werden. Die Gesamtrendite besteht bei den meisten Kapitalanlagen aus einer Ausschüttungs- und einer Wertsteigerungsrendite. Dabei gilt der nahezu ausnahmslose Grundsatz: Je höher die Ausschüttungsrendite, desto niedriger die Wertsteigerungsrendite. Beispielsweise geht eine hohe Dividendenrendite bei einer Aktie eins zu eins zu Lasten ihrer Wertsteigerungsrendite; das Gleiche gilt für Immobilien.

Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Ausschüttungsrendite und Wertsteigerungsrendite anhand von Zahlenbeispielen für verschiedene Vermögensformen (Asset-Klassen). Eine hohe Ausschüttungsrendite ist kein Geschenk. Sie geht zu Lasten der Wertsteigerungsrendite. Scheinbare Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in der Regel Verwechslungen von "optisch sichtbaren" Vorgängen mit allen wirtschaftlichen Vorgängen. Ergo: Nur die Gesamtrendite zählt.

Viele Finanzanlagen – auch attraktive – weisen im Übrigen überhaupt keine Ausschüttungsrendite auf. Vier Beispiele dafür sind in der Tabelle enthalten. Bei manchen Typen von Anleihen kann der Anleger beinahe beliebig zwischen Varianten mit hoher, mittlerer oder niedriger Ausschüttungsrendite wählen. Diese bloß formalen Abweichungen haben jedoch keine systematische Auswirkung auf die erwartete Gesamtrendite. Wäre es anders, würde eines der fundamentalsten Gesetze des Kapitalmarktes nicht mehr gelten: "There is no free lunch" – es gibt kein Gratis-Mittagessen.

Konzeptioneller Vergleich von Anlagen, die jeweils unterschiedliche Kombinationen von Ausschüttungsrendite und Wertsteigerungsrendite repräsentieren

Quelle: Gerd Kommer Invest

Wer sich die acht in der Tabelle aufgeführten Anlagen mit ihren jeweils verschiedenen Kombination von Ausschüttungsrendite und Wertsteigerungsrendite vergleichend durch den Kopf gehen lässt, wird schlussfolgern müssen, dass die Bevorzugung von Anlagen allein oder primär wegen ihrer Ausschüttungsrendite – statt deren Gesamtrendite und anderer wichtiger Eigenschaften wie Risiko und Liquidität – wenig logisch erscheint.

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