Gerd Kommer und Alexander Weis Ob und wie das Timing des Einstiegs funktioniert
Vereinfacht gesagt produziert diese Strategie nur zwei idealtypische Ergebnisse: (a) Es kommt zu einem Reißen der Verlustschwelle; dann wird die MVT-Strategie die SOWI-Strategie mit quasi-mathematischer Notwendigkeit über die Gesamtperiode schlagen; jedenfalls in einer Welt ohne Rebalancing (siehe weiter unten). (b) Es kommt nicht zum Reißen der Verlustschwelle; dann wird die MVT-Strategie der SOWI-Strategie über die Gesamtperiode hinweg unterliegen.
Die MVT-Idee erscheint auf den ersten Blick clever. Ob sie das wirklich ist, versuchen wir anhand eines Backtests (Prüfung anhand historischer Daten) zu evaluieren. Wir verwenden dafür die historischen Monatsrenditen des globalen Aktienmarktes von 1970 bis 2018 (49 Jahre), der in diesem Zeitraum eine nominale Rendite von durchschnittlich 7,5 Prozent p. a. produzierte (real 4,7 Prozent p. a.). (1970 ist das Startdatum aus Datenverfügbarkeitsgründen.)
In unserem Backtest stellen wir für jeden einzelnen Startmonat innerhalb des Zeitraums 1970 bis 2018 (49 Jahre bzw. 588 Monate) fest, ob eine vordefinierte prozentuale Verlustschwelle nach dem Startmonat im verbleibenden Zeitraum bis zum 31.12.2018 jemals gerissen worden wäre. Das erste Szenario beginnt am 1. Januar 1970 (es ist 49 Jahre lang), das letzte am 1. Dezember 2018 (es ist nur noch einen Monat lang). Wenn man berücksichtigt, dass wir zehn unterschiedliche Verlustschwellen von 5 Prozent bis 50 Prozent (in 5-Prozent-Intervallen) testen, ergibt das insgesamt 10 × 588 = 5.880 einzelne historische Szenarien.
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass prozentuale Verlustschwellen für eine solche MVT-Strategie nur in nominalen, nicht inflationsbereinigten (realen) Werten, Sinn machen. Eine Definition in realen Zahlen würde sowohl theoretisch als auch praktisch kaum funktionieren und die Ergebnisse nur geringfügig verändern – die Schlussfolgerungen blieben unverändert (das haben wir auch getestet). Aus Platzgründen gehen wir auf die Gründe nicht weiter ein.
Was haben wir genau gemacht? Wir haben für jeden der 588 Kalendermonate für Verlustschwellen von 5 bis 50 Prozent die Frage beantwortet: Wird die historische Verlustschwelle von diesem Startmonat an bis Dezember 2018 jemals reißen oder nicht? Eine Verlustschwelle von z. B. 10 Prozent gilt dann als gerissen, wenn der Indexstand gemessen am Beginn der MVT-Strategie danach in einem einzigen Monat um 10 Prozent oder mehr unterschritten wird. Für eine Verlustschwelle von 10 Prozent war das in 296 der insgesamt 588 Monate (49 Jahre) der Fall, was einer MVT-Erfolgsquote von rund 50 Prozent entspricht. Die gleiche Berechnung haben wir für die anderen Verlustschwellen von 5 bis 50 Prozent wiederholt und die Ergebnisse in der folgenden Grafik zusammengefasst.