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Gerd Kommer und Alexander Weis Sozial verantwortlich investieren mit ETFs?

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Beispiele schwieriger Konstellationen

Zunächst zu (A) und (B): Es liegt auf der Hand, dass die Beurteilung sozialer und ökologischer Sachverhalte hochgradig von subjektiven weltanschaulichen Faktoren geprägt ist, wie auch von der Möglichkeit, gegebene Fakten geradezu entgegengesetzt einzuschätzen. Hier nur drei Beispiele für in diesem Zusammenhang ungeheuer schwierig zu beurteilenden Konstellationen.

  • Manche Biologen und Genetiker sehen Gentechnik als eine vielversprechende Route – und vielleicht die vielversprechendste Route – auf dem Weg, das Los der Ärmsten (hungernde und fehlernährte Menschen in Entwicklungsländern) und Kränksten dieser Welt (schwerkranke Menschen überall auf dem Globus) zu verbessern. Andere Wissenschaftler lehnen Gentechnikforschung und -verwendung dagegen ab. Auch innerhalb der allgemeinen Bevölkerung bestehen zu diesem Thema konträre, teils unvereinbare Ansichten.
  • Rüstungsunternehmen sind in ESG-Indizes typischerweise ausgeschlossen. Was ist mit einem veganen Catering-Unternehmen, dessen Hauptkunde ein Rüstungsunternehmen ist? Wie sieht es aus mit einem Zulieferer für Stahlbauteile, der in den vergangenen 20 Jahren nahezu ausschließlich die Militärindustrie beliefert hat, seit einem Jahr aber nur noch zivile Kunden hat. Darf dieses Unternehmen jetzt in den ESG-Index? Wenn nicht, wann darf es das? Nach zwei Jahren Abstand zu seiner „Nicht-ESG-Vergangenheit“? Nach drei Jahren? Nach zehn Jahren?
  • Die Online-Ausgabe der Zeitung Die Welt veröffentlichte am 12.07.2018 einen Artikel mit der Überschrift: „Wussten Sie, dass Ihr Roboter mit Militärtechnik saugt?“ Darin werden mehrere Beispiele beschrieben, wie Technologie, die ursprünglich im Rüstungssektor entwickelt wurde, später in zivilen Produkten weiterverwendet wurde. Frage: Darf ein solcher Staubsaugerhersteller daher Ihrer Ansicht nach Teil eines SRI-ESG-Index sein oder eher nicht?

Ethisch-wissenschaftliche Dilemmas

Es ist dementsprechend nicht von vorneherein klar und alles andere als einfach für einen Indexanbieter, solche ethisch-wissenschaftlichen Dilemmas in einem ESG-Aktienindex angemessen abzubilden. Abgrenzungsprobleme lauern an buchstäblich jeder Ecke.

Dieser Index-Anbieter muss jedoch „heute“ eine ein und für allemal präzise, schriftlich definierte Grenze für „akzeptabel“ und „nicht akzeptabel“ in Bezug auf alle wesentlichen ESG-Aspekte formulieren. Und er muss das so tun, dass die Position eines real existierenden Unternehmens diesseits oder jenseits dieser Grenze zu jedem Zeitpunkt mit vertretbarem Kostenaufwand hinreichend zuverlässig überprüfbar ist.

Zu den wenigen hier genannten Beispielen könnte man Dutzende, wenn nicht Hunderte weitere auf allen drei ESG-Feldern – Ökologie, Soziales und Corporate Governance – hinzufügen. Sie würden wimmeln von ethisch-weltanschaulichen Dilemmas, fachlichen Kontroversen, ungelösten wissenschaftlichen Grundsatzfragen, Datenproblemen, kostenmäßigen Umsetzungshürden und möglichen Rendite-Risiko-Nachteilen.

Intransparente Welt aktiven Investierens

Aus den meisten dieser Schwierigkeit kann sich ein aktiv orientierter Privatanleger relativ leicht herauswinden, indem er diese – wie ein Jurist sagen würde – komplexen „Güterabwägungen“ ganz einfach an einen Dritten – an einen Fondsmanager – delegiert.

Dieser kann seine subjektiven, bei genauerer Betrachtung oft willkürlichen, kontroversen und manchmal ganz einfach falschen ESG-Anlageentscheidungen à la „Unternehmen A ist akzeptabel, Unternehmen B ist nicht akzeptabel“ stets mit dem Totschlagargument rechtfertigen, „in jenem Augenblick war das war halt meine persönliche Meinung“.

Genaugenommen hat es unser Fondsmanager sogar noch einfacher: Der größte Teil seiner Anlageentscheidungen wird ja gar nicht publik gemacht. Somit kann ihm niemand wirklich auf die Finger schauen. Das ist die „schöne“, intransparente Welt aktiven Investierens.

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