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Gerd Kommer und Alexander Weis Sozial verantwortlich investieren mit ETFs?

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Rendite und Risiko von ESG-Investing

So viel zu den Abgrenzungs- und Umsetzungsproblemen und ihren manchmal fragwürdigen Indexlösungen beim ESG-Investieren mit Indexfonds. Wie sieht es nun ganz konkret mit Rendite und Risiko von ESG-Investing im Vergleich zu Nicht-ESG-Investing aus?

Zu dieser Gretchenfrage existiert inzwischen eine stattliche Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen. Wir haben uns einige der bekanntesten und einige der neuesten angesehen. In Summe sind die Ergebnisse nicht ganz eindeutig, aber dennoch überwiegt unserer Wahrnehmung nach in der wissenschaftlichen Literatur recht klar die Evidenz dafür, dass passives ESG-Investieren über einen hinreichend langen Zeitraum hinweg zu einer Verschlechterung der erzielbaren Rendite-Risiko-Kombination gegenüber konventionellen passiven Investieren führt – also einen schlechteren Erwartungswert bei risikoadjustierter Rendite oder der Rohrendite hat. Zwei neue methodisch anspruchsvolle Aufsätze, die zu dieser Schlussfolgerung gelangen, sind Richey (2016) und Scholtens/Trinks (2017).

Dass ESG-Investieren auf lange Sicht zu einer nennenswert schlechteren Rendite-Risiko-Kombination führt, erscheint sachlogisch plausibel. Allerdings dürfte es noch zehn Jahre oder länger dauern, bis sich genügend Datenmaterial und wissenschaftliche Studien angesammelt haben, um diese Schlüsselfrage belastbarer als heute beantworten zu können.

Sehr karge ESG-ETF-Produktlandschaft

Wer dennoch schon heute ESG-Investing mit ETFs praktizieren will, sieht sich mit einer sehr kargen Produktlandschaft konfrontiert. Die Zahl der auf dem deutsche Privatanlegermarkt verfügbaren ESG-ETFs ist per Stand heute (Juli 2018) kümmerlich niedrig.

Auf der ETF-Web-Seite justETF.com waren von den dort insgesamt gelisteten 1.235 ETFs nur 49 ESG-ETFs. Das sind 4 Prozent aller verfügbaren ETFs. Ein Privatanleger, der mit ETFs, statt mit aktiv gemanagten Fonds, eine stringente ESG-Anlagestrategie umsetzen möchte, müsste angesichts dessen wohl (gravierende) Zugeständnisse gegenüber seiner Wunsch-Asset-Allokation eingehen und sähe sich vermutlich auch noch mit anderen unangenehmen Umsetzungskompromissen konfrontiert.

Ein Beispiel für solche Umsetzungskompromisse oder -hürden: Für so genanntes Factor Investing (auch Smart Beta Investing genannt) mit ETFs existiert derzeit kein einziges an deutsche Privatanleger vertriebenes ESG-Produkt.

Ein Vergleich der Kosten in Form der „Total Expense Ratio“ („Laufende Kosten“) von ESG-ETFs mit den TERs konventioneller ETFs zeigt für global investierende Fonds laufende Mehrkosten der ESG-Varianten von zwischen 0,08 und 0,23 Prozent. Das sind keine Größenordnungen, die ein typischer passiver Anleger als „vernachlässigbar“ einstuft.

ESG als ethisch aufgeladene Angelegenheit

Summa summarum ist klar, dass ESG-Investieren eine weltanschauliche, ethisch aufgeladene Angelegenheit ist, bei der das individuelle Wertesystem eines Anlegers eine Schlüsselrolle spielt.

Selbst wenn Einigkeit über die Faktenlage in Bezug auf einzelne Unternehmen bestünde (was wohl eher nicht der Fall ist), würden hier unterschiedliche Menschen häufig zu komplett anderen Schlussfolgerungen gelangen.

Weil das so ist, muss jeder Anleger für sich selbst entscheiden, ob er angesichts der in diesem Abschnitt beschriebenen Sachlage auf ESG-Basis anlegen will oder nicht.

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