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Gerd Kommer und Jonas Schweizer Das unterschätzte Risiko von Bankguthaben

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Warum sind Bankguthaben – soweit sie nicht in die beiden genannten Ausnahmen fallen – nahezu immer abzulehnen? Die wesentlichen Gründe dafür kann man wie folgt zusammenfassen:

 

  • Ökonomisch betrachtet ist ein Bankguthaben ein unbesicherter Kredit vom Einleger (z. B. einem Privathaushalt) an ein Finanzinstitut. Die Betonung liegt auf unbesichert. Zudem reicht der Einleger diesen unbesicherten Kredit (das Bankguthaben) an ein hoch verschuldetes Unternehmen aus: die Bank. Der typische Fremdkapitalanteil am Gesamtkapital einer Bank beträgt 92 Prozent. Das ist mehr als in allen anderen Branchen. Kein Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen kann dauerhaft mit einer so hohen Verschuldungsquote (neudeutsch Leverage) überleben. Soweit das Bankguthaben 100.000 Euro nicht überschreitet, ist das damit verknüpfte Risiko durch die staatliche Einlagensicherung vermutlich akzeptabel abgesichert, darüber hinaus jedoch nicht. Die privaten Sicherungssysteme der drei Bankengruppen in Deutschland (Genossenschaftsbanken, öffentliche Banken und private Banken), die deutlich höhere Sicherungsgrenzen haben, bieten im Fall einer systemischen Bankenkrise, wie sie 2008/2009 in Deutschland und zeitgleich in vielen anderen Staaten ausbrach und wie es sie in den letzten 200 Jahren in vielen Ländern oder Regionen mehrfach gegeben hat, keinen hinreichenden Schutz. Dafür sind sie zu klein und schwach. Sie helfen lediglich dann zuverlässig, wenn eine oder wenige einzelne Banken außerhalb einer systemischen Krise umkippen.
  • Darüber hinaus stellt der Kredit (die Einlage) aus der Sicht des Einlegers in vielen Fällen ein Klumpenrisiko dar. Der Einleger leiht sein Geld typischerweise einem einzelnen Institut und nicht einer diversifizierten Gruppe von Banken; es sei denn, er teilt seine Anlagen auf mehrere verschiedene Häuser auf – für sehr vermögende Privathaushalte ist das de facto nur schwer oder gar nicht möglich und jedenfalls sehr arbeitsaufwendig.
  • Bankpleiten und systemische Bankenkrisen waren wirtschaftsgeschichtlich in den letzten Jahrhunderten – wie auch in den letzten 50 Jahren – „normal“, wenngleich sie überwiegend nur in großen zeitlichen Abständen auftreten (siehe z. B. Calomiris 2007 und Reinhart/Rogoff 2009). „Bankenpleite“ bedeutet hier nicht unbedingt formal-rechtlicher Konkurs, sondern eine existenzielle wirtschaftliche Notlage (neudeutsch "bank failure"), welche entweder staatliche Stützungsmaßnahmen nach sich ziehen, die Übernahme durch einen Konkurrenten oder eben einen formalen Konkurs mit anschließender Liquidierung. In allen diesen Fällen bedeutet „Pleite“, dass manche oder alle Kontoinhaber um die Rückzahlung ihrer Einlagen über eine längere Zeit bangen müssen und/oder tatsächliche Verluste erleiden. Die Aktionäre und Anleihengläubiger der betroffenen Bank werden in der Regel einen großen Teil ihres Investments verlieren.

Zur Illustration ein paar Zahlen zu Bank Failures aus der jüngeren Vergangenheit: In den fünf Jahren von 2008 bis 2012 gingen in den USA 465 Banken unter (etwa 7 Prozent aller Institute). Von 2006 bis 2013 teilten in Deutschland mehr als ein Dutzend Banken dieses Schicksal, darunter die damals zweitgrößte und drittgrößte Bank wie auch die größte Immobilienbank (Commerzbank, Dresdner Bank, Hypo Real Estate) sowie mehrere staatliche Landesbanken. Es gab kaum ein Land in der EU, das 2008/2009 keine Bankenkrise erlebte. Auch die beiden größten Schweizer Bankhäuser UBS und Credit Suisse erlitten schwerste und, aus der damaligen Sicht, existenzbedrohende Verluste. Die Zeit um 2008/2009 war jedoch kein einmaliger Sonderfall. Gravierende nationale Bankenkrisen zwischen dem Zweiten Weltkrieg und 2008/2009 gab es in den USA, Japan, Norwegen, Spanien, Schweden, der Schweiz und Großbritannien, um nur die bekannteren Fälle zu nennen (siehe die englische Wikipedia unter dem Stichwort "list of banking crises"). Die drei heute am kürzesten zurückliegenden deutschen Bankpleiten sind die Maple Bank in Frankfurt/M (2016), das Bankhaus Wölbern in Hamburg (2016) und die Süddeutsche Aktienbank in Stuttgart (2017). In wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern sind Bankkonkurse und Beinahe-Konkurse noch häufiger.