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Gerd Kommer und Jonas Schweizer „Kapitalbildende Lebensversicherung – ein deutscher Irrweg“

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Bei KLVs enthält der hier relevante Paragraf 314 VAG die Bezeichnung "Sicherungsvermögen" (nicht "Sondervermögen"). Nach Paragraf 314 hat ein einzelner Versicherungsnehmer – anders als das bei einem Anleger in einem Investmentfonds – eben gerade keinen  vergleichbaren Aussonderungsanspruch für die Vermögenswerte (primär Wertpapiere), die mit seinem Geld im Laufe der Zeit erworben wurden, sollte die verwaltende Versicherungsgesellschaft in eine Insolvenz geraten. Im Gegenteil: Die Aufsichtsbehörde (Bafin) darf und wird nach Paragraf 314 die Auszahlungsleistungen – auch den sogenannten Garantiezins – an einzelne oder alle Versicherten kürzen und sogar ganz verbieten, wenn das Versicherungsunternehmen ansonsten nicht mehr in der Lage wäre, alle seine unternehmerischen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, also zur Sanierung des Gesamtunternehmens. Das gilt sowohl in Bezug auf traditionelle KLVs als auch in Bezug auf fondsgebundene KLVs (Wissenschaftlicher Dienst 2019). Von einer strikten Trennung des Vermögens der Versicherungsgesellschaft und des Vermögens der Versicherungsnehmer (sprich die Einzahlungen und die Renditen, die damit erzielt wurden) kann keine Rede sein.

Der Nachteil des Gegenparteirisikos in Bezug auf die Versicherungsgesellschaft wiegt besonders hoch, weil ein KLV-Vertrag ja typischerweise über mehr als ein Jahrzehnt läuft und weil die deutsche Lebensversicherungsbranche ohnehin mit Strukturproblemen kämpft, die in den nächsten Jahren einige Versicherer in schwere Solvenzprobleme treiben könnten. Heute zu wissen, dass ein bestimmter KLV-Anbieter eine gute Bonität hat (gemessen z. B. am Bonitäts-Rating), ist eine weitgehend nutzlose Information, weil sie wenig über den Zustand dieses Unternehmens in 12 oder 20 Jahren aussagt. Der Nachteil des Bonitätsrisikos bzw. des fehlenden Sondervermögensschutzes alleine wiegt unseres Erachtens so hoch, dass wir niemals eine KLV abschließen würden.

Keine Einlagensicherung

Die private Sicherungseinrichtung der deutschen Lebensversicherungsunternehmen namens Protektor  ("Protektor Lebensversicherungs-AG") hilft hier leider auch nicht weiter. Schon der Konkurs einer einzigen großen Lebensversicherung würde die finanziellen Ressourcen von Protektor wahrscheinlich übersteigen. Für den Fall einer systemischen Krise, die mehrere Versicherungen zugleich betrifft, wäre die Schutzwirkung von Protektor auf jeden Fall zu gering. Gerade eine solche Systemkrise ist für die deutschen Lebensversicherungsunternehmen in Zukunft möglich, denn die ganze Branche leidet seit langer Zeit unter strukturellen Problemen, darunter rückläufigem Neugeschäft, sinkender Profitabilität und einem "bilanziellen Asset-Liability-Mismatch", sprich zu geringer Erträge aus Anlagen, die in langfristiger Perspektive unterhalb der Auszahlungsverpflichtungen an die Versicherten liegen. Diese Strukturprobleme dürften sich in Zukunft eher noch verschärfen. Einer der größten Lebensversicherer auf dem deutschen Markt, die "Generali", hat deswegen bereits das Handtuch geworfen und einen wesentlichen Teil seines KLV-Bestandes in eine Abwicklungsgesellschaft transferiert, weil ein normaler Verkauf bereits nicht mehr möglich war.

Um etwaige Missverständnisse auszuräumen: Eine staatliche Einlagensicherung, wie sie innerhalb der EU für Bankguthaben bis zu 100.000 Euro pro Bank-Kunde-Kombination gilt, existiert für deutsche KLVs nicht.

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Angesichts dieser langen Latte von Nachteilen und Problemen stellt sich die Frage, warum wohl kein anderes Land auf diesem Planeten mit so vielen KLV-Policen pro Kopf, wie in Deutschland, existiert. Die beiden Antworten auf diese Frage lauten: (a) Steuervorteile (die aber, wie erwähnt, für Neu-Policen kaum noch ins Gewicht fallen). Diese vom Staat gewährten Steuervorteile waren in der Nachkriegszeit ein gigantischer Lobby-Erfolg der mächtigen Versicherungsbranche und (b) der kuriose "Wahn" der Deutschen alles kreuz und quer versichern zu müssen, manchmal sogar doppelt. Nicht zufällig ist die größte Versicherung der Welt ein deutsches Unternehmen.

So viel zum Produkt KLV, seinen unheilbaren Geburtsfehlern und den Gründen für seine starke Verbreitung, trotz der offenkundigen Defekte. Nun zur Praxis.

Bei einer bestehenden KLV ergeben sich in der Regel vier Handlungsoptionen für den Versicherungsnehmer: Unveränderte Weiterführung und Besparung, Beitragsfreistellung, Kündigung oder Verkauf auf dem Zweitmarkt. Oft ist übrigens der Verkauf lukrativer als die Kündigung.

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