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, Aktualisiert am 28.01.2020 - 16:23 Uhrin AnalysenLesedauer: 6 Minuten

Gerd Kommer und Jonas Schweizer Negative Zinsdifferenzgeschäfte sind schädlich und unnötig

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Die NZG-Beendigung als Maßnahme zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in absoluten und relativen Zahlen ist meistens einfach umsetzbar und ihr positiver Effekt letztlich garantiert. Auf dem Gebiet der Geldanlage existieren nicht viele Maßnahmen, die einen renditesteigernden Effekt haben, ohne zugleich mit offenen oder versteckten Nachteilen wie z. B. mit mehr Risiko oder mehr Komplexität einherzugehen. Die Beseitigung eines NZG stellt eine der seltenen Renditeverbesserungsmöglichkeiten dar, die nicht zugleich mit Nachteilen einhergehen und sehr einfach sind – ein Free Lunch, wenn man so möchte. Was gibt es hierzu noch zu sagen?

  • Der Vorteil aus der Beseitigung von NZG hat letztlich nichts zu tun mit der so genannten "Nullzinslandschaft", in der wir uns seit einigen Jahren befinden. Logik und Nutzen der Beseitigung von NZG träfen auch dann zu, wenn die Zinsen deutlich höher wären als heute; die Kreditzinsen wären dann nämlich ebenfalls höher. (Dass die Nullzinslandschaft in Wirklichkeit gar nicht ungewöhnlich oder neu ist, haben wir in unserem Beitrag "Nullzinsen und Anlagenotstand" detailliert erläutert.)
  • Jeder Haushalt sollte eine ausreichend großzügig bemessene persönliche Liquiditätsreserve vorhalten. Betragsmäßig sollte das in etwa das sechsfache der langfristig durchschnittlichen monatlichen Ausgaben sein. Wer besonders vorsichtig und konservativ vorgehen möchte, kann auch das zwölffache ansetzen. Diese persönliche Liquiditätsreserve bleibt bei den Überlegungen zur Beseitigung NZG stets außen vor, auch wenn das den Vorteil aus dieser Beseitigung geringfügig mindert.
  • Wenn sich der betreffende Kredit aufgrund von Tilgungsbeschränkungen nicht oder nur begrenzt vorfristig tilgen lässt, dann liegt es auf der Hand, dass in diesem Umfang die Vorteile aus der Beseitigung des NZG erst einmal nicht genutzt werden können. Ein solcher Haushalt sollte das dann bei frühestmöglicher Gelegenheit nachholen (Stichwort Sondertilgungen).
  • Die Tilgung eines Kredits ist ökonomisch gleichbedeutend mit einem völlig risikofreien Investment in der Höhe der Tilgung, dessen Rendite der eingesparte Zinsaufwand ist. Risikolose Investments, die so rentieren, existieren auf diesem Planeten ansonsten eigentlich nicht. Diese ökonomische Intuition sollte sie von der Attraktivität der Beendigung von NZG überzeugen, wenn es die anderen Argumente noch nicht getan haben.
  • Die normale Beseitigung eines NZG im Wege der Tilgung des Kredits erhöht die (erwartete) Profitabilität eines Haushaltsportfolios, beeinflusst aber sein Risiko nicht (oder nur ganz minimal im positiven Sinne) und stellt somit einen in der Ökonomie ganz seltenen "Free Lunch" dar.
  • Niedrig rentierliche Liquidität vorzuhalten, obwohl gleichzeitig Verbindlichkeiten bestehen, die mehr kosten als die Liquidität einbringt, kann dann ökonomisch sinnvoll sein, wenn man glaubt, dass kurz- oder mittelfristig eine "Anlagegelegenheit" kommen wird, in die die niedrig rentierliche Liquidität dann fließen wird – statt in die Kredittilgung. Die Investmentopportunität muss dann eine höhere erwartete Rendite nach Kosten und Steuern haben als der Kredit nach Steuern kostet.
  • Die im vorigen Punkt beschriebene Logik lässt sich analog auch auf ein sofortiges (schon bekanntes) Investment anwenden (also ohne "Warten auf die Gelegenheit"). Die niedrig rentierliche Liquidität wird in diesem Fall in ein bereits vorhandenes bzw. bekanntes Investment, z. B. in breit diversifizierte Aktien-ETFs, investiert.
  • Wenn die Beendigung eines NZG nicht im Wege der Kredittilgung geschieht, sondern durch ein Investment mit Renditeerwartung oberhalb des Kreditzinses, dann führt das zwar grundsätzlich ebenfalls zu dem besagten Kostenvorteil, doch zugleich erhöht der Haushalt in dieser Konstellation sein Gesamtrisiko, weil nun – im Vergleich zur ursprünglichen Ausgangslage – der Anteil des risikobehaften Portfolioteils am gesamten Portfolio gestiegen ist. (Wenn ein Anleger allerdings glaubt, er habe ein Investment identifiziert, das eine höhere erwartete Nettorendite habe als der fragliche Kreditzins und das gleichzeitig risikofrei oder nahezu risikofrei sei, dann trifft unsere Argumentation natürlich nicht zu. Wir betrachten solche Überlegungen jedoch als naive Alice-im-Wunderland-Fantasien.)
  • Wenn Sie von Ihrer Bank, Ihrem Finanzberater oder Ihrem Vermögensverwalter zur Beseitigung von NZG bisher nichts gehört haben, dann vielleicht deshalb nicht, weil besagte Institutionen – anders als Sie selbst – am Weiterbestehen von NZG direkt oder indirekt Geld verdienen.

Man könnte daher resümieren, dass der Dreh- und Angelpunkt bei der Auflösung eines NZG in der Entscheidung besteht, in welche Verwendung die niedrig rentierlichen Cash-Mittel fließen sollen: In die Schuldentilgung oder in ein Investment mit einer Renditeerwartung oberhalb der Kreditkosten. In jedem Fall gilt aber die Feststellung: Das Vorhalten von Cash-artigem, niedrig rentierlichem Vermögen bei gleichzeitig bestehenden Kreditschulden erscheint – vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen – ökonomisch irrational. Der rationale Weg besteht entweder in der Kredittilgung oder der Ausweitung der risikobehaften Investments.

Fazit

Was gilt es in der Praxis für Privathaushalte zu tun? Sie sollten ihre Geldanlagen auf das Vorhandensein von negativen Zinsdifferenzgeschäften hin überprüfen. Das schließt auch Kleinkredite wie Dispo- und Konsumentenkredite mit ein. Wenn ein NZG vorliegt, dann dürfte es sich in den meisten Fällen finanziell lohnen, diesem Renditekiller baldmöglichst ein Ende zu bereiten, insofern sich die entsprechenden Kredite teilweise oder ganz vorfristig tilgen lassen.

Literatur

Kommer, Gerd; Weis, Alexander (2018): "Nullzinsen und Anlagenotstand – reales Problem oder nur konstruiert?"

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