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Worauf bei Frauen-Finanz-Angeboten im Internet zu achten ist

Ein neuer Blog, Youtube-Kanal, Podcast, ein neues Magazin, ein Finanz-Coaching oder -Mentoring – um das Thema Frauen und Finanzen hat sich in den vergangenen Jahren eine ganze Industrie gebildet. Viele Angebote, auf die man auf Internetseiten und in sozialen Netzwerken stößt, wirken zunächst wie reine Informationsseiten. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die Betreiber damit aber oft auch Geld verdienen wollen. Spätestens wenn neben den öffentlich verfügbaren Informationen Seminare oder Coachings beworben werden, die das Thema vertiefen sollen, wird das offensichtlich.
Finanztipps im Internet setzen oft weit vor dem Thema Geldanlage an. Es geht etwa um das sogenannte Mindset, die persönliche Motivation und Einstellung in Bezug auf Finanzthemen und Geldanlage. Die Finfluencerinnen und Finfluencer, Influencer mit Fokus Finanzen, sind auch schon in den Fokus der Bafin geraten. „Die Programme setzen sich üblicherweise aus Lebenshilfe- und Wissensbausteinen zusammen“, schreibt die Behörde über Finanz-Coaching-Angebote im Internet. Die Bafin geht auch auf das Thema Female Finance ein: „Finanz-Coachings speziell für die Zielgruppe Frauen werben oft mit praktischen Tipps zum Ordnen der Finanzen, zum Sparen und mit Hilfestellungen bei der Depoteröffnung und mit Basisfinanzwissen.“
Bei der Finanzaufsicht empfiehlt man, gegenüber Tipps im Internet grundsätzlich Skepsis walten zu lassen, denn: Coaching-Dienstleister benötigen keine spezielle Ausbildung. Sie müssen für ihre Dienste nicht haften und brauchen auch keine behördliche Erlaubnis – ganz im Gegensatz zu regulierten Anlageberatern, Honorar-Finanzanlageberatern oder Finanzanlagenvermittlern. „Es gibt keine Anforderungen an das Können derjenigen, die Coachings anbieten“, warnt die Bafin. Coach oder Mentorin darf sich prinzipiell jeder und jede nennen. Nur wer zusätzlich zu konkreten Anlagen berate oder Produkte vermittele, müsse Fachwissen nachweisen und benötige eine Lizenz. Die Finanzaufseher bezeichnen das als „ein lukratives, meist risikoloses Geschäftsmodell“.
Strengere Regeln für Finanztipps im Internet
Es gibt jedoch einen Graubereich: Gemäß der EU-Marktmissbrauchsverordnung muss jeder, der Anlageempfehlungen abgibt, dies in objektiver Weise tun. Er muss seine Identität offenlegen und alle Umstände offenbaren, die seine Objektivität beeinträchtigen könnten. Zur Debatte stehen etwa Kommentare zur Entwicklung einer Aktie oder anderer Finanzinstrumente oder der Emittenten. Die Regeln bezogen sich zunächst vor allem auf Banken, Broker und Finanzanalysten, lassen sich aber ebenso auf Finfluencerinnen und Finanz-Coaches anwenden.
Einen neuen Ansatz, den Wildwuchs bei öffentlich verfügbaren Finanztipps und Anlageempfehlungen einzuhegen, verfolgt die EU-Kommission in ihrer Kleinanlegerstrategie. Der Regulierungsvorschlag, der Ende Mai herauskam, soll Verbraucher besser schützen. Die Kommission fordert: Die Regeln für das Marketing von Produktherstellern und vertreibenden Wertpapierfirmen sollen in Zukunft auch für die nicht regulierte Finfluencer-Szene gelten. Steht hinter den Finanztipps eine Bank, Fondsgesellschaft oder Versicherung, müsse das klar gekennzeichnet werden, fordert die EU-Kommission. Die wesentlichen Informationen über Produkte und Dienstleistungen sollten an prominenter Stelle nachlesbar sein. Zudem solle jede Gesellschaft für den Inhalt und die Einhaltung der Vorschriften auch dann verantwortlich sein, wenn ein Influencer oder eine Influencerin die Informationen verbreitet.
Bei vielen Angeboten, auch im Bereich Female Finance, ist auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich, dass die frisch aufgemachte Internetseite oder der kurzweilige Podcast eigentlich von einem etablierten Großanbieter stammen. Beim Internetauftritt von finanzheldinnen.de etwa verrät erst ein Blick ins Impressum, dass dahinter die Commerzbankmarke Comdirect steht. Das Feld ist einigermaßen unübersichtlich.
Das ZDF-Format Wiso hat kürzlich exemplarisch zwei Frauen-Finanz-Coaching-Anbieter untersucht: das Berliner Start-up MA Money und die Finfluencerin Natascha Wegelin alias Madame Moneypenny. Bei MA Money fand das Coaching in einer Kunstgalerie statt, der Testkundin wurden konkrete Versicherungsprodukte empfohlen. Die Mitarbeiterin von MA Money, stellte sich heraus, arbeitete als gebundene Vermittlerin dem Versicherer Generali zu, sie gehörte dem Finanzvertrieb DVAG an. Erst nach mehreren Gesprächen sei das der Probekundin offenbart worden.
Bei Madame Moneypenny dagegen sollte es nicht um konkrete Produkte gehen. Die Finfluencerin Wegelin arbeitet ohne Vermittlerlizenz und bietet ein allgemeines Finanz-Coaching an. Dessen Preis hat es in sich: Es soll stolze 5.500 Euro kosten – gerade für Kleinanlegerinnen, die nur wenig und mühsam Erspartes anlegen wollen, eine gute Stange Geld.
Die Bafin rechnet vor: „Wenn ein Coaching 2.700 Euro kostet, müssen Sie 10.000 Euro als Einmalbetrag in ein Anlageprodukt mit einer Nettorendite (der tatsächliche Gewinn nach Abzug aller Kosten der Geldanlage) pro Jahr von rund 4,8 Prozent anlegen, um das Honorar nach fünf Jahren wieder erwirtschaftet zu haben.“ Mit der gleichen Summe ließen sich in fünf Jahren am Kapitalmarkt rund 730 Euro erwirtschaften.
Frauen als Finanzanlegerinnen - Erfahrungen aus der Praxis
„Wir merken, dass sich viele Finanz-Influencerinnen mit Videos und Seiten melden, bei denen es in erster Linie nicht um Finanzbildung, sondern ums Geldabstauben geht“, ärgert sich Mechthild Upgang. Die Geldanlage-Spezialistin hat das Beratungsunternehmen Dr. Upgang AG gegründet. Dort möchte sie speziell auch Frauen ansprechen. Dass das Thema Female Finance stärker in den öffentlichen Fokus gerückt ist, begrüßt Upgang. Dennoch beäugt sie die jüngste Flut an Angeboten auf dem Gebiet kritisch. Upgang findet: Die Interessen dahinter seien für Laien oft schwer zu erkennen. „Da wird Basiswissen für viel Geld verkauft, das finde ich sehr schade.“ Konkret befürchtet die Beraterin, dass das allgemeine Vertrauen in die ohnehin von Imageproblemen gebeutelte Geldanlagebranche beschädigt werden könnte.
Upgang erinnert sich, dass in der Vergangenheit schon einmal Frauen als Finanzanlegerinnen im Fokus standen: während des Internetaktien-Hypes um die Jahrtausendwende. „Damals schossen Frauen-Investmentclubs wie Pilze aus dem Boden. Die Neu-Aktionärinnen waren voller Euphorie.“ Nach dem darauffolgenden Börsen-Crash habe sich Frustration breitgemacht, die meisten Clubs wurden aufgelöst.

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Die neue Angebotsvielfalt sorge dennoch nicht dafür, dass sich das Thema Finanzanlage für Frauen abnutze, findet Upgang. Ganz im Gegenteil: Es verdiene weiterhin besondere Aufmerksamkeit. Denn dass sich Frauen ganz selbstverständlich um ihre Finanzen kümmerten und in der Breite Geld am Kapitalmarkt anlegten – davon sei man in Deutschland immer noch ein gutes Stück entfernt.

Das sieht auch Petra Ahrens so. Die Finanzanlage-Spezialistin steht der Kölner Vermögensverwaltung Maiestas vor. Seit zwei Jahren ist sie auch im fünfköpfigen Vorstand des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter VuV vertreten – als erste und bislang einzige Frau in der 26-jährigen Verbandsgeschichte. Neben Maiestas betreibt Ahrens auch das Finanzberatungsunternehmen Capa, das sich speziell an Frauen richtet. Dessen Konzept lautet: Beratung zu aller Art von Finanzthemen sowie Geldanlage auch fürs schmalere Portemonnaie.
„Es tut sich momentan wesentlich mehr als noch vor fünf Jahren“, erkennt Ahrens die Fortschritte auf dem Gebiet Female Finance an. Das Wirken von Finfluencerinnen und Finanz-Coachinnen kommt ihr mitunter dennoch befremdlich vor: „Bei manchen Internetauftritten fragt man sich: Habe ich es mit einer Finanzberatung oder einer Frauenarztpraxis zu tun“, so Ahrens. Die Anlageexpertin betont: „Frauen brauchen weder eine rosarote Ansprache, noch andere Finanzprodukte als Männer.“
Ist es eigentlich ein Vorteil, wenn Finanzkundinnen im Beratungsgespräch auch einer Frau gegenübersitzen? Ahrens meint: Ja. Sie schätzt: Rund 80 Prozent der Frauen, mit denen sie arbeite, zögen es vor, von einer Frau beraten zu werden. „Viele Frauen haben dann weniger Hemmungen nachzufragen.“ Insgesamt sieht die Finanzspezialistin beim Buzz-Thema Female Finance weiterhin großen Aufklärungsbedarf: „Es gibt immer noch viel Pionierarbeit zu betreiben, wir sind noch lange nicht am Ziel.“ Und: „Ich bin für jede Frau da draußen dankbar, die sich des Themas annimmt.“
Ahrens' Einschätzung stützen auch aktuelle Studien und Umfragen: Nach wie vor ist die Altersvorsorgelücke bei Frauen im Mittel deutlich größer als bei Männern. Frauen sorgen privat weniger vor und legen seltener Geld an. Laut einer Auswertung des Deutschen Aktien Instituts hatten im vergangenen Jahr 4,7 Millionen Frauen hierzulande Geld in Aktien investiert – gegenüber 8,1 Millionen Männern. Positiv fiel auf: Es kamen deutlich mehr Frauen neu hinzu (siehe Grafik). Aktien gelten auf lange Sicht als besonders renditeträchtige Geldanlage.
Altersvorsorgelücke - das Problem ist mittlerweile bekannt
Auf der anderen Seite horteten Frauen vergleichsweise viel häufiger Geld auf Sparbüchern, ergab eine Umfrage der Fondsgesellschaft JP Morgan Asset Management. Sparbücher waren bis vor Kurzem quasi unverzinst, teils forderten die Anbieter sogar noch Negativzinsen. Ebenso hatten Frauen ihr Geld häufiger in Rentenversicherungsverträgen angelegt – die wegen der langjährigen Niedrigzinsen ebenfalls magere Ergebnisse in Aussicht stellen (Grafik unten).
Das Problem, dass das Geld bei vielen Menschen im Alter knapp werden könnte und dass Frauen potenziell besonders stark betroffen sind, ist dagegen allem Anschein nach weithin bekannt. Teilzeitjobs, schlechtere Bezahlung und tendenziell längere Auszeiten für Care-Arbeit – Altersarmut wird von jeder zweiten Frau als ein bedrohliches Thema empfunden. Von den Männern sagte das in der JP-Morgan-Umfrage nur jeder dritte.

Die Finfluencerinnen, die sich an Frauen richten – ebenso wie das illustre Feld der Frauen-Finanz-Coaches –, adressieren ihre Angebote mithin an eine Klientel, deren Finanz-Engagement immer noch ausbaufähig ist. Worauf sollten Interessentinnen also achten? Die ehemalige Aktienanalystin und Female-Finance-Ikone Anne Connelly empfiehlt, genau hinzusehen: „Die Pandemie hat sehr viele, vor allem digitale Angebote hochgeschwemmt.“ Interessentinnen seien gut beraten, die Erfahrung des jeweiligen Anbieters zu überprüfen. Auch ein Preisvergleich lohne sich. Connelly bietet selbst Finanz-Coaching an. Bei Hermoney kostet ein achtwöchiger Durchlauf knapp 1.000 Euro.
Die Bafin empfiehlt neben Preisvergleichen und Prüfen der Anbieter-Qualifikation auch zu hinterfragen, ob das jeweilige Coaching-Angebot überhaupt zum eigenen Bedarf passt. Niemand sollte sich von psychologischen Tricks („Nur noch zwei Plätze frei“) zu einer übereilten Anmeldung verleiten lassen.
Nicht zu vergessen: Es gibt immer noch auch die klassische Finanzberatung – Unternehmen wie zum Beispiel jene von Upgang oder Ahrens, an die sich Kundinnen mit einer breiten Palette an Finanzfragen wenden können, wenn sie Unterstützung wünschen. Vergleicht man deren Preise mit jenen, die in Finfluencer-Kreisen mitunter aufgerufen werden, so können Finanzkundinnen hier sogar günstiger wegkommen – konkreter Anlagevorschlag inklusive.