Geschlossene Fonds Widerrufsbelehrung der meisten Anbieter ist fehlerhaft
Christian Röhlke
Mit einem Urteil vom 18.03.2014 (II ZR 109/13) hat der Bundesgerichtshof einem Anleger im Rechtsstreit gegen die ALAG Automobil GmbH & Co. KG Recht gegeben. Der Anleger hatte seine atypisch stille Beteiligung an der Leasinggesellschaft nach dem sogenannten Haustürwiderrufsrecht widerrufen, kurz nachdem die ALAG im Juli 2009 die Notwendigkeit einer Liquidation mitgeteilt hatte. Die ALAG hatte argumentiert, der Widerruf sei verfristet, weil der Anleger ab Vertragsabschluss im Jahre 2004 nur eine 14-tägige Frist für die Ausübung des Widerrufs gehabt habe, die bereits lang verstrichen sei.
Mit dieser Argumentation setzte sich die ALAG vor dem Oberlandesgericht in Hamburg noch durch, allerdings korrigierte der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr diese anlegerunfreundliche Entscheidung. Die Begründung ist bemerkenswert und dürfte kaum abschätzbare Folgen für die Branche der geschlossenen Fonds haben.
Wer ein Geschäft an der Haustür, an seinem Arbeitsplatz oder in öffentlichen Verkehrsmitteln abschließt, nachdem er dort überraschend von dem gewerblichen Vertragspartner angesprochen wurde, hat ein gesetzliches Widerrufsrecht. Dieses ursprünglich im Haustürwiderrufsgesetz verankerte Recht befindet sich nunmehr direkt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und gilt grundsätzlich für alle Verträge, auch für Beteiligungen an den geschlossenen Fonds des grauen Kapitalmarktes.
Ein solches Widerrufsrecht ist auch dringend notwendig, da ein Großteil der Verträge des grauen Kapitalmarktes in den eigenen vier Wänden der arglosen Anleger abgeschlossen wird. Banken haben die Produkte, gerade die besonders unseriösen, vielfach ohnehin nicht im Angebot und die Anleger sind tagsüber mit ihrer eigenen Erwerbstätigkeit genug beschäftigt, um auch noch eine Beratung in einer Bankfiliale wahrnehmen zu können. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Zeichnungsscheine geschlossener Fonds des grauen Kapitalmarktes geradezu durchgängig mit einer Widerrufsbelehrung versehen sind. Denn nur wenn eine solche Belehrung ordnungsgemäß im Zeichnungsschein enthalten ist und so dem Anleger mitgeteilt wurde, welche Rechte er nach seiner Unterschriftsleistung hat, läuft die gesetzlich vorgesehene 14-tägige Widerrufsfrist an, in der die Verträge widerrufen werden können. Nach Ablauf der 14 Tage ist ein Widerruf ausgeschlossen.
Der Gesetzgeber ist allerdings streng: Nur eine wirklich ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung setzt die 14-Tagesfrist in Gang. Abweichungen vom gesetzlichen Schutzinhalt können die Widerrufsbelehrung schnell unwirksam erscheinen lassen, so dass ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht besteht und die Anleger, wie in dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall auch fünf Jahre nach der Beitrittserklärung noch den Widerruf erklären können. Für den Anbieter der geschlossenen Fonds ist es also existenziell notwendig, eine ordnungsgemäße Belehrung zu erteilen. Allerdings dürfte es wohl kein Anbieter geschafft haben, die vom Bundesgerichtshof in dem jetzt entschiedenen Fall aufgestellten Forderungen an die Ordnungsgemäßheit einer solchen Belehrung zu erfüllen. Warum das?
Die Fondgesellschaften und ihre rechtlichen Berater haben sich darauf verlassen, dass der Gesetzgeber eine Musterbelehrung erlässt, die auch für Fondbeteiligungen gilt. Wesentlicher Bestandteil einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist die richtige Darstellung der Widerrufsfolgen. Diese sind bei einem normalen Kaufvertrag an der Haustür, beispielsweise über einen Staubsauger, relativ einfach: Der Kunde gibt den Staubsauger zurück und bekommt sein Geld wieder. Diese Rechtsfolgen sind in der Musterbelehrung des Gesetzgebers auch so dargestellt. Wer diese Musterbelehrung wörtlich übernimmt, sollte auch sicher sein können, alles richtig gemacht zu haben – es galt eine sogenannte Gesetzlichkeitsfiktion.
Beim Widerruf einer Gesellschaftsbeteiligung des grauen Kapitalmarktes aber, das war schon ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor der Eingliederung des Widerrufsrechts ins BGB, kommt eine Rückabwicklung wie bei einem Staubsaugerkauf gerade nicht in Frage. Hier sieht die Rückabwicklung vereinfacht so aus: Der Kunde gibt den Fondsanteil an den Unternehmer zurück und der Unternehmer gibt dem Kunden dasjenige zurück, was er aus dem Geld gemacht hat. Gerade wegen der hohen Anfangskosten einer Unternehmensbeteiligung ist dies meist deutlich weniger, als das, was der Kunde tatsächlich gezahlt hat. Hierauf weist aber kein mir bekannter Fonds in seiner Widerrufsbelehrung hin.
Diese besondere Art der Rückabwicklung einer Gesellschaftsbeteiligung nach den Grundsätzen der sogenannten fehlerhaften Gesellschaft ist vom BGH bereits am 02.07.2001 festgestellt worden (II ZR 304/00). Die Gesetzlichkeitsfiktion und die Musterbelehrung des Bürgerlichen Gesetzbuches wurden allerdings erst am 01.01.2002, also ein halbes Jahr später, Gesetz. Dass die in der Musterbelehrung dargestellten Widerrufsfolgen mit der Entscheidung aus dem Jahre 2001 nicht in Übereinstimmung zu bringen sind, musste bereits im Jahre 2002 allen Verantwortlichen der Fondsbranche und der Gestalter der Widerrufsbelehrungen bekannten sein. Trotzdem wurde das Muster der BGB-Info-Verordnung kritiklos von den Anbietern des grauen Kapitalmarktes übernommen, wohl im Glauben an die Gesetzlichkeitsfiktion.
Bereits in den Entscheidungen vom 22.05.2002 betreffend den Multi Advisor Funds GbR, zum Beispiel die Entscheidung II ZR 88/11, hat der BGH Zweifel daran durchklingen lassen, ob die Widerrufsfolgen in der gesetzlichen Musterbelehrung für Fälle des Beitritts zu einem geschlossenen Fond passen. In einem von uns geführten Verfahren (11 U 107/13) äußerte auch das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Zweifel, ebenso das OLG Hamm (8 U 281/11). Der Bundesgerichtshof hat sich der Ansicht dieser beiden Oberlandesgerichte jetzt angeschlossen und festgestellt, dass eine Widerrufsbelehrung dann den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, wenn ihr nicht zu entnehmen ist, dass ein wirksamer Widerruf unter Beachtung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht zu einer Rückzahlung führen kann, sondern allenfalls zu einem Kündigungsrecht und einem entsprechenden Abfindungsrecht des Anlegers. Wenn aber diese Folgen nicht richtig dargestellt werden, kann sich der Verwender auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Gesetzes berufen.
Das Urteil ist in seinen Folgen für die Branche der geschlossenen Fonds nicht wichtig genug einzuschätzen. Nach Röhlkes Ansicht hat keine Fondgesellschaft die Rückabwicklungsfolgen der fehlerhaften Gesellschaft in den Widerrufsbelehrungen richtig dargestellt. Das dürfte zu einer Widerrufswelle ungeahnten Ausmaßes führen.
Die Entscheidung des BGH eröffnet jedenfalls denjenigen Anlegern, die in einer Haustürsituation zur Fondbeteiligung kamen, ein durchaus realistisches Ausstiegszenario. Ob und wie die Fondsbranche hiermit umgeht, bleibt abzuwarten. Möglicherweise kommen Regressprozesse gegen Prospektverantwortliche, Prospektersteller und andere für die Widerrufsbelehrung Verantwortliche zu.
Zum Autor: Christian Röhlke ist Anwalt bei der auf Kapitalanlagerecht spezialisierten Berliner Kanzlei Röhlke Rechtsanwälte. Die Kanzlei vertrat den Anleger, der gegen ALAG klagte, in den Instanzen
Mit dieser Argumentation setzte sich die ALAG vor dem Oberlandesgericht in Hamburg noch durch, allerdings korrigierte der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr diese anlegerunfreundliche Entscheidung. Die Begründung ist bemerkenswert und dürfte kaum abschätzbare Folgen für die Branche der geschlossenen Fonds haben.
Wer ein Geschäft an der Haustür, an seinem Arbeitsplatz oder in öffentlichen Verkehrsmitteln abschließt, nachdem er dort überraschend von dem gewerblichen Vertragspartner angesprochen wurde, hat ein gesetzliches Widerrufsrecht. Dieses ursprünglich im Haustürwiderrufsgesetz verankerte Recht befindet sich nunmehr direkt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und gilt grundsätzlich für alle Verträge, auch für Beteiligungen an den geschlossenen Fonds des grauen Kapitalmarktes.
Ein solches Widerrufsrecht ist auch dringend notwendig, da ein Großteil der Verträge des grauen Kapitalmarktes in den eigenen vier Wänden der arglosen Anleger abgeschlossen wird. Banken haben die Produkte, gerade die besonders unseriösen, vielfach ohnehin nicht im Angebot und die Anleger sind tagsüber mit ihrer eigenen Erwerbstätigkeit genug beschäftigt, um auch noch eine Beratung in einer Bankfiliale wahrnehmen zu können. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Zeichnungsscheine geschlossener Fonds des grauen Kapitalmarktes geradezu durchgängig mit einer Widerrufsbelehrung versehen sind. Denn nur wenn eine solche Belehrung ordnungsgemäß im Zeichnungsschein enthalten ist und so dem Anleger mitgeteilt wurde, welche Rechte er nach seiner Unterschriftsleistung hat, läuft die gesetzlich vorgesehene 14-tägige Widerrufsfrist an, in der die Verträge widerrufen werden können. Nach Ablauf der 14 Tage ist ein Widerruf ausgeschlossen.
Der Gesetzgeber ist allerdings streng: Nur eine wirklich ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung setzt die 14-Tagesfrist in Gang. Abweichungen vom gesetzlichen Schutzinhalt können die Widerrufsbelehrung schnell unwirksam erscheinen lassen, so dass ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht besteht und die Anleger, wie in dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall auch fünf Jahre nach der Beitrittserklärung noch den Widerruf erklären können. Für den Anbieter der geschlossenen Fonds ist es also existenziell notwendig, eine ordnungsgemäße Belehrung zu erteilen. Allerdings dürfte es wohl kein Anbieter geschafft haben, die vom Bundesgerichtshof in dem jetzt entschiedenen Fall aufgestellten Forderungen an die Ordnungsgemäßheit einer solchen Belehrung zu erfüllen. Warum das?
Die Fondgesellschaften und ihre rechtlichen Berater haben sich darauf verlassen, dass der Gesetzgeber eine Musterbelehrung erlässt, die auch für Fondbeteiligungen gilt. Wesentlicher Bestandteil einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist die richtige Darstellung der Widerrufsfolgen. Diese sind bei einem normalen Kaufvertrag an der Haustür, beispielsweise über einen Staubsauger, relativ einfach: Der Kunde gibt den Staubsauger zurück und bekommt sein Geld wieder. Diese Rechtsfolgen sind in der Musterbelehrung des Gesetzgebers auch so dargestellt. Wer diese Musterbelehrung wörtlich übernimmt, sollte auch sicher sein können, alles richtig gemacht zu haben – es galt eine sogenannte Gesetzlichkeitsfiktion.
Beim Widerruf einer Gesellschaftsbeteiligung des grauen Kapitalmarktes aber, das war schon ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor der Eingliederung des Widerrufsrechts ins BGB, kommt eine Rückabwicklung wie bei einem Staubsaugerkauf gerade nicht in Frage. Hier sieht die Rückabwicklung vereinfacht so aus: Der Kunde gibt den Fondsanteil an den Unternehmer zurück und der Unternehmer gibt dem Kunden dasjenige zurück, was er aus dem Geld gemacht hat. Gerade wegen der hohen Anfangskosten einer Unternehmensbeteiligung ist dies meist deutlich weniger, als das, was der Kunde tatsächlich gezahlt hat. Hierauf weist aber kein mir bekannter Fonds in seiner Widerrufsbelehrung hin.
Diese besondere Art der Rückabwicklung einer Gesellschaftsbeteiligung nach den Grundsätzen der sogenannten fehlerhaften Gesellschaft ist vom BGH bereits am 02.07.2001 festgestellt worden (II ZR 304/00). Die Gesetzlichkeitsfiktion und die Musterbelehrung des Bürgerlichen Gesetzbuches wurden allerdings erst am 01.01.2002, also ein halbes Jahr später, Gesetz. Dass die in der Musterbelehrung dargestellten Widerrufsfolgen mit der Entscheidung aus dem Jahre 2001 nicht in Übereinstimmung zu bringen sind, musste bereits im Jahre 2002 allen Verantwortlichen der Fondsbranche und der Gestalter der Widerrufsbelehrungen bekannten sein. Trotzdem wurde das Muster der BGB-Info-Verordnung kritiklos von den Anbietern des grauen Kapitalmarktes übernommen, wohl im Glauben an die Gesetzlichkeitsfiktion.
Bereits in den Entscheidungen vom 22.05.2002 betreffend den Multi Advisor Funds GbR, zum Beispiel die Entscheidung II ZR 88/11, hat der BGH Zweifel daran durchklingen lassen, ob die Widerrufsfolgen in der gesetzlichen Musterbelehrung für Fälle des Beitritts zu einem geschlossenen Fond passen. In einem von uns geführten Verfahren (11 U 107/13) äußerte auch das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Zweifel, ebenso das OLG Hamm (8 U 281/11). Der Bundesgerichtshof hat sich der Ansicht dieser beiden Oberlandesgerichte jetzt angeschlossen und festgestellt, dass eine Widerrufsbelehrung dann den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, wenn ihr nicht zu entnehmen ist, dass ein wirksamer Widerruf unter Beachtung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht zu einer Rückzahlung führen kann, sondern allenfalls zu einem Kündigungsrecht und einem entsprechenden Abfindungsrecht des Anlegers. Wenn aber diese Folgen nicht richtig dargestellt werden, kann sich der Verwender auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Gesetzes berufen.
Das Urteil ist in seinen Folgen für die Branche der geschlossenen Fonds nicht wichtig genug einzuschätzen. Nach Röhlkes Ansicht hat keine Fondgesellschaft die Rückabwicklungsfolgen der fehlerhaften Gesellschaft in den Widerrufsbelehrungen richtig dargestellt. Das dürfte zu einer Widerrufswelle ungeahnten Ausmaßes führen.
Die Entscheidung des BGH eröffnet jedenfalls denjenigen Anlegern, die in einer Haustürsituation zur Fondbeteiligung kamen, ein durchaus realistisches Ausstiegszenario. Ob und wie die Fondsbranche hiermit umgeht, bleibt abzuwarten. Möglicherweise kommen Regressprozesse gegen Prospektverantwortliche, Prospektersteller und andere für die Widerrufsbelehrung Verantwortliche zu.
Zum Autor: Christian Röhlke ist Anwalt bei der auf Kapitalanlagerecht spezialisierten Berliner Kanzlei Röhlke Rechtsanwälte. Die Kanzlei vertrat den Anleger, der gegen ALAG klagte, in den Instanzen
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