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Gesetzesänderung könnte Delisting beschleunigen Rechtsanwalt über Abfindungsanspruch beim Börsenrückzug

Wolfgang Troidl, Gesellschaftsrechtler bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Eversheds in München
Wolfgang Troidl, Gesellschaftsrechtler bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Eversheds in München

Der Bundestag hat am 1. Oktober 2015 einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (BT-Drs. 18/5010, 18/6220) zugestimmt. Ein Schwerpunkt ist die Änderung des Börsengesetzes durch die Einführung einer Abfindungsregelung beim „Delisting“, also dem Rückzug eines Unternehmens von der Börse: Der Widerruf der Zulassung von Aktien zum regulierten Markt soll nur noch dann zulässig sein, wenn den Aktionäre ein Abfindungsangebot gemacht wird.  

Einzelheiten zum Abfindungsangebot 

Beschlossen wurde eine Änderung von § 39 des Börsengesetzes. Danach soll der Widerruf der Zulassung von Aktien zum regulierten Markt nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein, namentlich nach Veröffentlichung „einer Unterlage über ein Angebot zum Erwerb aller Wertpapiere, (…), nach den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes“. Die Unterlage soll ausdrücklich den Delistingantrag erwähnen.

Durch die Neuregelung steht fest, dass das Abfindungsangebot weitgehend entsprechend den Vorschriften für ein öffentliches Übernahmeangebot abzuwickeln ist. Offen bleibt, wer das Abfindungsangebot unterbreiten muss. In der Praxis werden Unternehmen, die ein Delisting durchführen möchten, darauf angewiesen sein, dass der Hauptaktionär ein Übernahmeangebot stellt. Der Delistingantrag soll der Bekanntgabe des Abfindungsangebots vorausgehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Praxis darauf – auch mit Blick auf die Kapitalmarktkommunikation – einrichten wird. 

Die Abfindung ist nach dem gewichteten Durchschnittskurs der letzten sechs Monate vor dem Delistingantrag zu errechnen. Bis zuletzt hatten Aktionärsverbände für eine Abfindung auf Basis eines gutachterlich festzustellenden, gerichtlich überprüfbaren Ertragswerts geworben. Dem trug der Finanzausschuss in letzter Minute – teilweise – Rechnung. 

So soll den Aktionären im Falle einer Verletzung von Insiderrecht durch den Emittenten während der genannten Frist für die Kursberechnung eine verbesserte Abfindung in Höhe des – dann doch – nach Ertragswert zu berechnenden Unternehmenswerts zu zahlen sein. Da allerdings die betroffenen Aktionäre verpflichtet sein werden, eine solche Verletzung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dürfte die Durchsetzung von Nachbesserungsansprüchen in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen.

Abfindungsanspruch bei Segmentwechsel

Auch ein Segmentwechsel in den Freiverkehr („Downgrading“) löst nach dem neuen Gesetz den Abfindungsanspruch aus. Dies erstaunt insofern, als der Wechsel in den sogenannten qualifizierten Freiverkehr (z.B. Entry Standard der Börse Frankfurt a. M. oder  m: access der Börse München) durch jüngere Gerichtsurteile unter Anlegerschutzgesichtspunkten ausdrücklich als unkritisch angesehen wurde. 

Nicht ganz überzeugend ist die „Sanktionierung“ bloßer Segmentwechsel auch deswegen, weil ab 3. Juli 2016 mit Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung Unternehmen im Freiverkehr ohnehin verschärften Zulassungsfolgepflichten unterliegen werden, die dem regulierten Markt entsprechen (etwa: Ad Hoc-Mitteilungspflichten). Dadurch wird absehbar der Anlegerschutz auch unterhalb des regulierten Marktes erheblich gesteigert werden, so dass ein „Wechsel“ in diese Marktsegmente noch weniger als bisher die Position des Aktionärs tangieren dürfte.