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Robert Halver zur Geldpolitik „Glaubt die EZB an temporäre Inflation? Wer‘s glaubt, wird selig“

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Aber heutzutage ist das Normale das Unnormale. Die EZB als „Patronin voller Güte, uns alle Zeit behüte“ sorgt mit weiterer Zinsdrückung und dem Schuldenaufkauf – das ist unverhohlene Staatsfinanzierung – für eine unbeschwerte Schuldentragfähigkeit auch in der Zukunft. Mit aller Kraft wird sie den finalen Kabelbrand im Euro-Herzschrittmacher verhindern.

Ohnehin würde Inflationsbekämpfung über steigende Zinsen auch dem Aktienmarkt massiv zusetzen. Wenn erst einmal der Schlachtruf „Bloß raus aus Aktien“ ertönt, könnte, nachdem die Hausse die Hausse genährt hat, die Baisse die Baisse nähren. Dann folgt eine deprimierende Sondersendung der nächsten, die die Konsum- und Investitionslaune ähnlich bremsen wie der Fliegenfänger das Flugvermögen von Ungeziefer.

Überhaupt, kann Inflation denn Sünde sein, wenn sie – oberhalb der Kreditzinsen liegend – für künstliche Entschuldung der Euro-Staaten sorgt? Da nimmt EZB-Chefin Christine Lagarde doch gerne ihren neuen Spitznamen „Madame Inflation“ in Kauf.

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Die „andere“ Inflation macht die EZB ohnmächtig

Tatsächlich muss man der EZB zugutehalten, dass ihr Werkzeugkasten bei der Eindämmung der augenblicklichen Preissteigerung wenig nützlich ist. Wir haben es primär nicht mit nachfragegetriebener Inflation zu tun. Nach Lehrbuchmeinung könnte man dieser mit konsumhemmenden Zinserhöhungen zu Leibe rücken. Doch haben wir es mit angebotsseitigem Inflationsdruck zu tun. Die EZB kann weder die Rohstoffproduktion ankurbeln noch die brüchigen Lieferketten reparieren. Hier wird ihre All- zur Ohnmacht.

Vor diesem Hintergrund spricht wenig für geldpolitischen Rückzug. Die EZB wird einen im Frühjahr 2022 allmählich zu erwartenden Inflationsrückgang als Beweis für ihre temporäre Inflationsthese werten. Vermutlich werden die Zinsen dann immer noch zu hoch sein. Aber sie wird darauf verweisen, dass die Richtung stimmt.

Und so wird all das, was wir an geldpolitischer Restriktion sehen werden, gegenüber dem, was früher eine Bundesbank gemacht hätte, nur ein müder Abklatsch sein. Die Happy Hour der EZB kennt keine wirkliche Sperrstunde. Abseits von Kursschwankungen ist daher die Liquiditätshausse nicht gefährdet.

Auch zukünftig wird die EZB Inflation behandeln wie Falten im Gesicht: Wenn man nicht in den Spiegel schaut, sieht man sie nicht.

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