Doppel-Interview mit FTSE Russell und Franklin Templeton „Als zweitgrößter Anbieter globaler Indizes setzen wir enorme Ressourcen kosteneffizient ein“
DAS INVESTMENT: Herr Schroeder, der dem Franklin FTSE Developed World Ucits ETF zugrundeliegende Index enthält über 2.000 Aktiengesellschaften und bietet damit eine breitere Abdeckung als der MSCI World. Was sollten Anleger über den FTSE Russell als Indexanbieter wissen?
Andreas Schroeder: Indizes von FTSE Russell dienen als grundlegende Benchmarks für die Performancemessung und den Vergleich von Investmentportfolios. Investmentfonds und ETFs nutzen diese Indizes, um ihre Wertentwicklung zu messen und ihre Anlagestrategien zu konzipieren.
Wir sind der größte Indexanbieter in den USA; 9 Billionen US-Dollar werden mit unseren Strategien im Russell 1000 und im Russell 2000 verwaltet. Im globalen Rahmen sind wir mit 2 Billionen US-Dollar verwaltetem Kapital der zweitgrößte Indexanbieter. Insgesamt werden 16 Billionen US-Dollar mit unseren Strategien verwaltet, die vorrangig Aktienindizes, aber auch Anleihen- und Rohstoffindizes und spezialisierte Indizes für bestimmte Märkte oder Anlageklassen umfassen, beispielsweise Immobilien, alternative Anlagen wie Infrastruktur sowie Währungen.
Aufgrund der Kooperation von FTSE Russell und Refinitiv haben wir Zugriff auf ein enorm großes Datenvolumen erhalten, was bei der Konzeption von ausgefeilten Indizes sehr hilfreich ist. Im Unterschied zu den Mitbewerbern sind wir bei den Assetklassen breiter diversifiziert – wir haben nicht nur Aktien. Unsere Indexlösungen bauen zu 80 Prozent auf Aktien, 20 Prozent stammen aus den genannten Assetklassen.
Was unterscheidet den MSCI World Index vom FTSE Developed World Index?
Schroeder: Es gibt sehr viele Ähnlichkeiten bei der systematischen Herangehensweise an die Konstruktion von Indizes. Eine gewisse Subjektivität macht den Unterschied, etwa bei der Länderklassifizierung: Südkorea und Polen sehen wir als Industrieländer an. Large Caps, Mid Caps und Small Caps definieren wir nicht nach Ländern, wie bei MSCI, sondern nach Regionen. Im Vergleich zum Mitbewerber nehmen wir in globale Indizes mehr Aktien auf: Bei uns sind es 2.000, bei MSCI nur 1.400 Aktien.
Ein besonders wichtiger Aspekt: In höherem Maß als MSCI listen wir Aktien mit kleinerer Kapitalisierung, die auf längere Sicht leistungsstark und damit besonders renditeträchtig sind, was unter anderem mit unserer Klassifizierung nach Regionen anstelle von einzelnen Ländern zusammenhängt.
Stichwort Korrelation: Worauf wird besonders geachtet?
Schroeder: Mit dem MSCI World Index korrelieren wir zwischen 98 und 99 Prozent. In den letzten zehn Jahren lag die kumulierte Differenz bei 14 Basispunkten, also 0,14 Prozent. Der Performanceunterschied ist sehr gering. Firmen mit kleinerer Marktkapitalisierung sind in den meisten Indizes nicht gelistet. Das ist bei uns, anders, denn schauen Sie: Google existierte vor 30 Jahren noch nicht, jetzt ist es eines der größten Unternehmen weltweit. Kleinere Unternehmen haben höhere Wachstumsmöglichkeiten. Woraus folgt: Anleger, die bei unseren Kunden – Investmentfonds- und ETF-Anbietern – ihr Geld investieren, bekommen die Möglichkeit, zukünftige Ertragsperlen schon frühzeitig ins Portfolio nehmen zu können.
Herr Bechtloff, wie wird der Index bei Franklin Templeton aus ETF-Perspektive eingesetzt?
Martin Bechtloff: Wir bilden den FTSE Developed World Index mit Aktien aus mehr als 25 Ländern über den Franklin FTSE Developed World Ucits ETF ab; und zwar physisch, die Portfoliomanager Dina Ting und Lorenzo Crosato erwerben folglich die einzelnen Aktien. Ziel ist es, den Tracking Error zwischen der Wertentwicklung des ETFs und des Index so weit wie möglich zu minimieren.
Der passive ETF ist sehr kosteneffizient, wir rufen als Gesamtkostenquote (Total Expense Ratio, TER) 9 Basispunkte auf, also 0,09 Prozent. Bei ETFs, die Indizes passiv abbilden, gehören wir damit zu den absoluten Preisführern auf dem Markt. Aktuell bildet der ETF den Index mit seinen 2.000 Aktientiteln optimiert ab, das heißt, wir haben insgesamt 1.400 Aktien im ETF, deren Erträge thesaurierend angelegt werden. Der Fokus der geografischen Allokation des ETFs liegt auf den USA mit rund 70 Prozent, gefolgt von Japan und Großbritannien mit knapp 7 beziehungsweise knapp 4 Prozent (Stand: 27. August 2024).
Welche Anlegergruppen interessieren sich für den FTSE Developed World Index?
Bechtloff: Dieser Index und damit auch unser ETF wird tatsächlich von jeder unserer Zielgruppen eingesetzt. Unter den beliebtesten Indizes taucht er ganz weit oben auf. ETFs auf diesen Index weisen viel Umsatz auf Xetra auf, einem Börsenplatz, den bevorzugt Retail-Kunden nutzen, per Einmal-Investition oder regelmäßiges Sparen mittels eines Sparplans. Aber auch professionelle Investoren wie Dachfondsmanager, Vermögensverwalter, Pensionskassen und Versorgungswerke sind im FTSE Developed World Index investiert. Der zugrundeliegende Anlagestil „Globale Standardwerte Blend“ kommt bei den Anlegern gut an. Nach „Aktien US-Standardwerte Blend“ handelt es sich um die größte Indexkategorie, in die europäische ETF-Investoren allokieren. Mehr als 260 Milliarden Euro sind hier investiert.
Wie werden der Index und sein danach konzipiertes ETF im Portfoliomanagement eingesetzt?
Bechtloff: Das kommt auf den Investor an. Privatanleger setzen den Franklin FTSE Developed World Ucits ETF gern als Kerninvestment ein, um den globalen Aktienmarkt abzubilden. Unter den professionellen Kunden, den Portfoliomanagern, gibt es viele, die den ETF, der täglich gekauft und verkauft werden kann, auch taktisch einsetzen, um den breiten Markt kurzfristig und kosteneffizient im Portfolio darzustellen.
Wie blickt Ihr Haus aktuell auf die Assetklasse globale Aktien?
Bechtloff: Franklin Templeton vereint eine Reihe von Investmentgesellschaften unter einem Dach, daher gibt es nicht die eine pauschale Marktmeinung, sondern viele voneinander unabhängige. Aber natürlich haben wir auch im ETF-Bereich eigene Analysten und Strategen. Sie vertreten aktuell eine positive Einschätzung für globale Aktien. Ein Treiber ist die globale Geldpolitik; einige Zentralbanken sind dabei, die Zinsen zu senken. Für Aktienanleger ist das eine gute Nachricht. Schaut man sich die Aktienmärkte zwölf Monate nach der ersten Zinssenkung an, präsentieren sich Aktien als sehr attraktive Assetklasse – das gilt insbesondere, wenn gleichzeitig eine Rezession vermieden werden kann, was derzeit unser Basisszenario ist.
Das sind gute Aussichten. Aber auch die Risiken am Markt sind beim Anlegen stets im Blick zu behalten.
Bechtloff: Auf jeden Fall, siehe die Geldpolitik, Israel und den Nahen Osten, den Russland-Ukraine-Krieg, die Handelsbeziehungen mit China und die US-Wahl. Für Anleger besonders wichtig ist, ob der Fed eine sanfte Landung der US-Wirtschaft gelingt, weil damit über Rezession oder Wirtschaftswachstum entschieden wird. Dieses Thema beschäftigt uns derzeit ganz besonders. Unlängst hatten wir eine hohe Volatilität gesehen, als der japanische Leitindex Nikkei 225 am 5. August um mehr als 12 Prozent einbrach. Wenngleich einiges davon eher der Markttechnik geschuldet war und sich der Index schnell erholte, so zeigte es doch eine Nervosität der Anleger, die wir lange nicht gesehen hatten. Gleichzeitig gingen US-Rezessionsängste durch die Medien. Die Chef-Investmentstrategen bei uns im Haus beruhigten und sahen eine Marktübertreibung. Die Börsengeschichte zeigt, dass US-Wahljahre erwartbar mit einer höheren Volatilität einhergehen. So wissen wir noch nicht sehr viel über die Wirtschaftspolitik der Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris; das trägt zu einer gewissen Unsicherheit bei. Im aktuellen Umfeld bevorzugen wir daher Qualitätsaktien; Titel mit hoher Eigenkapital- und niedriger Verschuldungsquote.
Schauen wir kurz auf die Aktienbewertungen. Sie erscheinen derzeit recht hoch, oder?
Bechtloff: Hier sehen wir teilweise sehr große regionale Divergenzen. Während Europa und Japan teilweise sehr günstig bewertet sind, zeigen sich US-Aktien mit einer höheren Bewertung, getrieben durch Big Tech und die KI-Erwartungen. Kommt es zu keiner US-Rezession und steigt die Produktivität durch KI, sind die aktuellen Bewertungen unserer Einschätzung nach angemessen.
Also jetzt einsteigen?
Bechtloff: Der Blick auf die Statistik zeigt: In den vergangenen 30 Jahren war die durchschnittliche jährliche Gesamtrendite des S&P 500-Index jeweils nach einem US-Wahljahr am höchsten. Markt-Timing ist jedoch nicht leicht; die Komplexität der Märkte ist ein Argument für passive ETF-Investments, für die sich viele Anleger entscheiden.
Wie hat sich die Assetklasse globale Aktien im laufenden Jahr entwickelt?
Bechtloff: Der Franklin FTSE Developed World Index steht aktuell auf Allzeithoch. Der Index hat viele Aktienmärkte wie Schwellenländer-Aktien und europäische Aktien sowie andere Assetklassen outperformt. Das spiegelt sich auch in den Zuflüssen der ETF-Investoren wider, die in den vergangenen Quartalen der Morningstar-Kategorie „Aktien weltweit Standardwerte Blend“ mehr Mittel zugewiesen haben als beispielsweise reinen US-Aktien-ETFs.
Ein Wort noch zum Vorteil eines globalen Aktienindex. Grundsätzlich zahlt es sich aus, breit diversifiziert am Markt investiert zu sein. Anleger haben damit weniger Volatilität im Portfolio. Aber auch bei globalen Aktien gilt: Anleger brauchen in einer turbulenten Welt Geduld, um den Erträgen beim Wachsen zuzusehen, das ist beim Investieren eine wichtige Tugend.
Schroeder: Die durch viele, oft unerwartete, Ereignisse hervorgerufene Marktvolatilität ist tatsächlich ein ganz wichtiger Punkt. FTSE Russell spielt daher eine zentrale Rolle bei der Konzeption und Entwicklung von Indexlösungen, um den sich ständig ändernden Bedürfnissen der Investoren in einer dynamischen Welt gerecht zu werden. Wir passen Indizes an neue Marktbedingungen an, integrieren Nachhaltigkeitskriterien und entwickeln Smart-Beta-Indizes, die alternative Gewichtungsmethoden verwenden, um überlegene Renditen zu erzielen.
- Was kostet die Welt? 9 Basispunkte. Mehr zum Franklin FTSE Developed World Ucits ETF hier.
Über die Interviewten:
Andreas Schroeder ist Head of Index Research & Design für die Region EMEA bei FTSE Russell. In dieser Position leitet er die Entwicklung und Implementierung von Indexstrategien und -lösungen für Kunden in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. Schroeder verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich der Finanzmarktforschung und Indexentwicklung, was ihm ermöglicht, innovative und maßgeschneiderte Indexlösungen für die Kunden von FTSE Russell zu konzipieren.
Martin Bechtloff ist ETF Sales Specialist bei Franklin Templeton. In seiner Position spielt er eine entscheidende Rolle im Vertrieb von Exchange Traded Funds (ETFs) für institutionelle und private Investoren. Mit einer tiefen Expertise in den Bereichen Investmentstrategie und Marktdynamik unterstützt er seine Kunden dabei, passgenaue ETF-Lösungen zu identifizieren und umzusetzen, die ihren spezifischen Anforderungen entsprechen.