LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in Politik & GesellschaftLesedauer: 6 Minuten

Robert Halver zur Mindeststeuer für Apple & Co. Warum die umjubelte Steuer-Revolution ein Steuer-Mäuschen bleibt

Seite 2 / 3

Aber ist selbst diese Summe überhaupt zu erzielen? Dazu müsste ein globaler Corpsgeist her: Nicht nur die G7-, auch die großen Schwellenländer müssten mitziehen, um Steuersümpfe nachhaltig trockenzulegen. Auf dem G20-Gipfel in Venedig im kommenden Juli bietet sich hierfür zwar eine Gelegenheit. Doch werden sich Länder wie China, Indien oder die Türkei nur ungern „westliche“ Steuersätze vorschreiben lassen, die ihre Standortqualitäten beeinträchtigen.

Schon in der EU ist nicht nur das Fleisch schwach, sondern auch der Steuer-Geist wenig willig. Länder wie Irland, die Niederlande oder Luxembourg wollen mit Niedrigsteuern ihre Wettbewerbsfähigkeit behalten. Die Iren würden sogar komplett auf Steuereinnahmen von Apple & Co. verzichten, solange diese Digitalkonzerne Arbeitsplätze auf der grünen Insel aufbauen.

Und selbst wenn man sich einigen könnte, muss man sich die Steueränderungen abseits der Schlagzeilen sehr genau ansehen. Man muss an das steuerlich Eingemachte. So sollen nur Konzerne mit einer Gewinnmarge von mehr als 10 Prozent auch dort steuerpflichtig werden, wo sie ihre Umsätze machen. Liegt die Marge darüber, sollen die Gewinne zu 20 Prozent in den Umsatzländern versteuert werden.

Damit werden Digitalkonzerne weitestgehend zu Melkkühen. Ok, wer hat, wer gut verdient, soll auch geben. Aber offensichtlich ist nicht geplant, dass alle Gewinne in einem Land der Mindeststeuerpflicht unterliegen, sondern maximal 20 Prozent. Das Verhältnis Firmensitz- gegenüber Umsatzbesteuerung liegt dann immer noch bei 4 zu 1.

Es kreiste der Steuer-Berg und gebar ein Steuer-Mäuschen

Damit können die europäischen Niedrigsteuerländer sehr gut leben. Das steuerliche Firmensitzprivileg Irlands mit einem aktuellen Unternehmenssteuersatz von 12,5 Prozent ist nicht gefährdet, wenn gerade einmal nur ein Fünftel der Gewinne der einer um 2,5 Prozentpunkte erhöhten Besteuerung unterliegt. Der Standortvorteil Irlands ist angesichts eines deutschen Unternehmenssteuersatz von 30 Prozent immer noch beeindruckend.

Und so ist auch die steuerliche Happy Hour der IT-Konzerne nicht wirklich getrübt. Tatsächlich hat sich Facebook bereits zustimmend zur Mindeststeuer geäußert, die zunächst immer noch ein phantastisch niedriger Steuersatz wäre. Gleichzeitig entkämen IT-Konzerne der Schmuddelecke des „Steuerhinterziehers“, was dem Firmenimage sicherlich hilft. Übrigens betrug die Gewinnmarge von Amazon im phantastischen Wirtschaftsjahr 2020 „nur“ 6,3 Prozent. Für sie ändert sich also mit der Einführung des Mindeststeuersatzes nichts. Damit werden sich auch die Aktienkurse der Digitalkonzerne kaum beeindruckt zeigen.   

Vor allem aber erfreuen sich die amerikanischen IT-Unternehmen daran, dass die US-Regierung mit der Einführung des Mindeststeuersatzes den Steuerstreit ihrer Digitalkonzerne in Europa als final beendet betrachtet. Das Thema einer flächendeckenden Digitalsteuer in Europa wäre dann vom Tisch und Facebook & Co. steuerlich fein raus. Will die EU jetzt wirklich - da sich im transatlantischen Verhältnis etwas Tauwetter eingestellt hat und Washington sogar die Erdgaspipeline durch die Ostsee „duldet“ - einen neuen Handelskrieg mit US-Zöllen auf Europas Exportindustrie riskieren? Politik ist immer die Kunst des Möglichen.

Präsident Biden kann mit der vermeintlichen Mindestbesteuerung seiner IT-Konzerne in Amerika sogar das Mütchen seiner „linken“ Demokraten kühlen, die Apple & Co. als wilde Ausgeburt einer hemmungslosen turbokapitalistischen Hölle betrachten.  

Tipps der Redaktion