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Interview mit Nachhaltigkeits-Analystin von GLS Investments „Die Nutzung von Artikel 9 als Marketing-Siegel sehen wir sehr kritisch“

Karoline Wagner, Analystin im GLS Nachhaltigkeitsresearch, GLS Investments
Karoline Wagner, Analystin im GLS Nachhaltigkeitsresearch, GLS Investments: „Wir wollen nicht die sogenannten ,nachhaltigsten‘ Unternehmen in den schmutzigen Branchen etwas grüner machen.“ | Foto: GLS Investments

Frau Wagner, nachhaltige Investments boomen. Und trotzdem fehlt unverändert ein Grundkonsens, was nachhaltige Investitionen denn genau sind. Der Gesetzgeber verwirrt die Branche mit enormen Datenanforderungen und schwammigen Definitionen. Wie sieht GLS Investments als ein Pionier der Branche die Entwicklung?

Karoline Wagner: Wir begrüßen natürlich jede Initiative des Gesetzgebers, die eine nachhaltige Entwicklung des Finanzmarkts vorantreibt und die soziale und ökologische Transformation fördert. Das ist bitter notwendig. Entschlossenes Handeln ist gefragt.

Demnach kommen die neuen EU-Vorgaben Ihrer Arbeit entgegen?

Wagner: Wir richten uns zunächst nach unseren Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen, unserem Nachhaltigkeitsverständnis, das wir seit Gründung der GLS Bank 1974 kontinuierlich entwickelt haben. Sofern die neuen EU-Vorgaben diesem Verständnis entsprechen, setzen wir diese gerne um. In den vergangenen Monaten und Jahren haben wir die Erfahrung gemacht, dass dies aber nicht immer der Fall ist.

Sie sprechen von Atomkraft und Erdgas als nachhaltige Investition?

Wagner: Das ist natürlich das Offensichtlichste. Atomkraft ist für uns ein No-Go. Bei Erdgas führt ein Schwarz-Weiß-Denken allerdings nicht weiter. Natürlich investieren wir nicht in fossile Geschäftsmodelle, allerdings gibt es viele Unternehmen, die gerade auf dem Weg vom Gas- zum Erneuerbare-Energien-Konzern sind. Hier schauen wir genau hin und diskutieren intensiv intern, ob sie investierbar sind. Denn viele solcher Unternehmen benötigen auch Kapital, um diese Transformation finanziell zu stemmen. Aber auch jenseits von Atomkraft und Gas haben wir doch einige Fragezeichen.

Welche Fragezeichen sind das?

Wagner: Was geschieht denn aktuell am Markt? Der Gesetzgeber schafft einen gesetzlichen Rahmen, beispielsweise die Offenlegungsverordnung, um Transparenz zu fördern. Dabei wird eine grobe Definition genutzt, was ein nachhaltiges Investment sein sollte. Markteilnehmer lesen diese Verordnung sehr aufmerksam und nutzen sie konsequent für ihr Marketing – als wäre Artikel 9 ein Siegel. Dies sehen wir sehr kritisch, insbesondere da sich nicht selten die Anbieter hier hervortun, die bisher wenig mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Und auf Basis dieser fragwürdigen Positionierung leiten sie dann einen strengen Nachhaltigkeitsanspruch ab – das können wir nicht immer nachvollziehen. Es ist folgerichtig, dass hier der Gesetzgeber nachschärft.

Stichwort Nachhaltigkeitsanspruch: Wenn nicht per Gesetz, wie sollte sich dieser denn ansonsten ableiten?

Wagner: Zunächst stellt sich die Frage: Aus welcher Motivation heraus bietet eine Fondsgesellschaft Fonds an? Das klingt banal, aber hier unterscheiden sich Fondsanbieter doch deutlich voneinander. Wir als GLS Investments und auch GLS Bank haben eine klare Haltung: Im Mittelpunkt unserer Tätigkeiten stehen die Menschen mit ihren Bedürfnissen. Wir wollen Lebensgrundlagen bewahren und weiterentwickeln, um sozial gerecht im Einklang mit der Umwelt leben zu können. Ist das aktuell bereits der Fall? Natürlich nicht. Deswegen brauchen wir einen grundlegenden Wandel, wie wir wirtschaften und miteinander leben.

Das klingt sehr abstrakt. Wie setzen sie das um?

Wagner: Wir haben ein klares Bild von der Zukunft. Wir wollen nicht die so genannten „nachhaltigsten“ Unternehmen in den schmutzigen Branchen etwas grüner machen. Stattdessen wollen wir gezielt die Unternehmen finanziell unterstützen, die zukunftsweisende sozial-ökologische Geschäftsmodelle betreiben.

Um es konkret zu machen: Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten, Waffen, Atomkraft, fossile Energien, Massentierhaltung, Suchtmittel, Gentechnik in der Landwirtschaft und ähnliche kontroverse Aktivitäten kommen für uns nicht in Frage. Dagegen investieren wir in erneuerbare Energien, Ernährung, Land und Forstwirtschaft, Wohnen, Bildung und Kultur, Soziales und Gesundheit, Finanzdienstleistungen, Entwicklungs- und Mikrofinanzierung, Mobilität und nachhaltige Wirtschaft.

Wie finden Sie diese Unternehmen?

Wagner: Durch intensive Recherche. Wir starten nicht mit irgendeinem Index und filtern dann anhand starrer Kriterien. Dann würden wir vor allem in die großen Unternehmen investieren, in die sowieso schon alle anderen investieren. Es ist kein Wunder, dass die meisten Fondsgelder in die Microsofts, Amazons und Apples dieser Welt fließen. Sie sind auf den Top-Positionen in den größten Indizes vertreten. Microsoft gilt genau aus diesen Gründen beispielsweise als eines der beliebtesten Investments für Nachhaltigkeitsfonds. Hinzu kommt: Je größer das Unternehmen, desto umfangreicher das Nachhaltigkeits-Reporting, womit häufig auch bessere ESG-Scores verbunden sind.

Wir verfolgen einen anderen Ansatz. Ich bin Teil eines Teams von Spezialistinnen und Spezialisten, die überprüfen, inwieweit Unternehmen unseren Anlagegrundsätzen entsprechen beziehungsweise dagegen verstoßen. Dazu nutzen wir vielfältige Quellen. Im Mittelpunkt der Analyse steht die Frage: Was genau macht das Unternehmen? Umweltmanagementsysteme sehen wir positiv. Ein sehr gutes Nachhaltigkeits-Reporting allein überzeugt uns nicht, fließt aber positiv in die Bewertung mit ein.

Wie genau bewerten Sie diese Unternehmen? Können Sie uns einen Einblick geben?

Wagner: Unser Bewertungsverfahren ist mehrstufig. Zuerst treffen wir eine Vorauswahl an Investments. Darunter sind zum Beispiel Unternehmen aus Branchen, die wir grundsätzlich als passend zu unseren Kriterien einstufen. Erneuerbare Energien, nachhaltige Mobilität etc. Diese Unternehmen prüfen wir zuerst auf Kontroversen. Bei klaren Verstößen gegen unsere Kriterien kommen sie für den weiteren Prozess nicht infrage. Die restlichen Titel durchleuchten wir intensiv, natürlich unter Zuhilfenahme externer Research-Quellen. Wir untersuchen: Womit genau verdienen die Unternehmen Geld? Oder inwiefern erfüllen die Produkte und Dienstleistungen notwendige Bedürfnisse von Menschen? Diese Erkenntnisse fassen wir letztlich in Nachhaltigkeitsprofilen zusammen.

Sie bilden wahrscheinlich einen Nachhaltigkeits-Score pro Unternehmen. Wenn der Wert hoch genug ist, investieren Sie, oder wie gehen Sie vor?

Wagner: Nein, bei uns gibt es keine ESG-Scores. Bei uns entscheiden ausgewiesene Expertinnen und Experten von Fall zu Fall. Hier differenzieren wir uns deutlich von vielen Wettbewerbern. Was heißt das genau: Wir haben einen so genannten Anlageausschuss eingerichtet. Darin sind Spezialisten aus Wissenschaft, NGOs, unserem Haus GLS Investments, aber auch von der GLS Bank. Der Ausschuss trifft sich drei bis vier Mal im Jahr und schaut sich die Nachhaltigkeitsprofile an. In der Sitzung diskutiert das Gremium, ob ein Investment unseren Standards entspricht oder nicht. Dieses Vorgehen sehen Sie vor allem bei Häusern, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen. Wer sich bereits lange mit dem Thema beschäftigt, weiß, dass es bei Nachhaltigkeit auch um ethische Fragen geht, die sich nicht nur über Scores und Zahlen erfassen lassen.

Können Sie uns das an einem konkreten Beispiel erklären?

Wagner: Sehr gerne. Lassen Sie mich Beispiele aus unserer jüngsten Anlageausschusssitzung nehmen. Dort haben wir unter anderem das französische Unternehmen Worldline diskutiert, das sicher vielen kein Begriff ist. Worldline ist ein europäisch führender Anbieter für Zahlungsdienstleistungen. Das Unternehmen hat aus unserer Sicht gute interne Managementsysteme, wenig bekannte Kontroversen und darüber hinaus einen hohen ESG-Score. Negativ fassten wir im Profil zusammen, dass die Richtlinien zum Datenschutz unseren Ansprüchen noch nicht genügen. Dies haben wir im Anlageausschuss ausführlich diskutiert. Auch ließ die Energieeffizienz zu wünschen übrig.

Solche Aspekte sind nicht schön, aber bei Unternehmen dieser Branche nicht unüblich. Entscheidend war etwas anderes: Worin genau lag das zukunftsweisende sozial-ökologische Geschäftsmodell? Ist die Dienstleistung so notwendig, um grundlegende Bedürfnisse von Menschen zu erfüllen? Darauf fanden wir keine befriedigende Antwort, deswegen haben wir das Unternehmen nicht ins Anlageuniversum aufgenommen.

Nennen Sie uns doch ein Unternehmen, in das Sie investieren würden.

Wagner: Ein Beispiel wäre das Unternehmen OrthoPediatrics Corp. Das amerikanische Medizintechnikunternehmen hat nur eine rudimentäre Nachhaltigkeitsberichterstattung und ist in Delaware registriert, was Fragen an die Steuerehrlichkeit aufkommen ließ. Doch mit den Produkten des Unternehmens können insbesondere Kinder wieder klettern und rennen. Für uns stellt dies ein eindeutiges Grundbedürfnis dar, deswegen haben wir das Unternehmen in das Anlageuniversum aufgenommen.

Was kommt am Ende dabei heraus? Wie viele Unternehmen sind gut genug, damit Sie investieren?

Wagner: Für uns sind rund 400 Unternehmen interessant, da sie unseren Qualitätsstandards entsprechen. Im Branchenvergleich ist das eher gering. Doch wir verfahren hier bewusst nach dem Grundsatz Klasse statt Masse.

Und mit diesen Investitionen erzielen Sie Wirkung? Das verstehen Sie als Impact Investments?

Wagner: Da sind wir sehr vorsichtig. Manche Wettbewerber würden ein Unternehmen wie OrthoPediatrics als eine Investition darstellen, die auf das nachhaltige Entwicklungsziel (SDG) 5 – Gesundheit und Wohlergehen einzahlt. Und es stimmt auch, dass die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens Gutes in diesem Bereich bewirken können – keine Frage. Doch es ist schwer belegbar, ob wir mit unserem finanziellen Engagement etwas bewirkt haben. Deswegen deklarieren wir dies nicht als ein Impact Investment. Das wäre für uns fragwürdig. Impact Investing ist ein eigener Anlagestil, der aus dem Gebiet der Alternative Investments stammt. Unsere Fonds sind dagegen überwiegend Public Investments.

Das bedeutet wohlgemerkt nicht, dass wir gar keine Wirkung haben. Wir treten bei Kontroversen häufig in den aktiven Dialog mit Unternehmen oder stellen diesen bei Kapitalmaßnahmen Fondsgelder zur Verfügung. Doch wie wirksam das ist, ist unter Fachleuten umstritten.

Was bedeutet das für Ihr Reporting? Wie berichten Sie über Nachhaltigkeit?

Wagner: Wir vermeiden bewusst bunte Wirkungskennzahlen. Statt sich hinter solch schwer interpretierbaren Kennzahlen zu verstecken, bevorzugen wir es, jedes Unternehmen transparent in so genannten Investitionsberichten vorzustellen. Unsere Kundinnen und Kunden können sich so selbst ein Bild machen, dass wir das uns anvertraute Kapital nach klaren sozial-ökologischen Kriterien verwalten, die im Einklang mit den GLS Werten stehen. Auf diese Strenge und Transparenz können sich unsere Anlegerinnen und Anleger verlassen.

Mehr zu unseren nachhaltigen Fonds: Was macht unsere Fonds nachhaltig?

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