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Gökhan Kula: Auf den Arabischen folgt nun der Türkische Frühling

Gökhan Kula
Gökhan Kula
Das bis dato sehr positive Stimmungsbild zur Türkei hat sich in den letzten Tagen dramatisch umgekehrt. Die als relativ harmlos gestartete Demonstration von Umweltaktivisten zur Rettung des Gezi Parks – einer der wenigen Grünflächen in Istanbul am zentralen Taksim Platz – hat sich durch die gewaltsame Räumung und anschließend eskalierenden Demonstrationen zu einer breiten Bewegung gegen die Regierungspolitik Erdogans und der AKP Partei entwickelt.

Das Votum des türkischen Kapitalmarktes auf diese politischen Unruhen war eindeutig und klar: mit dem größten Tagesverlust seit mehr als 10 Jahren hat der türkische Aktienmarktleitindex Bist-30 den schwarzen Montag mit einem Minus von 10,3 Prozent abgeschlossen. Die breite Verkaufswelle hat jedoch nicht nur den Aktienmarkt, sondern auch die Anleihen- und Währungsmärkte erfasst.

Zinsen für türkische Anleihen stiegen nochmals rasant nach oben, sodass die Rendite für 10-jährige türkische Staatsanleihen wieder über 7 Prozent notiert. Auch die türkische Währung setzte ihren Abwertungstrend der letzten Wochen verstärkt fort, die sich zum Euro auf bis zu 2,47 abgeschwächt hat.

Auf den arabischen folgt nun der „Türkische Frühling“

Es ist überraschend, wie schnell, dynamisch und kraftvoll sich der Widerstand und die Proteste gegen die von Erdogan angeführte AKP Regierung sich in den letzten Tagen entfaltet haben. Überrascht war sicherlich auch die Regierung selbst, der es sichtlich weiterhin schwer fällt, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Anstatt auf die Inhalte der Forderungen einzugehen, werden die Proteste marginalisiert beziehungsweise ausländischen Kräften und Militanten zugeschrieben, die die Türkei destabilisieren wollen – von Einsicht noch keine Spur. Dabei zeigt die breite Partizipation der Bevölkerung an den Protesten – quer durch alle Schichten, allen voran aber der Mittelstand – dass es eben nicht nur um Grünflächen geht, sondern dies der Auslöser für die unter der Oberfläche schlummernde Unzufriedenheit mit dem autoritären Führungs- und Regierungsstil Erdogans zum Vorschein gebracht hat.

Doch wie konnte das Stimmungsbild gegen Erdogan so schnell schwanken, zumal die Türkei wirtschaftlich nach wie vor sehr gut dasteht und auch die Bevölkerung daran partizipieren konnte? Nicht zuletzt deshalb konnte Erdogan und seine AKP eindeutige Mehrheiten bei den letzten Wahlen erringen obwohl ein Großteil der AKP-Wähler nicht unbedingt auch AKP-Anhänger sind sondern lediglich den wirtschaftlichen Aufschwung der AKP zuschreiben. Auffällig ist, dass Erdogan in letzter Zeit seine Politik deutlich aggressiver konservativ-islamisch ausgerichtet hat und versucht, zentrale Grundrechte und Freiheiten zu beschneiden.
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