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Göttliche Begeisterung Was die Zukunft den Märkten bringt

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Der Krieg findet in Ländern statt, deren Bedeutung für die Weltwirtschaft gegen Null tendiert. Niemand, außer einigen Waffen- und Ölhändlern ohne Verständnis für Begriffe wie Compliance, Best Practice oder Corporate Governance verdient dort Geld. Also ist es für die börsennotierten Unternehmen weitgehend uninteressant, was in den Herkunftsländern der Flüchtlinge passiert. Und entsprechend vernünftig ist es von den Anlegern, dem Elend keine kursbewegende Relevanz zuzusprechen.

Die in Europa - genau genommen in Schweden, Österreich und Deutschland - angekommenen Flüchtlinge und Migranten haben unter Ökonomen eine Diskussion ausgelöst, ob sie der Wirtschaft der Zielländer nützen oder kosten. Ihr unmittelbarer Nutzen als Arbeitskräfte ist gering, anders als die Kosten. Die Qualifikationen, die sie mitbringen, sind einfach nicht kompatibel mit unserem hochdifferenzierten und stark regulierten Arbeitsmarkt. Andererseits geben sie, mangels sonstiger Vermögensmasse, das Geld, welches sie vom Staat oder Hilfsorganisationen bekommen, sehr schnell wieder aus, was den Effekt eines Konjunkturprogramms bei uns hat (Ökonomen sprechen von hohen Multiplikatoreffekten). Und mittel- und langfristig benötigt Zentraleuropa erheblichen Zuzug, um den Sozialstaat, wie wir ihn kennen und lieben gelernt haben, aufrecht zu erhalten. Insgesamt ist es also unsicher, ob der Zuzug uns am Ende mehr kostet oder mehr bringt. Für die Finanzmärkte also außer- und innerhalb Europas ist das Drama ein echtes Nicht-Ereignis.

Das Ende des Traums von einem geeinten Europa hat schon eher das Zeug, die Märkte zu beeindrucken. Die offenen Grenzen bringen natürlich große Effizienzgewinne für die europäische Wirtschaft. Und wenn die Briten - genau genommen: die Engländer - sich für den Brexit entscheiden, dann ist es tatsächlich erstmal vorbei mit dem großen einigen Europa, das offensichtlich ein wesentlicher Pfeiler unseres Wohlstands ist.

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Aber die Märkte sind (meistens) Realisten und glauben nicht an das Ende des europäischen Projekts. Grenzsicherung ist ein praktisches Problem, welches durchaus gelöst werden kann. Spanien macht es vor: Dort ist der Weg von Afrika nach Europa immer noch am kürzesten, und es gibt kaum Flüchtlinge. Das liegt daran, dass die Spanier die Herkunfts- und Transitländer ermuntern und unterstützen, einen Flüchtlingsstrom gar nicht erst aufkommen zu lassen. Und der Brexit ist mittelfristig eher ein politisches als ein ökonomisches Thema. Selbst wenn es zum äußersten kommt, würden England und Wales (dann vermutlich ohne Schottland) versuchen, Teil des Binnenmarktes zu bleiben und einen Status ähnlich der Schweiz zu erlangen. Sie lehnen ja nicht den freien Handel, sondern nur die Brüsseler Bürokratie ab (und wer könnte es ihnen verdenken?). Die Märkte sehen also kein echtes Problem. Die Flüchtlinge könnten fleißige Wirtschaftssubjekte werden, die Grenzen innerhalb der EU werden schon nicht geschlossen werden und die Engländer (und die Polen) werden uns schon erhalten bleiben.

Die Politik und die Zeitungen mögen rufen, das Ende sei nah für das christliche Abendland im Allgemeinen und für die EU im Besonderen, aber die Märkte sehen das alles entspannter. Sie wenden ihren Blick lieber auf die Fundamentaldaten, und die sind in Europa genau genommen nicht schlecht.