2023 war ein goldenes Jahr, der Preis schwang sind in immer neue Rekordhöhen auf. Nicht verwunderlich, gilt Gold doch besonders in Zeiten von Krisen als sicheres Investment. Besonders Zentralbanken waren weltweit hungrig auf das Edelmetall, unter anderem die People’s Bank of China hat ihre Goldreserven kräftig aufgestockt.
Gold ist allerdings nicht gleich Gold – denn während das Edelmetall als physische Anlage weiterhin sehr gefragt war, hatten es Gold-ETFs und Goldminen-Aktien deutlich schwerer. Wir haben uns mit Stefan Breintner über die Gründe dafür unterhalten. Er ist Leiter Research und Portfoliomanagement bei DJE und unter anderem für den Gold & Ressourcen sowie den Gold & Stabilitätsfonds verantwortlich. Er spricht außerdem darüber, warum physisches Gold dennoch langfristig Probleme bekommen könnte – allerdings aus einer anderen Richtung als vielleicht gedacht.
DAS INVESTMENT: Herr Breintner, reden wir über Gold. Warum hat das Edelmetall 2023 aus Ihrer Sicht so gut abgeschnitten?
Stefan Breintner: Wir hatten unter anderem ein paar geopolitische Ereignisse, die sich im Jahresverlauf positiv auf den Goldpreis ausgewirkt haben. So gab es zum Beispiel zu Jahresanfang beziehungsweise im März 2023 die Krise bei der Silicon Valley Bank. Alle, die schon länger dabei sind, hatten das Finanzkrisenszenario aus 2008/2009 vor Augen und Bedenken, dass wieder etwas Ähnliches passiert. Generell lief Gold immer sehr gut, wenn ein systemisches Risiko für das globale Finanzsystem bestand.
Welches waren die anderen geopolitischen Ereignisse?
Breintner: Das zweite, größere Event war zum Jahresende natürlich die Zuspitzung der geopolitischen Lage in Israel und dem Gazastreifen. Hinzu kommt, dass das ganze Jahr über die Entwicklung bei Gold durch die anhaltenden Käufe der Zentralbanken unterstützt wurde. Insbesondere in den Emerging Markets. Diese wollen generell verstärkt vom US-Finanz- beziehungsweise vom US-Dollar-System unabhängiger werden und kaufen daher Gold. Und der dritte Punkt war natürlich, dass die US-Zentralbank in Aussicht gestellt hat, über Zinssenkungen nachzudenken. Das hat besonders am Jahresende dem Goldpreis geholfen.
Wie hoch könnte denn der Goldpreis aus Ihrer Sicht noch steigen? Im vergangenen Jahr hat er schließlich mehrmals Rekordhöhen erreicht.
Breintner: Preisprognosen geben wir generell nicht. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass das jüngste Hoch von circa 2.082 US-Dollar pro Unze, das wir im Dezember 2023 gesehen haben, in nächster Zeit wieder erreicht beziehungsweise überschritten wird.
Warum haben sich dann eigentlich die Käufe von physischem Gold und jene von Gold-ETFs in letzter Zeit so unterschiedlich entwickelt?
Breintner: Gold-ETFs werden besonders gerne von den großen Investment-Fonds in den USA gekauft. Für deren Kaufentscheidung ist oft der Realzins maßgeblich. Positive beziehungsweise im Trend steigende Realzinsen sind daher meist negativ korreliert zur Nachfrage seitens Gold-ETFs. Als Faustregel nimmt man hierfür oftmals die zehnjährigen Treasuries, die 2023 in der Spitze wieder knapp 5 Prozent Rendite brachten. Davon zieht man die aktuelle Inflationsrate beziehungsweise oftmals auch die erwartet Inflationsrate ab. Die US-Realzinsen stiegen 2023 an und verharrten dann im positiven Bereich, was somit ein klarer Gegenwind für die Nachfrage nach Gold-ETFs war.
Der physische Markt ist ein anderer Markt. Der physische Markt ist sehr stark bestimmt von Indien, China, anderen Schwellenländern. Auch Deutschland ist nach wie vor ein Markt wo Gold in Form von Barren und Münzen – vermehrt auch durch Kleinanleger – einen hohen Stellenwert und damit eine hohe Nachfrage erfährt.
Auch die Goldminen-Aktien haben sich im vergangenen Jahr extrem schlecht entwickelt. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe? Die Inflation?
Breintner: Ja, Goldminen-Aktien liefen 2023 schlecht. Dabei ist der Gold-Preis für sie eigentlich in die richtige Richtung gegangen. Aber die Minenunternehmen haben mit steigenden Kosten zu kämpfen gehabt und auch immer noch zu kämpfen. Unter anderem durch die gestiegenen Betriebskosten, unter anderem Diesel, Reifen, Sprengstoffe, Stahl, und ganz stark natürlich die steigenden Löhne. Der Druck auf die Löhne ist dabei generell für den gesamten Bergbausektor ein strukturelles, langfristiges Thema. Denn wer will heute – als hochqualifizierter Ingenieur – noch für ein Bergbauunternehmen arbeiten? Es wird immer schwieriger werden, qualifizierte Leute zu bekommen.
Für die Betreiber von Goldminen wird also das Thema Effizienz immer wichtiger. Könnte ein höherer Grad an Automatisierung diese steigern? Oder ist der Abbau dort schon so weit automatisiert, dass nicht mehr viel möglich ist?
Breintner: Minenunternehmen haben generell ein großes strukturelles Problem. Der Erz- beziehungsweise Metallgehalt im abgebauten Gestein nimmt ab. Die Zeit des Abbaus an einfachen Gesteinsschichten mit hohem Erzgehalt ist weitgehend vorbei und der Abbau an Gesteinsschichten mit niedrigerem Erzgehalt ist deutlich teurer. Ich übertreibe jetzt etwas, aber diese einfachen Vorkommen, wo sie den Boden umgegraben haben und dann pro Tonne Gestein mehr als 10 Gramm Gold oder 100 Gramm Kupfer drin waren - das ist vorbei. Heute holen sie oftmals eine Tonne Gestein aus der Erde und kriegen dann ein Gramm Metall raus. Das ist die Realität. Dabei geht der Bedarf – vor allem nach Kupfer – perspektivisch sogar hoch.
Zudem herrschen hohe regulatorische beziehungsweise ökologische Anforderungen, dass nach dem Abbau alles wieder renaturiert wird, damit der Eingriff in die Umwelt möglichst gering gehalten wird. Das gab es früher nicht. Durch Effizienzsteigerungen kann man diesen Herausforderungen allerdings nur in geringem Maße begegnen.
Teilweise hat man auch gehört, dass bei Privatanlegern das Interesse an physischem Gold im vergangenen Jahr zurückgegangen ist und diese Käufe eher durch die Zentralbanken erfolgt sind. Oder wollten die Endkunden von den hohen Preisen profitieren und haben deshalb verkauft? Was ist Ihre Sichtweise?
Breintner: Schwer zu sagen. Da gibt es jetzt aus meiner Sicht auch nicht die besten Daten. Ich glaube, die Nachfrage der privaten Kunden in physischer, also in harter Form, war ungebrochen gut. Man sieht natürlich grundsätzlich, dass in manchen Bereichen einfach weniger Geld zum Investieren da ist. Zudem lief der Aktienmarkt gut, da hatten Investoren lieber dort investiert.
Können Sie sich vorstellen, dass irgendwann in Zukunft ein anderes Edelmetall mal Gold ablöst?
Breintner: Nein.
Auch nicht Lithium oder Silber?
Breintner: Mit Sicherheit nicht. Gold wird immer seinen Charakter als Wertaufbewahrungsmittel und als „Quasi-Versicherung gegen systemische Risiken“ haben. Es hat außerdem andere Eigenschaften als Silber. Silber ist eher ein Industriemetall. Gold hingegen hat keinen Industrie-Charakter, wenn man so will. Von der weltweiten Nachfrage gehen unter 10 Prozent in die Industrie. Metall-Fans und da insbesondere die Edelmetall-Fans, die wird es weiterhin geben. Ganz langfristig wird aus meiner Sicht der Wettbewerber eher im digitalen Bereich – also Kryptowährungen – sein. Vor allem, wenn der Generationenwechsel bei den Investoren kommt.
Obwohl Gold gerade wegen seiner Physis geschätzt wird? Was bei Bitcoin natürlich nicht möglich ist.
Breintner: Beides hat eine besondere Eigenschaft – es ist nicht beliebig replizierbar. Natürlich kann man über den Nutzen von beidem streiten. Perspektivisch könnten wir allerdings einen strukturellen Wandel bei der Investment-Gold-Nachfrage erleben. Wenn Sie zum Beispiel die Generation der 18- bis 25-Jährigen fragen würden – da würden alle sagen, sie kaufen lieber Bitcoin. Kryptowährungen sind bei der nächsten Generation der Investoren sicher ein ganz anderes Thema. Das darf man nicht außer Acht lassen und muss beobachtet werden.

