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Ronald Stöferle: „Gold und Kryptowährungen sind komplementär“

DAS INVESTMENT: Herr Stöferle, der Goldpreis erreicht derzeit neue Höchststände. Welche Faktoren beeinflussen aktuell am stärksten die Entwicklung?
Ronald Stöferle: Wir erleben gerade einen fundamentalen Wandel am Goldmarkt, den wir bereits in unserem letzten „In Gold We Trust“-Report beschrieben haben: Nicht mehr die westlichen Finanzinvestoren dominieren das Geschehen, sondern die Emerging Markets. Die Notenbanken und private Nachfrage aus China, Indien und dem arabischen Raum sind mittlerweile für knapp zwei Drittel der Goldnachfrage verantwortlich. Das ist der entscheidende Trend, der den Markt nachhaltig verändert.
Eine zentrale Frage für Anleger ist die Wahl der richtigen Investmentform. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie bei physischem Gold im Vergleich zu Gold-ETFs oder Minenaktien?
Stöferle: Der größte Vorteil von physischem Gold ist das fehlende Gegenparteirisiko – das wird in Zeiten schwindenden Vertrauens immer wichtiger. Bei einer Anleihe oder einem Zertifikat bin ich immer von einem Schuldner abhängig, bei einer Aktie vom Management, der Konjunktur, dem technologischen Wandel et cetera. Physisches Gold ist dagegen „pure ownership“, wie man im Englischen sagt – reiner Besitz ohne Wenn und Aber. Die Kehrseite sind natürlich höhere Handelskosten und laufende Gebühren für Lagerung und Versicherung.
Wir unterscheiden deshalb klar zwischen Performance-Gold und Sicherheits-Gold: Performance-Gold ist für aktives Trading im Portfolio gedacht, während Sicherheits-Gold eine langfristige Versicherung gegen Worst-Case-Szenarien darstellt. Bei Letzterem sollte man in Generationen denken und nicht täglich auf den Preis schielen.
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DAS INVESTMENT: Herr Stöferle, der Goldpreis erreicht derzeit neue Höchststände. Welche Faktoren beeinflussen aktuell am stärksten die Entwicklung?
Ronald Stöferle: Wir erleben gerade einen fundamentalen Wandel am Goldmarkt, den wir bereits in unserem letzten „In Gold We Trust“-Report beschrieben haben: Nicht mehr die westlichen Finanzinvestoren dominieren das Geschehen, sondern die Emerging Markets. Die Notenbanken und private Nachfrage aus China, Indien und dem arabischen Raum sind mittlerweile für knapp zwei Drittel der Goldnachfrage verantwortlich. Das ist der entscheidende Trend, der den Markt nachhaltig verändert.
Eine zentrale Frage für Anleger ist die Wahl der richtigen Investmentform. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie bei physischem Gold im Vergleich zu Gold-ETFs oder Minenaktien?
Stöferle: Der größte Vorteil von physischem Gold ist das fehlende Gegenparteirisiko – das wird in Zeiten schwindenden Vertrauens immer wichtiger. Bei einer Anleihe oder einem Zertifikat bin ich immer von einem Schuldner abhängig, bei einer Aktie vom Management, der Konjunktur, dem technologischen Wandel et cetera. Physisches Gold ist dagegen „pure ownership“, wie man im Englischen sagt – reiner Besitz ohne Wenn und Aber. Die Kehrseite sind natürlich höhere Handelskosten und laufende Gebühren für Lagerung und Versicherung.
Wir unterscheiden deshalb klar zwischen Performance-Gold und Sicherheits-Gold: Performance-Gold ist für aktives Trading im Portfolio gedacht, während Sicherheits-Gold eine langfristige Versicherung gegen Worst-Case-Szenarien darstellt. Bei Letzterem sollte man in Generationen denken und nicht täglich auf den Preis schielen.
Viele Anleger interessieren sich für Minenaktien wegen des Hebel-Effekts auf den Goldpreis. Wie schätzen Sie dieses Segment ein?
Stöferle: Minenaktien sind historisch gesehen extrem günstig bewertet. Allerdings gilt hier Murphys Law: Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen. Die Risiken reichen von geologischen über operative bis hin zu politischen Faktoren. Auch Finanzierungs- und Managementrisiken spielen eine große Rolle.
Interessant ist aber: Die Unternehmen produzieren derzeit Rekordmargen und -cashflows, schütten Dividenden aus und haben teilweise einstellige KGVs. Der Sektor wurde lange gemieden, auch wegen ESG-Bedenken. Dabei machen die meisten Minen mittlerweile einen fantastischen Job beim Umweltschutz und der Unterstützung lokaler Gemeinden – das wird nur nicht immer optimal kommuniziert.
Wie stark ist der Hebel-Effekt bei Minenaktien?
Stöferle: Normalerweise gibt es einen Hebel von etwa drei zu eins gegenüber dem Goldpreis – der funktioniert natürlich in beide Richtungen. Im letzten großen Bullenmarkt von 2001 bis 2011 haben wir das sehr schön gesehen. In den letzten Jahren hat diese Outperformance allerdings nicht mehr stattgefunden. Ich glaube aber, dass die Bewertungen jetzt wirklich auf Schnäppchen-Niveau sind. Wichtig ist, sehr selektiv vorzugehen – es gibt viele schwache Management-Teams und riskante Projekte.
Ein vieldiskutiertes Thema ist das Verhältnis von Gold und Kryptowährungen. Manche bezeichnen Bitcoin als das „neue Gold“. Wie sehen Sie das?
Stöferle: Für uns sind Gold und Kryptowährungen absolut komplementär – wie Skifahren und Snowboarden oder wie ein sicheres SUV und ein etwas riskanteres Motorrad in der Garage. Wir haben vor exakt fünf Jahren den ersten Fonds aufgelegt, der physisches Gold und Bitcoin kombiniert. Damals gab es viel Kritik, weil viele die beiden Assets als Antagonisten sahen. Die große Fantasie für zusätzliche Kapitalzuflüsse kommt aus dem 170 Billionen schweren Bondmarkt. Da ist noch viel Potenzial für die beiden „harten Währungen“.
Sie managen verschiedene Fonds im Edelmetall- und Rohstoffbereich. Wie unterscheiden sich diese in ihrer Anlagestrategie?
Stöferle: Im Rohstoffbereich manage ich den Active Commodity Fund.
Commodities sind mittlerweile wahrscheinlich die meistgehasste Anlageklasse, das Sentiment ist so negativ wie seit 2017 nicht mehr.
Wir investieren hier 50 Prozent in Commodity-Aktien und 50 Prozent in Corporate Bonds aus dem Rohstoffbereich. Je nach unserem Signalsystem können wir zusätzlich mit bis zu 100 Prozent im Future auf den Bloomberg Commodity Index investiert sein.
Dann haben wir den Active Gold Fund, bei dem wir versuchen, die extremen Schwankungen des Minensektors abzufedern. Minenaktien können mal 800 oder 1.400 Prozent zulegen, aber zwischendurch auch 70 bis 80 Prozent verlieren. Diese Drawdowns wollen wir vermeiden.
Und dann haben wir noch den Crypto & Gold Fund: ein Drittel Gold und Goldaktien, ein Drittel Silber und Silberaktien und ein Drittel Krypto mit einem Rebalancing-System. Wenn Krypto zu stark steigt, verkaufen wir und kaufen die günstigeren Assetklassen nach. Außerdem den All Seasons Fund, der von Hans Schiefen verwaltet wird, sowie den Uranium Resources Fund, um den sich Christian Schärer kümmert. Bei diesen steht aber Gold nicht im Fokus.
Sie prognostizieren, dass der Goldpreis bis 2030 noch auf 4.800 US-Dollar ansteigen könnte – das klingt sehr optimistisch. Worauf stützen Sie diese Erwartung?
Stöferle: Schauen Sie sich die aktuelle Situation an: Seit Oktober ist der Dollar-Index um knapp 10 Prozent gestiegen, die Zinssenkungserwartungen wurden weitgehend ausgepreist, Rezessionsängste ebenso – und trotzdem hat Gold im Herbst nur minimal korrigiert. Es ist das ruhigste Allzeithoch, das ich in meiner 18-jährigen Karriere erlebt habe.
Die Divergenz zwischen Preisentwicklung und der skeptischen Stimmung westlicher Anleger ist bemerkenswert. Viele haben den Aufwärtstrend verschlafen und versuchen jetzt, in jede Korrektur hinein zu kaufen.
Das langfristige Ziel von 4.800 US-Dollar entspricht einer jährlichen Steigerung von etwa 9 Prozent bis 2030 – das ist durchaus realistisch.
Sie reisen viel in Schwellenländer. Welche Rolle spielt Gold dort im Vergleich zum Westen?
Stöferle: Eine völlig andere. Ich war erst kürzlich in Saudi-Arabien, in Riad. Wenn ich bei Vorträgen in der Türkei, China oder Indien eine strategische Goldquote von 12 bis 15 Prozent empfehle, lachen die Leute, weil es ihnen zu wenig erscheint. Hier im Westen halten sie mich für illusorisch, weil diese Goldquoten als deutlich zu hoch betrachtet werden.
Ein eindrucksvolles Beispiel für den Wandel am Goldmarkt: Dubai ist mittlerweile der zweitgrößte Goldhandelsplatz der Welt und hat London überholt – das hätte vor einigen Jahren niemand für möglich gehalten. Die Musik spielt am Goldmarkt nicht mehr im Westen, sondern in den Schwellenländern.
Wie entwickelt sich die private Goldnachfrage in Deutschland?
Stöferle: Das letzte Jahr war in Deutschland, was die Goldnachfrage betrifft, extrem schwach. Viele langjährige Investoren haben ihre Gewinne mitgenommen, teilweise auch aus wirtschaftlichen Gründen verkauft – Stichwort Inflation. Neue Käuferschichten haben sich noch nicht wirklich herangetraut. Viele sagen, Gold sei zu teuer und warten auf eine Korrektur. Wir sehen jedenfalls noch nicht diese richtige Manie wie 2011.
Sie erwähnten Silber als interessante Alternative. Was macht diesen Markt so spannend?
Stöferle: Silber ist noch unbeliebter als Gold, was mich sehr zuversichtlich stimmt. Gleichzeitig sehen wir ein extrem starkes Nachfragewachstum aus der Photovoltaik-Industrie, die mittlerweile fast 60 bis 70 Prozent der gesamten Förderung absorbiert.
Wenn da irgendwann die Investmentnachfrage dazukommt, dürfte Silber Gold deutlich outperformen.
Welche makroökonomischen Entwicklungen werden den Goldmarkt in den nächsten Jahren prägen?
Stöferle: Die steigende Bedeutung der Schwellenländer ist der wichtigste langfristige Trend. Hinzu kommt die globale Schuldensituation – besonders in den USA wird es spannend. Die Inflation ist unserer Meinung nach noch nicht besiegt und könnte ein Comeback feiern. Historisch betrachtet dauern Inflationsphasen deutlich länger, und es gibt auch ein gewisses „Inflations-Mindset“, das psychologisch nachwirkt.
Auch die De-Globalisierung und De-Dollarisierung spielen eine wichtige Rolle. Die Schwellenländer haben die G7-Nationen bei der Wirtschaftsleistung überholt und werden selbstbewusster. Sie wollen ihren Platz am Verhandlungstisch. Ich bin nicht sicher, ob der Dollar in zehn Jahren noch die alleinige Weltleitwährung sein wird. Das könnte zu einer gewissen Re-Monetarisierung von Gold führen.
Welche Rolle spielt ESG mittlerweile im Minensektor?
Stöferle: Die Unternehmen haben enorm aufgeholt. Jedes börsennotierte Unternehmen mit einer gewissen Seriosität muss heute einen guten Job in Sachen Nachhaltigkeit machen – sonst wird es vom Kapitalmarkt, von den Banken und den Aktionären abgestraft. Die meisten Minen unterstützen ihre lokalen Communities mittlerweile vorbildlich, kommunizieren das aber oft nicht optimal. Der extreme ESG-Druck der vergangenen Jahre hat jedenfalls zu deutlichen Verbesserungen geführt.



