Edelmetall-Experte Ronald-Peter Stöferle
Warum der Silberpreis gute Chancen hat, den von Gold noch zu übertreffen
Ronald P. Stöferle ist Partner bei Incrementum und dort für Research und Portfolio-Management zuständig. Foto: Incrementum
Silber führt ein Schattendasein gegenüber Gold. Doch der „kleine Bruder“ hat aus Anlegersicht bemerkenswerte Eigenschaften, wie Ronald Stöferle aufzeigt.
Gemeinhin gilt Silber aufgrund seines deutlich günstigeren Preises als das Gold des kleinen Mannes oder als kleiner Bruder von Gold. Doch das Edelmetall hat bemerkenswerte Eigenschaften. Nicht ohne Grund konnte Silber in den vergangenen zwölf Monaten auf US-Dollar-Basis um fast 40 Prozent zulegen.
So ist Silber aufgrund seiner extrem guten elektrischen Leitfähigkeit eines der zentralen Metalle für die Energiewende. Der weltweite Boom bei Photovoltaikanlagen geht mit einer deutlich erhöhte Silbernachfrage einher. Für das laufende Jahr 2024 wird erwartet, dass die Silbernachfrage der Solarbranche um 20 Prozent auf den Rekordwert von 232 Moz steigen wird.
Hinzu kommt, dass die neueste Generation an Solarmodulen einen höheren Bedarf pro Solarpanel hat als ältere Generationen. Die Umstellung auf E-Mobilität wird ebenfalls nachfragefördernd für Silber wirken. In einem E-Auto werden um 10 bis 35 Gramm Silber mehr verarbeitet als in Verbrennern.
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Gemeinhin gilt Silber aufgrund seines deutlich günstigeren Preises als das Gold des kleinen Mannes oder als kleiner Bruder von Gold. Doch das Edelmetall hat bemerkenswerte Eigenschaften. Nicht ohne Grund konnte Silber in den vergangenen zwölf Monaten auf US-Dollar-Basis um fast 40 Prozent zulegen.
So ist Silber aufgrund seiner extrem guten elektrischen Leitfähigkeit eines der zentralen Metalle für die Energiewende. Der weltweite Boom bei Photovoltaikanlagen geht mit einer deutlich erhöhte Silbernachfrage einher. Für das laufende Jahr 2024 wird erwartet, dass die Silbernachfrage der Solarbranche um 20 Prozent auf den Rekordwert von 232 Moz steigen wird.
Hinzu kommt, dass die neueste Generation an Solarmodulen einen höheren Bedarf pro Solarpanel hat als ältere Generationen. Die Umstellung auf E-Mobilität wird ebenfalls nachfragefördernd für Silber wirken. In einem E-Auto werden um 10 bis 35 Gramm Silber mehr verarbeitet als in Verbrennern.
Silber hat ein Angebotsdefizit
Dieser Nachfrageanstieg spielt sich in einem Umfeld ab, in dem auf dem Silbermarkt ohnehin bereits seit 2021 ein Angebotsdefizit besteht. Es wird weniger Silber neu gefördert als nachgefragt, und diese Lücke weitet sich immer mehr aus. Nur der Rückgriff auf bestehende Lagerbestände und Recycling von Altsilber kann diese Angebotslücke noch ausgleichen. Die Lagerbestände haben seit 2021 allerdings bereits um 30 Prozent abgenommen und wären auf Grundlage der prognostizierten Angebotslücke in lediglich zwei Jahren erschöpft.
Dieser Förderengpass hat mehrere Gründe: Der Minensektor leidet allgemein an einer Investitionsschwäche infolge eines immer engeren regulatorischen Dickichts, aber auch wegen Verstaatlichungsphantasien. Angesichts der durchschnittlichen Dauer von 15 Jahren von den ersten Planungen für eine neue Mine bis zum Beginn des Abbaus ist selbst im Falle eines Investitionsbooms nicht mit einer schnellen und deutlichen Ausweitung der Silberfördermenge zu rechnen. Zudem wird Silber meist nur als Nebenprodukt anderer Metalle abgebaut.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der seit Februar laufenden imposanten Goldrally könnte Silber schon bald aus dem Schatten des großen Bruder Gold treten. Die Geschichte spricht nämlich für die Fähigkeit von Silber, als Reaktion auf einen Schub beim Goldpreis ebenfalls zu steigen. Das ist ein Nebenprodukt der starken historischen Korrelation zwischen Gold- und Silberpreisen, die seit 1988 im Durchschnitt 0,92, seit 2000 0,87, seit 2010 0,55 und seit 2021 0,82 beträgt.
Wie im In Gold We Trust-Report 2023 beschrieben, hat diese Korrelation bei Goldpreissteigerungen häufig zu einem verzögerten Silber-Schleudereffekt geführt.[1] Genauer gesagt hat Silber in drei der letzten sieben Goldbullenmärkte, die sich von 1967/68 bis 2015/2020 erstreckten, besser abgeschnitten als Gold, und zwar in den Jahren 1976 bis 1980, 1993 bis 1995 und 2001 bis 2011. In sechs der letzten sieben Silberhaussen von 1967 bis 2021 übertraf der Anstieg beim Silberpreis den Goldpreis mit Ausnahme der Silberhausse 1971 bis1974.
Zugegeben, dem letzten Silberbullenmarkt, der zu Jahresbeginn 2021 mit einem Silberpreis von 29,42 US-Dollar seinen Höhepunkt erreichte, ging ein Rückgang des Silberpreises auf 11,77 US-Dollar im März 2020 voraus. Dies ließ die Gold-Silber-Ratio auf einen historischen Höchststand von 123,4 explodieren, woraufhin viele Experten den Investment Case von Silber grundsätzlich in Frage stellten. Dennoch legte der Silberpreis von März 2020 bis Februar 2021 um 250 Prozent zu, als die Federal Reserve die Zinsen senkte. Dies trug dazu bei, dass Silber in den letzten drei Zinssenkungszyklen eine durchschnittliche Rendite von 332 Prozent erzielte.
So wie Gold in Zeiten einer durch Zinssenkungen ausgelösten Inflation als monetärer Zufluchtsort für Finanzinvestoren dient, kann Silber die gleiche Aufgabe für die breite Bevölkerung erfüllen. Ein Beweis dafür ist, dass sich die türkischen Silberimporte von rund 400 Tonnen im Jahr 2021 auf 1.100 Tonnen im Jahr 2023 fast verdreifachten, als die Zinssätze in der Türkei von 19 Prozent im September 2021 auf 8,5 Prozent im Juni 2023 gesenkt wurden, während die Inflation von 19,5 Prozent im September 2021 auf 85,5 Prozent im Oktober 2022 anstieg.
Außerdem kommt dies zu einer Zeit, in der Costco, den Zeitgeist erkennend, im Dezember 2023 mit dem Verkauf von Silver-Eagle-Münzen begann, nachdem in Q3/23 bereits Goldbarren im Wert von 100 Millionen US-Dollar verkauft wurden. Das Silver Institute berichtete, dass sich die von der US-Warenhauskette angebotenen 20-Silver-Eagle-Tuben einer regen Nachfrage erfreuten. Natürlich könnte die leichtere Verfügbarkeit von Silber und – was noch wichtiger ist – sein im Vergleich zu Gold deutlich günstigerer Preis die Nachfrage von US-Bürgern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen ankurbeln, so wie es in Ägypten bereits zu beobachten war.
Silber hat seine Höchststände von 1980 noch nicht übertroffen
Silber ist im Gegensatz zu Gold, Kupfer, Blei, Nickel, Zink, Eisen, Platin, Rhodium und Palladium das einzige Metall, das seine Höchststände von 1980 noch nicht übertroffen hat. Am 18. Jänner 1980 markierte Silber sein Allzeithoch bei 48,70 US-Dollar. Trotz der Preisrally in den vergangenen zwölf Monaten mit einem Plus von mehr als 30 Prozent liegt Silber noch immer deutlich unter dieser historischen Höchstmarke. Eine Rückkehr zum historischen Median der Gold-Silber-Ratio von 30:1 würde einem Silberpreis von 87 US-Dollar und damit knapp dem Dreifachen des Silberpreises per Mitte Oktober entsprechen, basierend auf einem Goldpreis von 2.600 US-Dollar.
Silberpreis-Matrix, in USD, Gold-Silber-Ratio (x-Achse) und Gold (y-Achse), in USD
Während eine Rückkehr zu einer Gold-Silber-Ratio von 70:1 eine konservative Schätzung darstellt, geht der Medianwert von 30:1 auf die 1800er-Jahre zurück und ist konservativer als die Gold-Silber-Ratio in der Erdkruste von 19:1. Die Möglichkeit einer Rückkehr zu der im Jahr 2020 erreichten Gold-Silber-Ratio von 123:1 kann naturgemäß nicht ausgeschlossen werden.
Aufgrund der historischen Gold-Silber-Ratios wird der Silberpreis daher nicht nur wahrscheinlich dem Goldpreis folgen, wenn dieser weiter in bislang unbekannte Höhen steigen sollte, sondern er hat basierend auf den Daten seit 1967/68 auch eine 85,7-prozentige Chance, Gold zu übertreffen. Die Investitionsnachfrage nach Silber wird dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Im nächsten Zinssenkungszyklus könnte die Investmentnachfrage nach Silber daher deutlich anziehen und den Silberpreis in lichte Höhe treiben.
[1] Siehe „Silbers goldene Ära?“, In Gold We Trust-Report 2023
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