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Goldlöckchen-Szenario vor dem Ende „Vier Gründe, einen Gang runterzuschalten“

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Das Gespenst der Stagflation

Das Jahr 2017 erfreute Anleger durch eine blühende Konjunktur und eine niedrige Inflation. Nun hat sich die Situation gewandelt und alles deutet darauf hin, dass die Wirtschaft in die abnehmende Phase des Zyklus eintritt: Der Einkaufsmanagerindex (PMI) in der Produktion befindet sich auf einem Zehn-Monats-Tief und die Inflation wächst moderat – ein klassischer Fall spätzyklischer Stagflation. Diese ist sowohl für Aktien als auch für Anleihen alles andere als vorteilhaft.

Auch die Aktienrückkäufe und die vermehrten Übernahme- und Fusionsaktivitäten sind ein Symptom für einen späten Wirtschaftszyklus. Aktienrückkäufe erreichten in diesem Jahresviertel einen Stand, den die Welt seit 2007 nicht gesehen hat, während für Übernahmen und Zusammenschlüsse zusammengerechnet fast zwei Billionen US-Dollar ausgegeben wurden – eine Zahl, die sich im Vergleich zum Vorjahr um zwei Drittel erhöht hat. Beides weist darauf hin, dass es in der Wahrnehmung der Unternehmen an organischen Investment-Möglichkeiten mangelt.

Allerdings deutet ein später Zyklus nicht notwendigerweise auf ein Ende hin; jedoch prophezeit er Druck auf Gewinnmargen, da Kapazitätsengpässe die Preise für Rohstoffe und Arbeit in die Höhe treiben und den Inflationsdruck vergrößern. Für eine Verlängerung der wirtschaftlichen Expansion bedürfte es entweder eines späten und unerwarteten Produktivitätsimpulses oder eines größeren Angebots an Fachkräften. Weder das eine noch das andere scheint im Rahmen des Möglichen – eher ist der Gegenteil der Fall. Vielleicht wäre Präsident Trump besser damit beraten, Aktienrückkäufe zu besteuern, um Unternehmen zu Investitionen zu bewegen.

Bewertungen im Chaos

Zieht man eine langfristige Trendlinie über mehrere abgeschlossene Marktzyklen hinweg, wird man feststellen: Zwar weist die Linie generell nach oben, die Schwankungen um diese Trendlinie herum können allerdings beträchtlich sein. In der Praxis bedeutet das: Wer in der Spätphase eines Bullenmarkts Gewinne macht, kann diese nur einstreichen, indem er rechtzeitig verkauft. Alle anderen müssen die folgende Schwächephase aussitzen und auf das nächste Börsenhoch im nächsten Zyklus warten.

So gesehen können kurzfristige Bewertungen frustrierend bedeutungslos erscheinen. Auf lange Sicht gewinnt man aus ihrer Betrachtung jedoch zahlreiche nützliche Erkenntnisse. Sie geben Aufschluss über langfristige Gewinnerwartungen, aber auch darüber, wie sich eine Anlageklasse über verschiedene Marktzyklen hinweg verhält. Im gegenwärtigen Zyklus sind die Bewertungen allerdings wenig aussagekräftig. Aktienrückkäufe haben die Bewertungen verschleiert und zahlreiche beliebte Kennzahlen wie etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) verfälscht. Denn sie senken künstlich die Zahl der noch verfügbaren Aktien, auf die sich der Gewinn des Unternehmens verteilt. Auf diese Weise wirken die Titel zwar laut KGV angemessen bewertet. In Wirklichkeit sind sie aber vielleicht schon zu teuer, wenn man andere Kennzahlen in Betracht zieht. Und diese bereiten uns Sorgen, denn ähnlich hohe Bewertungen gab es kurz vor den Börsen-Crashs 1928, 2000 und 2007.

Wir beobachten heute, dass viele Investoren nicht nur im Hinblick auf die Wirtschaft und die Unternehmensgewinne übertrieben optimistisch erscheinen, sondern auch Bewertungen für fair und die Anleihemärkte für ungefährlich halten. Die gegenwärtige Situation ist jedoch alles andere als unkritisch. Deswegen nutzen wir die spätzyklische Phase, um Gewinne einzusammeln und die Risiken in unseren Portfolios zu reduzieren. Ganz besonders sichern wir uns gegen eine steigende Inflation ab und suchen mit Hilfe von gründlichen Unternehmensanalysen nach Anlageklassen, die im gegenwärtigen Umfeld günstig bewertet sind und langfristig Wachstum versprechen.

Die Autoren:

Marcus Brookes, Leiter des Multi-Manager-Teams bei Schroders

Robin McDonald, Fondsmanager im Multi-Manager-Team, bei Schroders

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