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Edelmetall-Experte: „Silber hat noch mehr Potenzial als Gold“

DAS INVESTMENT: Herr Louvet, 2024 war ein gutes Jahr für Gold. Welche Faktoren sprechen aus Ihrer Sicht für einen weiteren Anstieg des Goldpreises und welche dagegen?
Benjamin Louvet: Es gibt sowohl konjunkturelle als auch strukturelle Faktoren. Konjunkturell erleben wir derzeit eine Welt voller Unsicherheiten. Die globale Handelssituation wird durch die Zölle, die Trump angekündigt hat, stark i...
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DAS INVESTMENT: Herr Louvet, 2024 war ein gutes Jahr für Gold. Welche Faktoren sprechen aus Ihrer Sicht für einen weiteren Anstieg des Goldpreises und welche dagegen?
Benjamin Louvet: Es gibt sowohl konjunkturelle als auch strukturelle Faktoren. Konjunkturell erleben wir derzeit eine Welt voller Unsicherheiten. Die globale Handelssituation wird durch die Zölle, die Trump angekündigt hat, stark infrage gestellt. Hinzu kommen geopolitische Instabilitäten. Der Ukraine-Konflikt ist nicht so einfach zu lösen, wie Trump es im Wahlkampf versprochen hat, denn Putin hat derzeit die besseren Karten. Im Nahen Osten bestehen weiterhin Spannungen, und was in der Ukraine geschieht, könnte China bezüglich Taiwan inspirieren. Diese Unsicherheiten treiben Menschen vermehrt in sichere Häfen wie Gold.
Strukturell sehen wir eine Veränderung in der Art und Weise, wie der Goldpreis bestimmt wird. Traditionell wurde der Preis hauptsächlich von westlichen Käufern und Investoren festgelegt. Heute kommen immer mehr Investoren aus Asien hinzu, besonders aus China. Diese begannen nach dem Einfrieren russischer Vermögenswerte zu hinterfragen, ob der US-Dollar wirklich eine sichere Anlage ist. Während westliche Gold-Bestände zurückgingen, stiegen die Gold-Bestände in Asien, insbesondere in China, stark an.
Welche Rolle spielen die Zentralbanken für die Entwicklung der Goldnachfrage?
Louvet: Zu Beginn der 2000er verkauften westliche Zentralbanken jährlich etwa 500 Tonnen Gold. Mit dem Aufstieg der Schwellenländer, insbesondere Chinas, änderte sich dies. Schwellenländer begannen, ihre Handelsüberschüsse in Gold zu diversifizieren. Der Markt verzeichnete einen Wandel von 500 Tonnen Verkäufen zu 500 Tonnen Käufen pro Jahr – eine Verschiebung von 1.000 Tonnen auf einem Markt von 4.500 Tonnen jährlich.
2022 kauften Zentralbanken mehr als 1.100 Tonnen Gold – ein Rekord. Auch 2023 und 2024 waren es jeweils über 1.000 Tonnen. Laut der jährlichen Umfrage des World Gold Council planen 29 Prozent aller befragten Zentralbanken, ihre Goldallokation in den nächsten 12 Monaten zu erhöhen – der höchste Wert seit Beginn der Erhebung 2018. Gleichzeitig plant keine einzige Zentralbank, Gold zu verkaufen.
Welche Bedeutung haben die Zinsen für den Goldpreis?
Louvet: Normalerweise besteht eine starke negative Korrelation zwischen Gold und realen Zinssätzen. Da Gold keine Rendite abwirft, wird es weniger attraktiv, wenn die Zinsen auf andere Anlagen steigen. Seit März 2022 scheint sich diese Korrelation abzuschwächen – sie ist aber trotzdem weiterhin intakt. Der Grund für die Abweichung sind wie bereits dargelegt neue Anleger aus Asien, die aus anderen Gründen Gold kaufen.
Ein weiterer wichtiger struktureller Faktor ist die hohe Verschuldung. Das Verhältnis von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt in den USA liegt bei 120 Prozent. Eine Erhöhung der Zinssätze um einen Prozentpunkt bedeutet, dass die USA zusätzlich 1,2 Prozent ihres BIP für Zinszahlungen aufwenden müssen. Die Zinsbelastung wird untragbar. Daher müssen die Zinsen niedrig sein, um die Verschuldung überhaupt finanzieren zu können.
Wird der Goldpreis aus Ihrer Sicht noch weiter steigen?
Louvet: Zu Jahresbeginn haben wir prognostiziert, dass die 3.000-Dollar-Marke überschritten wird und wir irgendwo um 3.100 Dollar pro Unze landen könnten. Doch mittlerweile halte ich diese Prognose für konservativ. Mit den Unsicherheiten in der Ukraine, Taiwan, den Zöllen sowie einer möglichen Rezession in den USA könnte Gold noch deutlich höher steigen.
Ist es für Anleger also noch nicht zu spät, jetzt noch in Gold einzusteigen?
Louvet: Lustig, dass Sie das fragen, denn in den vergangenen drei Jahren hatten wir zu Jahresbeginn immer dieselbe Diskussion mit Anlegern, die meinten, Gold sei nun an seinem Höhepunkt und es sei zu spät für einen Einstieg. Wir haben stets entgegnet, dass wir uns in einer strukturellen Situation mit hoher Verschuldung befinden, was bedeutet, dass die Zinsen niedrig werden müssen und Gold weiterhin attraktiv sein wird. In den vergangenen drei Jahren hat sich diese Einschätzung bewahrheitet, und ich sehe keinen Grund, meine Meinung jetzt zu ändern.
Trump hat eine Bitcoin-Reserve für die USA verkündet. Hat das Auswirkungen auf den Goldpreis?
Louvet: Nur wenn Trump diese neue Reserve durch den Verkauf von Gold finanzieren wollte, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Er hat mittlerweile erklärt, dass die Reserven nur mit eingefrorenen Vermögenswerten und beschlagnahmten Kryptowährungen geschaffen werden sollen.
Es gibt jedoch viele Fragezeichen bezüglich Trumps Plänen für Gold. Interessanterweise wird Gold in der Bilanz der Federal Reserve mit nur 42 Dollar pro Unze bewertet – dem Wert aus den frühen 1970er Jahren. Trump könnte diesen Wert auf den aktuellen Marktpreis anheben, was der Fed einen Zugewinn von etwa 800 Milliarden Dollar bescheren würde. Er könnte dieses Geld nutzen, um seinen geplanten Staatsfonds zu finanzieren.
Kommen wir zu Silber. Was halten Sie von dem Edelmetall als Alternative für Anleger?
Louvet: Ich muss sagen, dass wir bei Silber sogar noch positiver gestimmt sind als bei Gold. Dies hat zwei Gründe: Erstens ist das Angebot seit Jahren eingeschränkt. Die Spitzenproduktion wurde 2019 erreicht, und seitdem ist es uns nicht gelungen, die Produktion wieder auf dieses Niveau zu bringen. Da in den vergangenen 20 Jahren keine größeren neuen Minen entdeckt wurden, wird die Produktion wahrscheinlich weiter sinken und die Produktionskosten steigen.
Interessanter ist die Nachfrageseite. Der Silbermarkt hat sich im vergangenen Jahrzehnt komplett verändert. Silber besitzt besondere physikalische und chemische Eigenschaften – es ist das leitfähigste Metall für Elektrizität, besser als Gold und Kupfer. Daher wird es in vielen Technologien verwendet, insbesondere in kohlenstoffarmen Technologien wie Solaranlagen und Elektrofahrzeugen.
Vor 15 Jahren, im Jahr 2010, steckten die Solar- und Elektrofahrzeugindustrie noch in den Kinderschuhen und verbrauchten praktisch kein Silber. Im vergangenen Jahr machte die Silbernachfrage aus diesen beiden Industrien 30 Prozent der weltweiten Silberproduktion aus. Und das ist erst der Anfang: Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, müssten wir jährlich mindestens doppelt so viele Solarmodule installieren wie im letzten Jahr und fünf- bis sechsmal mehr Elektrofahrzeuge verkaufen.
Die Konsequenz: Der Silbermarkt weist seit vier Jahren in Folge ein Defizit auf. 2025, 2026 und 2027 wird es weitere Defizite geben. Anders als bei fossilen Brennstoffen verschwindet Silber nicht, wenn es verbraucht wird, sondern behält seine Eigenschaften. Daher können Lagerbestände auf den Markt gebracht werden, um ein Gleichgewicht herzustellen. Aber nach vier Jahren mit Defiziten gehen die Lagerbestände zurück.
Was bedeutet das für die Preisentwicklung?
Louvet: Im Jahr 2000 lag der Goldpreis bei etwa 250 US-Dollar pro Unze und stieg bis 2011 auf 1.900 Dollar. Im selben Zeitraum stieg der Silberpreis von 7 bis 8 Dollar auf 50 Dollar. Heute liegt der Goldpreis bei 3.200 Dollar, der Silberpreis jedoch nur bei 33 Dollar. Es gibt also eine große Diskrepanz in der Performance. Ich denke, diese Lücke wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich geschlossen werden, aufgrund der neuen Nachfrage im Zuge der Energiewende.
Kurz gesagt: Wir sind sehr, sehr positiv für Silber eingestellt, sogar mehr als für Gold. Es ist einer der Top-Picks in unserem Portfolio, und wir glauben, dass der Silberpreis das Potenzial hat, bis Ende dieses Jahres auf etwa 37 bis 38 US-Dollar pro Unze zu steigen und danach wahrscheinlich noch höher.
Gibt es noch andere Metalle, die 2025 Chancen bieten?
Louvet: Natürlich, viele. Ich möchte Ihnen nur eines nennen, das in unserem Portfolio noch besser abschneidet als Silber und Gold – und das ist Kupfer.
Kupfer ist das Schweizer Taschenmesser der Energiewende – man braucht es überall. In Windturbinen stecken je nach Größe zwischen 950 Kilo und fünf Tonnen Kupfer. Es wird in Ladegeräten für Elektrofahrzeuge verwendet, in den Fahrzeugen selbst – ein Elektroauto enthält viermal mehr Kupfer als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Zudem findet man es in Stromnetzen, in Solaranlagen, einfach überall.
Die Internationale Energieagentur (IEA) hat vor einigen Monaten in einem Bericht festgestellt, dass es weltweit 250 aktive Kupferminen gibt. Um genügend Kupfer für die Umsetzung des Pariser Abkommens zu haben, müssten wir zusätzlich 80 neue Kupferminen in der durchschnittlichen Größe der heutigen Minen errichten. Allerdings dauert die Entwicklung einer neuen Mine durchschnittlich 17 Jahre. Die IEA hat daher erklärt, dass diese 80 neuen Minen noch vor Ende 2025 durch Investitionsentscheidungen genehmigt werden müssten. Heute gibt es jedoch keine einzige neue Kupfermine, die für Investitionen in Betracht gezogen wird.
In einer anderen Studie prognostizierte die IEA, dass es 2030 auf dem Kupfermarkt eine Angebotslücke von 20 Prozent geben wird – das entspricht etwa sechs bis sieben Millionen Tonnen Kupfer pro Jahr. Da man auf dem Rohstoffmarkt jedoch keine Menge verbrauchen kann, die nicht vorhanden ist, muss ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hergestellt werden. Die einzige Möglichkeit dazu ist ein deutlicher und schneller Anstieg des Kupferpreises.
Welche Auswirkungen hätte das?
Louvet: Ein höherer Preis kann zwei Effekte auslösen: Entweder wird die Nachfrage zerstört, weil der Preis zu hoch ist, oder die Produktion wird angekurbelt, weil der Preis höher ist und die Produzenten mehr Geld verdienen. Da wir die Energiewende vollziehen müssen – und wir wissen, dass es teurer wäre, sie nicht durchzuführen – wird der erste Effekt wahrscheinlich nicht funktionieren. Der zweite Effekt braucht Zeit, da die Entwicklung einer neuen Mine 17 Jahre dauert.
Der Kupferpreis wird daher wahrscheinlich über einen langen Zeitraum hinweg steigen. Dies ist vermutlich einer der besten Trends, die wir in diesem Jahrhundert auf dem Markt sehen werden. Diese Ansicht teilt auch Jeff Currie, der ehemalige Leiter der globalen Rohstoffabteilung bei Goldman Sachs, der in einem Interview sagte, dass der Trend bei Kupfer wahrscheinlich der beste Trend sein werde, den er in seiner Karriere je gesehen habe.
Abschließend möchte ich noch etwas Wichtiges hinzufügen: Ich glaube, dass Metalle, die für die Energiewende entscheidend sind, wahrscheinlich der beste Weg sind, um von dieser Wende zu profitieren. Man kann zwar in Unternehmen investieren, die saubere Energie produzieren oder Windturbinen herstellen, aber hier gibt es einen harten Wettbewerb zwischen europäischen, amerikanischen und chinesischen Unternehmen. Wer diesen Kampf gewinnt, ist ungewiss.
Aber egal wer gewinnt – sie alle werden dieselben Metalle verwenden. Wenn Sie also glauben, dass die Energiewende einen höheren Metallverbrauch bedeutet, ist es besser, sich in Metallen zu engagieren als in Unternehmen, die dieser Energiewende dienen.
Über Benjamin Louvet
Benjamin Louvet ist seit Oktober 2015 bei Ofi Invest Asset Management als Head of Commodities tätig. Zuvor war er stellvertretender Geschäftsführer des Vermögensverwalters Prim Finance, den er 2002 gründete und bei dem er Leiter des Front Office und des Researchs war. Benjamin Louvet begann seine berufliche Laufbahn 1995 mit dem Verkauf von Derivaten, bevor er zu den Teams für quantitative Managementstrategien der BNP Paribas-Gruppe stieß. Er hat einen Master-Abschluss in Finanzmanagement.



