Abflüsse bei ETFs, Kaufrausch bei Notenbanken Goldpreis tanzt um 2.000-Dollar-Marke – wie es nun weitergeht
Der Goldpreis hat in jüngster Zeit eine bemerkenswerte Rally erlebt, zeitweise stieg er um fast zehn Prozent auf über 2.000 US-Dollar. Dieser Anstieg wurde durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel ausgelöst, der geopolitische Unsicherheiten hervorrief und Investoren dazu veranlasste, sich in das als sicher geltende Edelmetall zu flüchten. Ein Effekt, der jedoch nur von kurzer Dauer sein dürfte: In der Vergangenheit wirkten sich geopolitische Krisen nur kurzzeitig auf den Goldpreis aus.
Doch wo wird sich der Goldpreis hin entwickeln? Neue Daten des World Gold Council (WGC) geben Einblicke in die Dynamik hinter den Kulissen.
ETF-Abflüsse und Zinsen drücken Goldpreis
Einer der Hauptfaktoren, die den Goldpreis derzeit belasten, sind die hohen Zinsen. Gold wirft keine laufenden Erträge ab und verliert daher im Vergleich zu anderen als sicher geltenden Geldanlagen an Attraktivität, wenn die Zinsen steigen. „Gold ist faul“, fasste es einst Warren Buffett zusammen.
Sowohl die US-Notenbank Federal Reserve als auch die Europäische Zentralbank (EZB) haben ihre Zinsen in jüngster Zeit hochgehalten, was die Nachfrage nach Gold gedämpft hat. Ein Kurswechsel der Notenbanken ist somit zumindest kurzfristig nicht zu erwarten.
Ein weiterer Faktor, der den Goldpreis drückt, sind Abflüsse aus mit physischem Gold besicherten Indexfonds (ETFs). Im dritten Quartal beliefen sich diese Abflüsse auf mehr als 139 Tonnen, was den Goldpreis zusätzlich belastet hat. Die Bestände reduzieren sich kontinuierlich seit Mai.
„Dieses Verhalten ist absolut verständlich, da ETF-Investoren als tendenziell trendfolgende Anleger bekannt sind und mit der restriktiven Geldpolitik der Notenbanken wenig Argumente pro Gold zur Hand hatten“, erklärte Daniel Rauch, Portfoliomanager des Rohstofffonds LBBW Rohstoffe 1 bei der LBBW, vor Kurzem in einem Gastbeitrag.
Notenbanken stützen Goldpreis
Auf der anderen Seite gibt es auch Faktoren, die den Goldpreis antreiben. Dazu gehört die starke Nachfrage der Zentralbanken, die aktuellen Zahlen des World Gold Council zufolge im dritten Quartal 337 Tonnen Gold gekauft haben. Es war das drittstärkste Quartal mit Nettokäufen.
Vor allem Chinas Zentralbank deckte sich mit Gold ein, insgesamt kaufte sie im dritten Quartal 78 Tonnen. Auch die Zentralbanken aus Polen, der Türkei und Singapur haben dem Bericht der Lobbyorganisation zufolge große Mengen Gold gekauft.
Insgesamt hat die Nachfrage im bisherigen Jahresverlauf 800 Tonnen erreicht. Und die Experten vom World Gold Council erwarten, dass der Kaufrausch der Zentralbanken auch für den Rest des Jahres anhält. In einer Umfrage unter den Zentralbankchefs zu Jahresbeginn, an der 57 Zentralbanken teilnahmen, sprach sich die überwältigende Mehrheit von 71 Prozent für einen Ausbau der Goldreserven aus.
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Unklarer Ausblick
Trotz der jüngsten Rally bleibt das Umfeld für Gold rau. So rechnen die Teilnehmer der diesjährigen Global Precious Metals Conference der London Bullion Market Association damit, dass der Preis in den nächsten zwölf Monaten bei 1990 Dollar liegen wird - und damit auf dem derzeitigen Niveau. Die 2000-Dollar-Marke wird der Goldpreis den Experten zufolge also nicht nachhaltig überwinden.
„Erst wenn sich – mit der von uns erwarteten Abschwächung der US-Konjunktur – eine Wende in der US-Zinspolitik abzeichnet, sehen wir nachhaltig weiter steigende Goldpreise“, wird Commerzbank-Analystin Barbara Lambrecht vom „Handelsblatt“ zitiert.
Kirill Kirilenko, Edelmetall-Analyst beim Londoner Beratungsunternehmen CRU, hält den Einfluss der US-Notenbank Fed auf den Goldpreis hingegen vorerst für überschaubar. „Da die Fed im nächsten Jahr in der Warteschleife bleibt, wird die US-Geldpolitik kein wichtiger Faktor für Gold sein.“
Und Adrian Ash, Research-Chef des Goldhändlers Bullionvault, erklärt: „Langfristig hilft die Konsumentennachfrage zusammen mit der Zentralbanknachfrage dabei, einen Boden für den Goldpreis zu bilden.“
Goldnachfrage in Deutschland sinkt rapide
Doch die Konsumentennachfrage ist derzeit kein Treiber. Denn während sich die Zentralbanken im großen Stil mit Gold eindecken, lagen die Investments in Goldmünzen und -barren in diesem Quartal 14 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Mit 296 Tonnen liegt sie zwar noch immer über dem Fünfjahresschnitt von 267 Tonnen. Doch vor allem in Europa werden starke Rückgänge verzeichnet, zeigen die Zahlen des World Gold Council.
In Deutschland haben Anleger 73 Prozent weniger Goldbarren und -münzen als im Vorjahreszeitraum gekauft. Das liegt auch an der Debatte rund um das Heizungsgesetz. „Die deutschen Anleger halten sich derzeit mit Investitionen zurück, weil sie lieber Cash-Reserven vorhalten, etwa falls die Heizkosten steigen oder sie ihr Eigenheim für die Energiewende umbauen müssen“, erklärt WGC-Analyst Krishan Gopaul gegenüber dem „Handelsblatt“.
Als Baustein eines diversifizierten Portfolios habe Gold jedoch unbestritten weiterhin eine Berechtigung, so LBBW-Portfoliomanager Rauch. „Wie immer geht es bei Anpassungen im Portfolio aber auch um das richtige Timing und hier sehen wir derzeit noch keinen akuten Handlungsbedarf, um die Position aufzustocken. Vermutlich werden sich bis zum Jahresende günstigere Einstiegschancen bieten.“