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Großartige Anlagemöglichkeit Disruption schafft neue Chancen

Hugo Scott-Gall, Leiter des Thematic Research Teams Europa, bei Goldman Sachs
Hugo Scott-Gall, Leiter des Thematic Research Teams Europa, bei Goldman Sachs
Der Begriff der Disruption (Zerstörung) dürfte mittlerweile ebenso überbeansprucht sein, wie er von Bedeutung ist. Deshalb sei er an dieser Stelle zunächst einmal definiert: Unter „Disruption“ verstehen wir eine Veränderung der relativen Kosten, Möglichkeiten beziehungsweise Vorteile eines Produktes oder einer Dienstleistung, die so durchschlagend sind, dass sie in der betroffenen Branche zu einer Reduzierung oder Umverteilung des Umsatz- und Gewinnpools führen.

Disruption bietet ferner großartige Anlagemöglichkeiten – nicht nur in Bezug auf die disruptiven Innovatoren selbst, sondern auch – und oft noch wichtiger – in Bezug auf die etablierten Anbieter, die der Gefahr einer Marktverdrängung am stärksten ausgesetzt sind. Die Vergangenheit hat für uns diesbezüglich einige nützliche Erkenntnisse parat.

Oft aber bedeutet das Investieren in Disruption Neuland und ist als solches auch mit neuen Unwägbarkeiten in puncto Auswirkung, Wahrscheinlichkeit und Zeitrahmen verbunden.

Nehmen wir beispielsweise einen wissenschaftlichen Durchbruch – sprich einen bedeutenden technischen Entwicklungssprung, in dessen Folge die Nachfrage nach dem bestehenden Produkt (zum Beispiel Digitalkamera, Telefon, Atomenergie) sinkt.

Die Problemlösung der Energiespeicherung etwa wäre unserer Meinung nach ein ungeheuer wichtiger Durchbruch – nicht nur für die fossilen Brennstoffe und die erneuerbaren Energien, sondern auch auf Branchen- und Länderebene. Andere potenzielle Bereiche disruptiver Innovation sind zum Beispiel die Immunonkologie bei der Krebsbehandlung, Anwendungen für Graphen und wasserstoffbasierte Brennstoffe.

Disruption kann auch durch einen Zusammenfluss entstehen, wenn etwa mehrere Technologien interagieren und daraus dann neue Möglichkeiten und Geschäftsmodelle erwachsen. In der jüngeren Vergangenheit war ein solches Zusammenwirken gerade in den Bereichen Musik (Digitalisierung und Internetkonnektivität) und Onlinehandel (vernetzte Geräte, Logistik und Zahlungstechnologie) zu beobachten.

Da Sensoren immer billiger und leistungsfähiger werden, haben intelligente, vernetzte Maschinen („Internet der Dinge“) gute Chancen, Industrie- und Verbraucheranwendungen disruptiv zu revolutionieren. Die Drahtlos-Technik und die moderne Robotik könnten die Grundlage bilden, auf der in Zukunft zahlreiche neue Lösungen entwickelt werden.

Eine weitere Form der Disruption ist die Billigkonkurrenz. Im klassischen Fall kommen hier neue Anbieter mit einem ähnlichen, aber häufig minderwertigeren und günstigeren Produkt auf den Markt, wie bei Billigairlines und günstigen Containerverschiffungen. Auf Länderebene liefert China ebenfalls ein gutes Beispiel, das nach seinem WTO-Beitritt dank Niedrigkosten zu einem wirtschaftlichen Kraftpaket avancierte.

In Branchen, wo wir kostengünstige Alternativen auftauchen sehen, verhält es sich zunehmend meistens so, dass die Technologie zumindest eine Teilursache darstellt. Denken wir beispielsweise an ETFs, das Phänomen der Sharing Economy und Crowdsourcing.

Eine wichtige Disruptionsquelle kann schließlich auch aus dem Bestreben hervorgehen, Engpässe zu lösen. Anders formuliert: Hohe Preise oder Angebotsknappheiten können einen Anreiz bieten, in die Problemlösung zu investieren, wodurch sich am Ende die Marktanteile spürbar zulasten des ursprünglichen Produktes verschieben.

Eine wichtige Disruptionsquelle


Das beste Beispiel in jüngster Zeit ist die Schieferrevolution in den USA, motiviert durch die hohen Ölpreise. Aber auch das zuletzt zunehmend gefragte „Nickel Pig Iron“ (Nickelroheisen von geringerer Qualität) hat Charme. Drohende Engpässe, die einer Lösung bedürfen, ergeben sich derzeit durch den Anreiz für technologische Bemühungen zur CO2-Abscheidung und -Speicherung aus der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelnachfrage und dem demografischen Wandel.
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