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Großbritanniens EU-Austrittspläne Die „Brexmas“-Wahl ist erst der Anfang

Für Aufsehen sorgt im Vereinigten Königreich gerade die „Brexmas“-Wahl, ein Wortspiel aus „Brexit“ und „Christmas“, denn: Am 12. Dezember, kurz vor Weihnachten, wählen die Briten ein neues Parlament. Mit dieser Wahl will sich der britische Premier Boris Johnson ein Mandat sichern. Und er plant, das mit der Europäischen Union (EU) ausgehandelte Austrittsabkommen durch das Parlament zu boxen. Sollte Johnsons Plan aufgehen, würde das Vereinigte Königreich die EU bis zum 31. Januar 2020 verlassen – theoretisch. Ein Klärungsprozess über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU dürfte damit in Gang kommen.

Die britischen Finanzmärkte haben dieses Szenario bereits weitgehend eingepreist. Zudem signalisieren die jüngsten Umfragewerte, dass die Aussichten für Johnson gut sind. In Meinungsumfragen liegt seine Konservative Partei deutlich vor der Labour-Partei. Dennoch ist bisher nichts in trockenen Tüchern: Auch Theresa May hatte im Wahlkampf des Jahres 2017 zunächst vorn gelegen. Diesen Vorsprung hatte sie aber bis zum Wahltag wieder eingebüßt.

Kommt ein Austritt ohne Abkommen?

Darüber hinaus sind zwei Szenarien möglich, die Boris Johnsons geregelten Brexit verhindern können:

  • Erstens: Sollte die Summe der von den Konservativen und der Brexit-Partei gewonnenen Parlamentssitze mehrheitlich zugunsten der Befürworter eines harten Brexits ausfallen, wäre ein Austritt ohne Abkommen möglich. Dasselbe gilt für den Fall, dass die Brexit-Partei eine Mehrheit erringt.
  • Zweitens: Sollte Labour gewinnen oder, was wahrscheinlicher ist, keine Partei eine ausreichende Regierungsmehrheit erhalten, liefe die einzige Lösung auf ein zweites Referendum hinaus.

Das erste Szenario wird vermutlich zu einer Abwertung des britischen Pfunds, einem Rückgang bei den Renditen für britische Staatsanleihen und zu Kursverlusten am britischen Aktienmarkt führen. Vor allem Papiere binnenwirtschaftlich orientierter Unternehmen bekämen dies zu spüren. Dagegen dürfte die Aussicht auf einen zweiten Volksentscheid und einen Verbleib Großbritanniens in der EU das britische Pfund und britische Aktien stützen.

Umfragen signalisieren Zugewinne für Konservative

Wohin die Reise für Großbritannien geht bleibt noch unklar, weil hier viele Faktoren zusammenwirken: Parlamentsabgeordnete sind zurückgetreten oder haben die Partei gewechselt. Es haben sich verschiedene Bündnisse zwischen den Parteien gebildet. Und auch Wähler wechseln immer wieder zwischen den Parteien, um ihre Brexit-Präferenzen auszudrücken. Einzig Umfragedaten, Parteienbündnisse und Erkenntnisse aus den Wahlen von 2017 liefern gute Hinweise auf einen zumindest wahrscheinlichen Wahlausgang.

Demnach könnte die Konservative Partei – zusätzlich zu ihren derzeit 298 Sitzen – 49 Mandate hinzugewinnen. Damit käme sie auf insgesamt 347 Sitze. Labour könnte hingegen 44 verlieren und hätte damit nur noch 199 Abgeordnete im Parlament. Da die Brexit-Partei wahrscheinlich weiterhin nicht im Parlament vertreten sein dürfte, würde das Ergebnis für eine konservative Mehrheit von 44 Sitzen reichen. Die parlamentarische Zustimmung wäre Johnsons Brexit-Abkommen damit sicher, sodass Großbritannien die EU bis zum 31. Januar 2020 verlassen könnte.

Aufgrund des britischen Wahlrechts könnten zwei Bündnisse allerdings zu einem anderen Ergebnis führen. Die „Remain-Allianz“ aus Liberaldemokraten, Green Party und der walisischen Nationalpartei Plaid Cymru hält 60 Sitze in England und Wales. Allerdings dürfte dieses Bündnis lediglich eine begrenzte Wirkung entfalten.

Die Entscheidung der Brexit-Partei, nicht in denjenigen Wahlbezirken zu kandidieren, die 2017 an die Konservativen gingen (was Invesco als „Bündnis“ klassifiziert), dürfte den Konservativen zusätzliche Sitze sichern. Dies ginge auf Kosten der Liberaldemokraten. Die Brexit-Partei wird vermutlich auch nach der Wahl keine Abgeordneten stellen.

Wie lange währt die Erleichterungsrally?

Auf einen geregelten Brexit dürften die britischen Finanzmärkte erleichtert reagieren, auch wenn die Erleichterungs-Rally an den Märkten nur von kurzer Dauer sein dürfte. Aber selbst wenn es zu einem geregelten Brexit kommt, würde die eigentliche Arbeit erst noch beginnen – es müssen die künftigen Beziehungsmodalitäten zwischen Großbritannien und der EU verhandelt werden. Boris Johnson hat bereits angemerkt, dass die Übergangsphase nicht über 2020 hinaus andauern soll. Ob diese Einschätzung realistisch ist, steht auf einem anderen Blatt.

Tatsächlich dürfte es sehr viel länger dauern, bis Großbritannien und die EU ein Handelsabkommen vereinbart haben. Irgendetwas könnte auf der Strecke bleiben: Entweder wird die Frist verlängert. Oder Großbritannien verlässt die EU am Ende der Übergangsphase ohne Abkommen. Ein ungeregelter Brexit ist also immer noch möglich. Könnten die Märkte einen geregelten Brexit noch bis zum Jahresende 2019 als eher gute Nachricht verbuchen, kämen weitere Verunsicherungen an den Märkten automatisch im Folgejahr.

Die Volatilität wird 2020 zunehmen

Zwar hat sich das britische Pfund in den vergangenen Monaten sichtbar erholt. Dennoch wird es 2020 vermutlich wieder zu einer erhöhten Volatilität an den Märkten kommen. Sollte Schottland auf ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum und noch mehr Nordiren auf eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland drängen, könnte sich die Volatilität noch weiter verstärken, denn sowohl Schottland als auch Nordirland haben für einen Verbleib in der EU gestimmt.

Also Vorsicht: Die Stimmung der britischen Bürger kann sich während des Wahlkampfs immer noch ändern; Meinungsumfragen sind hier eher unzureichend für aussagekräftige Prognosen. Allerdings müsste viel passieren, damit die Konservativen keine Mehrheit erhielten.

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