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Großes Roundtable-Gespräch 6 Vermögensverwalter über Aktien, Risiken, ETFs und Fintechs

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Starker Dollar, schwacher Euro: Das ist ganz im Sinne der EZB. Haben Sie eine Prognose, wo der Euro-Kurs hingeht?

Scholl: Nein, eine Prognose wäre hier aus meiner Sicht nicht seriös. Wir sind aus Euro-Sicht schon gegenüber vielen Hauptwährungen unterhalb der Kaufkraftparität angelangt. Denken Sie nur an den Schweizer Franken. Ein schwacher Euro ist sicherlich zunächst schön für die europäische Exportwirtschaft, aber damit werden hier auch die Strukturprobleme ein wenig zugedeckt. Auch hier wieder die Schweiz: Trotz stetiger Aufwertung hat die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gemäß OECD gegenüber den meisten anderen Industriestaaten deutlich zugenommen.

Leber: Grob gesprochen, wirken zwei Kräfte auf den Euro. Die eine ist, dass die europäische Wirtschaft relativ ordentlich dasteht: Die Firmen, die wir uns in Europa anschauen, sind gut aufgestellt. Und gegen den Euro spricht die europäische Politik, die wirklich gnadenlos selbstzerstörerisch ist. Das hält sich die Waage. Es ist schwer zu sagen, was am Ende dabei herauskommt.

Kämmerer: Europa sieht gegenwärtig fast stabiler als die USA aus, die jetzt doch eher eine abflauende Wachstumsdynamik haben. Ich glaube schon, dass die Europäische Zentralbank da einen wesentlichen Punkt hinzutut. Aber, wie schon gesagt wurde: Das tut natürlich allen weh, die einen Return auf Rentenbasis erzielen müssen.

Berghorn: Ich halte das alles für richtig, es gibt aber einen Aspekt zu den USA, den ich betonen möchte. Wir haben es mit einer Transformation zu tun: das ist die Digitalisierung und die Vernetzung, also die Industrie 4.0. Die wird unseres Erachtens nur in den USA vorangetrieben. Dagegen ist Europa eher unterentwickelt.

Schill: Das sehe ich ein bisschen differenzierter. Die großen Netzwerke sind sicherlich nicht mehr einholbar, nicht zuletzt aufgrund marginaler Grenzkosten. Ein zusätzlicher Kunde kostet Google heute kaum einen zusätzlichen Dollar. Aber bei den Industriestandards tut sich sehr viel in Europa. Und die Transformation von der Industrie hin zur Digitalisierung findet heute in allen Stufen der Wertschöpfungskette statt, also bei Beschaffung, Produktion, Absatz – da finden Sie auch schon sehr viele sehr gute Beispiele in Europa.

Leber: Ich habe neulich Prospekte von der Firma Elgato aus München in der Hand gehabt. Deren Geschäftsbereich ist vernetzte Haustechnik – etwas, was zum Beispiel Nest in den USA auch macht. Elgato hat tolle Produkte, aber sie haben keine Chance, weil die Amerikaner in einem Riesenmaßstab skalieren, und die Deutschen konzentrieren sich nur auf den hiesigen Markt. Der Mut und die Fähigkeit zur Skalierung fehlt in Europa komplett.

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