Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Grüne Geldpolitik
Jörn Quitzau ist Volkswirt und Leiter des Bereichs Wirtschaftstrends bei der Berenberg Bank. Foto: Berenberg
Seit einiger Zeit erwägt die Europäischen Zentralbank, ihre Geldpolitik „grün“ zu gestalten. Doch kann die Notenbank überhaupt einen Beitrag zu europäischen Klima- und Umweltzielen leisten? Und sollte sie das vor dem Hintergrund ihrer eigentlichen Funktionen auch tun? Ein Gastbeitrag von Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau.
Sabine Mauderer, Mitglied im Vorstand der deutschen Bundesbank, hat sich bei der Veröffentlichung eines unter ihrer Verantwortung erstellten Berichts des NGFS (Network for Greening the Financial System) ähnlich wie Isabel Schnabel geäußert.6 Ihr zufolge sei nicht zu handeln keine Option.7 Sie kommt zu dem Schluss, dass es mit entsprechender Datenfülle und -qualität möglich sei, Klimarisiken im geldpolitischen Entscheidungsprozess angemessen zu berücksichtigen – auch wenn die entsprechende Umsetzung ein hohes Maß an Komplexität aufweise. Es sei allerdings weiterhin Aufgabe der Notenbanken selbst zu entscheiden, welche konkreten Maßnahmen jeweils „am besten mit ihrem Mandat vereinbar seien“.8
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Sabine Mauderer, Mitglied im Vorstand der deutschen Bundesbank, hat sich bei der Veröffentlichung eines unter ihrer Verantwortung erstellten Berichts des NGFS (Network for Greening the Financial System) ähnlich wie Isabel Schnabel geäußert.6 Ihr zufolge sei nicht zu handeln keine Option.7 Sie kommt zu dem Schluss, dass es mit entsprechender Datenfülle und -qualität möglich sei, Klimarisiken im geldpolitischen Entscheidungsprozess angemessen zu berücksichtigen – auch wenn die entsprechende Umsetzung ein hohes Maß an Komplexität aufweise. Es sei allerdings weiterhin Aufgabe der Notenbanken selbst zu entscheiden, welche konkreten Maßnahmen jeweils „am besten mit ihrem Mandat vereinbar seien“.8
Francois Villeroy de Galhau, Präsident der französischen Notenbank, positioniert sich noch klarer für eine „grüne“ Geldpolitik. Die Berücksichtigung des Klimawandels durch die EZB sei weder eine missbräuchliche Auslegung ihres Mandats, noch sei das Thema lediglich eine Modeerscheinung. Die Berücksichtigung des Klimawandels müsse aktiver Bestandteil der EZB-Entscheidungen sein, um auch künftig eine effektive Geldpolitik gewährleisten zu können. Denn klimainduzierte Schocks, so Villeroy, hätten letztlich auch einen erheblichen Einfluss auf die Preisstabilität, welchem die Notenbanken zum Zeitpunkt ihres Eintretens allerdings nur wenig entgegenzusetzen haben. Präventiv zu handeln sei da-her von fundamentaler Bedeutung.9
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann nimmt gegenwärtig eine moderate Rolle ein und stellt die Dimension des Problems in den Vordergrund. Die EZB könne in Sachen Klimaschutz mit einem Auftrag bedacht werden, der ihre Möglichkeiten übersteigt. Dies ist als Bekenntnis für das primäre Ziel der Notenbank zu verstehen: Die EZB sollte sich darauf konzentrieren, die Preisstabilität zu gewährleisten. Wenn es darum geht, den Planeten vor einer Klimakatastrophe zu retten, so Weidmann, haben auch Zentralbanken kein Zaubermittel zur Hand.10
Die Dringlichkeit des Klimaschutzes wird von führenden Zentralbankvertretern einhellig anerkannt. Die Währungshüter können und wollen das Thema offenkundig nicht völlig ausblenden. Allerdings ist ungewiss, mit welchen konkreten Maßnahmen die EZB einen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnte. Die Zentralbank ist nur eingeschränkt handlungsfähig, auch weil sie mögliche Zielkonflikte zwischen einer „grünen“ Geldpolitik und ihrem primären Auftrag der Preisniveaustabilität berücksichtigen muss.
Insgesamt spricht die komplizierte Gemengelage dafür, dass die EZB ein starkes Bekenntnis zur eigenen ökologischen Verantwortung abgeben wird, wenn sie im zweiten Halbjahr die Ergebnisse ihrer Strategieüberprüfung vorstellt. Das verbale Bekenntnis dürfte allerdings deutlich stärker ausfallen als die konkreten geldpolitischen Maßnahmen, die aus diesem grundsätzlichen Bekenntnis zu erwarten sind.
6 https://www.ngfs.net/en/communique-de-presse/ngfs-pre- sents-options-central-banks-adapt-monetary-policy-operations
7 https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/neuer-ngfs- bericht-zeigt-massnahmen-zum-umgang-mit-klimarisiken-auf- 862446
8 https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/themen/neuer-ngfs- bericht-zeigt-massnahmen-zum-umgang-mit-klimarisiken-auf- 862446
9 In seiner Rede im Rahmen einer Konferenz der französischen Notenbank unter dem Titel „Climate Change and Sustainable Finance“ vom 11.02.2021 legt er seine Positionen noch einmal ausführlich dar: https://www.bis.org/review/r210211g.pdf
10 Weidmann, Jens (2020), „Central banks cannot solve climate change on their own“, Financial Times vom 19.11.2020.
Bereits Ende 2019 meldete sich Otmar Issing, ehemaliger Chef- volkswirt und ehemaliges Direktoriumsmitglied der EZB, mit ähnlicher Stoßrichtung zu Wort. Er stellte heraus, dass man die EZB nicht mit politischer Unabhängigkeit bedacht habe, damit sie im Nachgang ihr Mandat selbstständig erweitert. Und konkretisierte schlussfolgernd, eine „grüne“ Geldpolitik könne „[...] es daher nicht geben. Ein Politikbereich, der weit außerhalb des eigentlichen Mandats der Notenbanken liegt, hat in der Geldpolitik nichts zu suchen.“
Siehe dazu Issings Gastbeitrag vom 12.12.2019 in der Wirtschaftswoche unter dem Titel „Eine grüne Geldpolitik kann es nicht geben“.
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