DAS INVESTMENT: Herr Bader, Sie fallen in der Versicherungsbranche durch sehr klare, manchmal auch unbequeme Aussagen auf. Was treibt Sie dabei an?
Guido Bader: Ich habe von jeher immer ein klares Wort gefunden und rede nicht um den heißen Brei herum. Dabei scheue ich mich auch nicht, in der Öffentlichkeit Stellung zu beziehen. Das hat im Laufe der Zeit dazu geführt, dass ich zu einem gefragten Gesprächspartner für die Presse wurde.
Dabei bewege ich mich nicht auf irgendwelchen Randgebieten, sondern konzentriere mich auf die branchenspezifischen Fachthemen, das sieht man zum Beispiel an meinem Linkedin-Profil. Ich bekomme dafür häufig positive Rückmeldungen, zum Beispiel bei Vorträgen. Viele sagen mir: Endlich einer, der sich traut, das auszusprechen, was jeder denkt.
Können Sie sich an besonders polarisierende Momente erinnern?
Bader: Bei einem Fachkongress habe ich mich einmal sehr kritisch geäußert. Ich habe sehr markante Aussagen zur DORA-Verordnung gemacht. 70 bis 90 Prozent der Vorgaben dienen nicht der IT-Sicherheit, sondern sind reiner Formalismus. Das zentrale Thema dabei, das mir sehr am Herzen liegt, ist die Überbürokratisierung, die keinerlei Nutzen bringt.
Ihre Thesen entsprechen ja weitgehend der Haltung anderer Branchenvertreter, gerade beim Thema Regulierung. Treffen Sie auch auf echten Widerspruch, etwa von Seiten des Verbraucherschutzes?
Bader: Ich scheue keine Diskussionen mit dem Verbraucherschutz. Diese Gespräche finde ich sehr wertvoll. Es gibt durchaus Punkte, bei denen wir unterschiedliche Meinungen vertreten. Manchmal sehe ich aber auch Dinge ähnlich wie die Verbraucherschutz-Seite, was die Branche dann vielleicht nicht so gut findet.
Als Versicherungsverein sind wir ohnehin unseren Versicherungsnehmern verpflichtet. Vielleicht sind wir deswegen dem Verbraucherschutz näher oder sehen uns als Verbraucherschützer des Kollektivs. Da trifft man schon mal auf Widerspruch.
Das Image der Versicherungsbranche ist bekanntlich nicht das Beste. Bräuchte es nicht mehr Selbstkritik?
Bader: Der Branche täte ein bisschen mehr Selbstkritik durchaus gut. Es werden viele Dinge gemacht, die ich für unvernünftig halte – angefangen bei punktuell nicht angemessenen Provisionshöhen. Manche Sachen, die in der Branche passieren, sehe ich kritisch. Was die Bafin momentan mit der Wohlverhaltensaufsicht macht, finde ich genau richtig. Bei der Aussage werden mir nicht alle Kollegen zustimmen. Aber es ist wichtig und richtig, dass man einschreitet, wo es Missstände gibt.
Wir müssen dort, wo wir selbst sehen, dass etwas nicht gut läuft, das auch klar benennen. Kostenquoten, die bei drei bis vier Prozent Renditeminderung liegen, oder Kickbacks aus Fonds an Vermittler – solche Produkte würde ich bei der Stuttgarter nicht einführen.
Wie stehen Sie zum Vorschlag des Vermittlerverbands BDVM für einen Provisionsdeckel bei gleichzeitiger Erhöhung der laufenden Provisionen?
Bader: Die Provision sollte immer der tatsächlichen Arbeitsleistung entsprechen. Bei einem Produkt wie der Berufsunfähigkeitsversicherung erbringt man zu Beginn eine sehr hohe Beratungsleistung – Gesundheitsprüfung, Rentenhöhe, Anbieterauswahl oder Bedingungsvergleich. Dafür braucht es vorne auch eine ordentliche Bezahlung. Eine stattdessen höhere laufende Courtage finde ich in diesen Fällen schwierig.
Der BDVM kommt ja stark aus dem Industriegeschäft, wo jährlich beraten und auch bereits viel mit Honoraren gearbeitet wird. Das ist ein anderes Geschäftsmodell als das eines Einzelmaklers, der seine Kunden betreut. Wenn ein Vertrag normal läuft, kommt es vielleicht erst im Leistungsfall wieder zu einer Unterstützung. Das kann nicht in gleicher Weise vergütet werden. Es muss einfach zum Produkt passen.
Ganz grundsätzlich bin ich ein großer Freund des Provisionssystems, weil es einen wichtigen sozialen Ausgleich schafft. Es darf nur nicht missbraucht werden. Kunden, die einen kleinen Riester-Vertrag abschließen, können keine fünf Stunden Beratung à 150 Euro bezahlen, sondern nur eine relativ kleine Provision über ihren Betrag. Ein Kunde mit einem großen Vertrag zahlt dafür mehr Provision als es die reine Beratung erfordern würde. Das Provisionsmodell ermöglicht somit auch finanzschwächeren Menschen Zugang zu qualifizierter Beratung.
Was erwarten Sie von der Politik, nachdem die geplante Reform der geförderten privaten Altersvorsorge auf Eis liegt?
Bader: Vielleicht kommt ja doch noch – in abgewandelter Form – das viel diskutierte Altersvorsorgedepot, das die Ampel noch vorgestellt hat. Wobei man sagen muss, dass es sehr stark für die Fondsindustrie gebaut wurde. Besonders den geplanten Auszahlplan bis zum 85. Lebensjahr halte ich für grundsätzlich falsch. Wir sprechen hier von staatlich geförderten Produkten, die die Rente unterstützen sollen. Und dann lässt man zu, dass mit 85 Jahren möglicherweise kein Geld mehr da ist. Das war für mich ein Entgegenkommen der Politik gegenüber der Fondsindustrie. Deswegen habe ich das auch sehr kritisch kommentiert.
Nichtsdestotrotz waren im Altersvorsorge-Reformpaket gute Ansätze dabei, zum Beispiel die 80-Prozent-Garantie. Auch die Möglichkeit, im späteren Rentenbezug noch Investmentchancen zu haben – und dadurch zwar leicht schwankende Renten, jedoch mit höheren Renditechancen – das wäre positiv gewesen.
Wie stehen Sie zur Riester-Rente?
Bader: Ich hätte auch gut mit einer reinen Modifikation von Riester leben können. Ich finde, dass es kein schlechtes Produkt ist. Ich habe vor über zehn Jahren schon gesagt, dass die 100 Prozent Beitragsgarantie bei Riester Blödsinn ist. Nun ging es soweit, dass die Garantie bei einem Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent nicht mehr darstellbar war und Riester fast keiner mehr angeboten hat. In der Folge haben alle geschrieben, dass Rieser tot sei.
Aber gerade für die Kernzielgruppen, für junge Familien, ist Riester nach wie vor ein sehr gutes Produkt. Es ist nur im Laufe der Jahre viel zu kompliziert geworden. Die Zulagenthematik könnte viel einfacher und effizienter gestaltet werden – erst prüfen und dann zahlen, statt Zulagen später wieder zurückzufordern. Man muss schauen, was die Politik jetzt macht, aber so schnell wird wahrscheinlich im Bereich der Altersvorsorge keine Reform kommen.