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Katastrophale Konjunktur
Warum Deutschlands Wirtschaft nicht mehr wachsen kann
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Katastrophale Konjunktur Warum Deutschlands Wirtschaft nicht mehr wachsen kann

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank in Frankfurt
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank in Frankfurt | Foto: Fotomontage, Jessica Hunold, Baader Bank, Canva

Während der alte Kontinent zwischen Stagnation, Stagflation und Resignation schwankt, arbeitet Amerika erfolgreich an seiner wirtschaftlichen Zukunft.

An der schlechten Wirtschaft sind nicht immer die anderen Schuld

Europas Politiker relativieren unsere Industrieschwäche gerne damit, dass der Dienstleistungssektor so stark sei. Ja, eine gewisse Zeit hat er sich vom dümpelnden Verarbeitenden Gewerbe abkoppeln können. Aber auch er befindet sich jetzt in Rezessionsstimmung.

 

Vor allem aber nutzen Politiker gerne das Alibi, dass für die Wirtschaftsmalaise die schwächelnde Konjunktur in China, die brüchigen Lieferketten wegen Corona, die Energiekrise aufgrund des Ukraine-Kriegs und die restriktive Geldpolitik der EZB verantwortlich sind.  

Zunächst zu China. Weshalb hat man sich denn von diesem Land als Produktions- und Absatzmarkt so abhängig gemacht? Es war ja so bequem.

Aktuell müsste die Eurozone sogar besser dastehen als Amerika. Aufgrund unserer Energieabhängigkeit und exportsensitiven Geschäftsmodelle haben uns explodierende Gas- und Strompreise sowie Liefereinschränkungen im Vergleich zwar deutlicher getroffen. Doch sind mittlerweile Erdgas, Öl, Kohle und Strom wieder auf das Niveau vor dem Ukraine-Krieg gefallen und nur noch „Lieferengpässchen“ zu beobachten, wenn überhaupt. Es müsste also zu einer relativen Wachstumsstärke kommen, zumal der letzte milde Winter wirtschaftlich kaum bremste.

Trotz Dünger im Übermaß blüht wenig

Besonders unfair ist es, der EZB den schwarzen Peter für die Rezession zuzuschieben. Dabei hat sie lange die Kreditzinsen dramatisch unter der Teuerung gehalten. Die Preissteigerungen haben also nicht nur jeden Kreditzins aufgefressen, sondern wie Holzwürmer auch kräftig am Schuldenstand geknabbert. Selbst heute gilt vielfach für reale Zinsen immer noch das Motto eines Hits der Dire Straits: “Money for nothing“. Die Hand, die gibt, ist eben die erste, die gebissen wird.

Auch bei der Liquiditätsausstattung hat unsere Einer Zahlt Bestimmt-Notenbank größere Spendierhosen als Amerika an. Haushaltsdefizite der Euro-Staaten werden großzügiger monetisiert. Das nennt man Staatsfinanzierung. Und wenn alle Stricke reißen und die Kreditzinsen deutlich zulegen, kann die EZB mit ihren Notinstrumenten sofort wie bei der Feuerwehr „Wasser marsch“ rufen.  

Überhaupt wurden die Euro-Stabilitätskriterien weichgekocht wie Spaghetti und nicht nur al dente. Der früher dauernörgelnde Musterschüler Deutschland hat längst aufgehört, mit Steinen zu werfen, da auch er im Schulden-Glashaus sitzt.  

Schließlich wird den EU-Staaten auch noch mit dem 750 Milliarden Euro schweren „EU-Next-Generation-Fonds“ zur Stärkung von Wachstum und Produktivität unter die Arme gegriffen. Er braucht den Vergleich mit den US-Konjunkturpaketen nicht zu scheuen. Alles in allem, vom finanz- und geldpolitischen Himmel regnet viel süßer Brei auf Europa. Eigentlich brauchen Europas und Deutschlands Politiker nur noch einen großen Löffel. Doch bleiben bei uns trotz Überdüngung die blühenden Landschaften aus.  

Liebe Politiker, die wirtschaftlichen Probleme sehen Sie beim Blick in den Spiegel

An Europas Wirtschaftsmalaise ist nicht der Krieg in der Ukraine, die EZB oder China Schuld. Es sind die selbstverschuldeten teuren Energiepreise und die fehlende Planungssicherheit, die Unternehmen davon abhält, hier zu investieren. Es ist die (Netz-)Infrastruktur, die auf Verschleiß gefahren oder nur halbherzig aufgebaut wird. Es ist das mangelnde Bildungsniveau, das immer mehr Pudding-Abschlüsse produziert.

Es sind die fehlenden Facharbeiter, die um Deutschland lieber einen Bogen machen und nach Amerika gehen, weil sie dort mehr verdienen, weniger Steuern zahlen, eine Wohnung und ihre Kinder Plätze in Kitas und guten Schulen bekommen. Es ist der heilige Bürokratius, der Schutzpatron der deutschen Verwaltungen, der eimerweise Sand in das Wirtschaftsgetriebe streut.  

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