Hans-Jörg Naumer von AGI
„Volk von Eigentümern statt Volkseigentum“
Aktualisiert am 30.01.2023 - 17:30 Uhr
Hans-Jörg Naumer leitet die Kapitalmarktanalyse bei Allianz Global Investors. Foto: AGI
Statt Unternehmen zu enteignen, sollten sich Verbraucher lieber stärker an den Unternehmen beteiligen. So ließe sich auch der Einkommenslücke im Alter begegnen. Ein Beitrag zur aktuellen Debatte um die Verstaatlichung von Eigentum.
151 Jahre nach Erscheinen des Kommunistischen Manifests und 201 Jahre nach der Geburt von Karl Marx kann man sich eigentlich nur über die aktuelle, von Kevin Kühnert losgetretene Debatte um Enteignungen wundern. Uns hätte in der Zwischenzeit mehr einfallen müssen, als das spät-marxistische Paradigma, bei dem sich „Kapital“ und „Proletariat“ scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen. Wir haben alle Instrumente der (Mitarbeiter-)Kapitalbeteiligung, und es wäre ein Leichtes, statt über Volkseigentum zu diskutieren, die Vision von einem Volk an Eigentümern in die Realität umzusetzen.
Fakt ist: Die Trennung von Kapital und Arbeit lebt fort. Die neuzeitlichen „Proletarier“ (im Duktus von Karl...
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151 Jahre nach Erscheinen des Kommunistischen Manifests und 201 Jahre nach der Geburt von Karl Marx kann man sich eigentlich nur über die aktuelle, von Kevin Kühnert losgetretene Debatte um Enteignungen wundern. Uns hätte in der Zwischenzeit mehr einfallen müssen, als das spät-marxistische Paradigma, bei dem sich „Kapital“ und „Proletariat“ scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen. Wir haben alle Instrumente der (Mitarbeiter-)Kapitalbeteiligung, und es wäre ein Leichtes, statt über Volkseigentum zu diskutieren, die Vision von einem Volk an Eigentümern in die Realität umzusetzen.
Fakt ist: Die Trennung von Kapital und Arbeit lebt fort. Die neuzeitlichen „Proletarier“ (im Duktus von Karl Marx) beziehen ihr Haupteinkommen wie ehedem in der Frühphase der Industrialisierung aus Arbeit. Wenig, all zu wenig nur fließt aus Kapitaleinkommen. Die vom Deutschen Aktieninstitut jährlich erhobene Anzahl der Aktionäre ist kläglich gering, die finanzielle Allgemeinbildung - freundlich ausgedrückt - befriedigend, die Mitarbeiterkapitalbeteiligungsprogramme werden im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich gefördert. Risiken werden aus den Durchführungswegen privater Altersvorsorge wegreguliert – und damit auch die Partizipation an der Risikoprämie, einem der wichtigsten Renditetreiber. Als führende Industrienation liegen wir beim Pro-Kopf-Geldvermögen gemäß des Global Wealth Reports von der Allianz auf Platz 19 – und unser Geld überwiegend auf dem Sparbuch. Der Dax ist zu über 50 Prozent in Hand ausländischer Investoren. Auch die Wohneigentumsquote ist im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern und den USA auffällig gering. Sie liegt unter 50 Prozent. In Berlin ist sie am geringsten. Dort liegt sie bei 16 Prozent laut Statistischem Bundesamt. Und das, trotz historisch niedriger (Hypotheken-)Zinsen.
Beitrag zur Altersvorsorge
Proletarier deutscher Länder, Ihr habt nichts zu verlieren als Eure Sparbücher! Denn während in der Debatte in Deutschland das Volkseigentum (Schlagwort: „Kollektivierung von BMW“) diskutiert wird, könnten wir längst ein Volk von Eigentümern sein. Nicht nur einzelne Firmen, nein, gleich der ganze Dax könnte den Deutschen gehören – und das mehrfach. Kleine Beiträge und ein langer Atem machen es möglich, wie folgendes Rechenbeispiel zeigt:
Es wird unterstellt, ein Sparplan auf deutsche Aktien, wie er vom Dax beispielhaft repräsentiert wird, wäre seit 1976 (das Jahr, in dem auch das Mitarbeiterbeteiligungsgesetz verabschiedet wurde) steuerlich gefördert worden, zum Beispiel indem Kursgewinne und Dividenden von der Steuer befreit worden wären. Ein Beschäftigter hätte dann monatlich damals 50 D-Mark (heute also etwa 25 Euro) in diesen geförderten Sparplan eingezahlt. Des Weiteren wurde unterstellt, dass alle zehn Jahre der Sparbeitrag pro Monat um 5 Euro erhöht wurde, um die Inflationsentwicklung annähernd auszugleichen, aber auch um den steigenden Löhnen Rechnung zu tragen. Was hätte sich daraus entwickelt?
Der Beschäftigte, der von Anfang an dabei war, alles reinvestiert hat und gegebenenfalls das entstandene Vermögen weitervererbt hat, hätte bis Ende 2018 etwas mehr als 16.000 Euro eingezahlt. Stand heute würde er über knapp 125.000 Euro an Kapital verfügen. Die Risikoprämien, die reinvestierten Dividenden und der Zinseszinseffekt sind die Treiber hinter diesem Vermögensaufbau. Nun werden die wenigsten Arbeitnehmer 40 oder gar mehr Jahre im Berufsleben stehen. Werden als kleinere Zeitspanne 20 Jahre ausgewählt, wären knapp 20.000 Euro zusammengekommen. Gesamtwirtschaftlich wären beim 40-Jahres-Zeitraum knapp 2,5 Billionen Euro über die Jahre zusammengekommen.
Anders ausgedrückt: Den Deutschen könnte heute der Dax rein rechnerisch mehr als zwei Mal gehören. Nach 20 Jahren wären knapp eine halbe Billion investives Kapital entstanden, was immer noch knapp 40 Prozent der Marktkapitalisierung des Dax 30 entspricht. Dabei wurden bei dieser gesamtgesellschaftlichen Betrachtung nur die tatsächlich Erwerbstätigen berücksichtigt und Renteneintritten ebenso wie Arbeitslosenquoten und Neuzugängen am Arbeitsmarkt Rechnung getragen.
Bei einer Dividendenrendite von 3 Prozent, wie sie der Dax aktuell (Stand: Mai 2019) ausweist, ergäben sich auf ein angespartes Vermögen von 125.000 Euro eine Dividendenausschüttung von 3.750 Euro p.a. – rund 312 Euro pro Monat. Kapitaleinkommen, das das Arbeitseinkommen gut ergänzen würde.
Es geht um ein Volk von Eigentümern statt um Volkseigentum. Wir können es erreichen.
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