Hans-Werner Sinn
Fast 1000 Milliarden Target-Forderungen der Bundesbank: Was steckt dahinter?
Hans-Werner Sinn, Alt-Präsident des Ifo-Instituts Foto: Ifo-Institut
Der Target-Saldo der Bundesbank steigt schon zehn Jahre lang und liegt nun ungefähr bei einer Billion Euro. Zyklisch hat sich der Wert von circa 70 Milliarden Euro Ende 2007 auf den Wert von 976 Milliarden Euro Ende Juni 2018 hinbewegt.
Auch half die Bundesbank den Südländern letztlich dabei, ihre Schulden gegenüber Investoren aus anderen Euroländern und sogar außereuropäischen Ländern loszuwerden und durch eine Buchschuld beim Eurosystem und indirekt bei sich selbst zu ersetzen. Wenn nämlich, um in dem Beispiel zu bleiben, die spanische Notenbank die spanischen Staatspapiere von einem Investor in Shanghai zurückkaufte, der dann, weil der Rückkauf der Papiere aus Nicht-Euroländern zur Abwertung des Euro führte, sein Geld in den Kauf einer deutschen Firma investierte, dann war auch das ein gutes Geschäft für die Spanier. Die verbriefte Schuld gegenüber dem chinesischen Privatinvestor konnte durch eine Buchschuld beim Eurosystem...
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Auch half die Bundesbank den Südländern letztlich dabei, ihre Schulden gegenüber Investoren aus anderen Euroländern und sogar außereuropäischen Ländern loszuwerden und durch eine Buchschuld beim Eurosystem und indirekt bei sich selbst zu ersetzen. Wenn nämlich, um in dem Beispiel zu bleiben, die spanische Notenbank die spanischen Staatspapiere von einem Investor in Shanghai zurückkaufte, der dann, weil der Rückkauf der Papiere aus Nicht-Euroländern zur Abwertung des Euro führte, sein Geld in den Kauf einer deutschen Firma investierte, dann war auch das ein gutes Geschäft für die Spanier. Die verbriefte Schuld gegenüber dem chinesischen Privatinvestor konnte durch eine Buchschuld beim Eurosystem ersetzt werden. Der EZB-Rat, das Entscheidungsgremium dieses Systems, ist im Zweifel viel netter als der chinesische Investor und politischen Massagen zugänglich, zumal die Bundesbank, obwohl sie der größte Gläubiger des Eurosystems ist, dort nicht viel zu sagen hat. Bekanntlich hat Deutschland in diesem Rat eine Stimme wie Malta oder Zypern auch. Der chinesische Investor wurde für die Hergabe der spanischen Papiere mit der deutschen Firma kompensiert, und der Verkäufer der deutschen Firma erhielt mit dem Geld eine Forderung gegen die Bundesbank, für die die Bundesbank mit einer Target-Forderung gegen das Eurosystem kompensiert wurde.
Ein weiterer Teil der deutschen Target-Forderungen könnte auch dadurch entstanden sein, dass die EZB-Zentrale im Zuge des QE-Programms einige Firmenobligationen in Deutschland erwarb, was die Bundesbank zur Kreditierung dieser Käufe zwang. Die Käufe der EZB dürften aber vor allem hinter den Target-Forderungen Luxemburgs stehen, denn dort sind die fiskalischen Rettungsschirme der Staatengemeinschaft sowie die Europäische Investitionsbank angesiedelt, deren Schuldpapiere die EZB selbst erwirbt. Die Target-Verbindlichkeiten der EZB sind das Spiegelbild dieser Käufe.
Natürlich sind das nur Beispiele. Es kann auch sein, dass der ausländische Investor Aktien und andere Wertpapiere oder deutsche Immobilien erwarb, denn wie seinerzeit im Bretton-Woods-System ist Deutschland billig und bietet gute Ware und Investitionsmöglichkeiten an. Wieder wird hier alles gekauft, was nicht niet- und nagelfest ist. Leider wird diesmal dafür kein Gold auf den Tresen gelegt.
Es kann schließlich auch sein, dass der ausländische Investor sein Geld auf deutsche Bankkonten oder gar Bankkonten seiner eigenen Filialen in Deutschland überweist. Diese Konten bedeuten dann zwar nur Forderungen gegen hier ansässige Banken und sind noch nicht in geldferne Vermögensobjekte umgetauscht, doch kann das jederzeit geschehen und wird sicherlich geschehen, wenn dem Eurosystem eine substanzielle Krise droht, denn nur solche geldfernen Vermögensobjekte würden den Investor im Falle des Falles davor schützen, zu den ersten Opfern eines Währungsschnitts zu gehören.
Bargeld und Target-Saldo
Noch unschöner wird die Rechnung für Deutschland, wenn man bedenkt, dass das zusätzliche Außengeld, das die Bundesbank herstellen muss, nicht nur auf Konten landet, die die Banken bei der Bundesbank unterhalten, sondern zum Teil als physisches Bargeld abgerufen wird. Überproportionale Bargeldbestände, die die Bundesbank im Zuge der Überweisungen herstellen muss, werden nämlich als Target-ähnliche Verbindlichkeit in der Bundesbankbilanz verbucht, weil man von der Fiktion ausgeht, dass dieses Bargeld letztlich wieder für Käufe in anderen Ländern verwendet wird. So verbuchte die Bundesbank im März hierfür einen Posten in Höhe von 368 Milliarden Euro.
Für die Fiktion gibt es keine statistischen Belege, doch ist sie nicht unplausibel, denn aufgrund von Gastarbeiter-Überweisungen und Tourismus gelangen in der Tat deutsche Bargeldbestände ins Ausland, dienen dort dem Erwerb von Gütern und Dienstleistungen und stehen anschließend für allgemeine Transaktionen zur Verfügung. Es handelt sich insofern zu Recht um eine deutsche Verbindlichkeit im Eurosystem, die das Gegenstück zu den Target-Forderungen ist und mit ihnen saldiert werden muss. Allerdings nur insofern.
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