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Urteil des OLG Hamm Hat die BU-Versicherte arglistig getäuscht?

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Die Klägerin hielt dem entgegen, dass der Agent sehr wohl gesagt habe, der Hexenschuss brauche nicht angegeben zu werden. Der Senat war vorliegend jedoch überzeugt, dass es nicht so gewesen sein könne. Das ergebe sich aus folgenden Umständen:

Der Klägerin als Krankenschwester sei nach eigener Auskunft bekannt gewesen, dass Rückenbeschwerden eines der wichtigen Berufsunfähigkeitsrisiken einer Krankenschwester darstellten. Nach eigenen Angaben habe sie sich schon vor dem Antragsgespräch Sorgen wegen des Hexenschusses gemacht und befürchtet, der Vertrag könne deshalb womöglich nicht zustande kommen. Nach Ansicht des Senats sei es bei dieser Sachlage ausgeschlossen, dass ein Bericht der Klägerin über einen Hexenschuss gleichsam unterging und der Versicherungsagent darauf nicht reagiert haben solle. Denn die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass sie davon ausgegangen sei, dass der Agent den Hexenschuss vermerkt hätte.

Handeln war vorsätzlich und arglistig

Ferner habe die Versicherungsnehmerin die objektiven Falschangaben vorsätzlich gemacht, so das OLG. Unstreitig habe sie bei Antragstellung Kenntnis von den nicht angezeigten Umständen gehabt – also den röntgenologisch untersuchten Rückenbeschwerden mit mehrtägiger Krankschreibung. Die Versicherte habe sich deshalb nach eigenen Angaben sogar Sorgen um das Zustandekommen des Vertrags gemacht. Streitig sein allein, ob sie auch das Ergebnis der röntgenologischen Untersuchung kannte. Darauf komme es in dem Fall aber nicht an.

Als Krankenschwester habe sie gewusst, dass es sich bei dem Hexenschuss-Ereignis und den Rückenbeschwerden um eine Erkrankung handelte, so das OLG Hamm. Aus diesem Grund stehe fest, dass sie die objektiven falschen Angaben auch machen wollte. Die Falschangaben der Klägerin waren tatsächlich ausschlaggebend für den Vertragsschluss, die gestellte Frage mithin gefahrerheblich.

Das Gericht stellte ferner fest, dass die Klägerin auch arglistig handelte. Die Versicherungsnehmerin habe erkannte und billigend in Kauf genommen, das es dem Versicherer auf die fehlenden Informationen ankam. Dies ergebe sich letztlich aus der Befürchtung der Klägerin, der Vertrag könne wegen des Hexenschusses nicht zu Stande kommen. Die Bedeutung der Gesundheitsfragen sei ihr mithin bewusst gewesen. Die nachgewiesene objektiv falsche Beantwortung in Kenntnis der wahren Umstände habe somit die Antragsannahme ermöglichen oder jedenfalls erleichtern sollen (OLG Hamm, Urteil vom 20.02.2019 – 20 U 126/18).

Fazit und Praxis-Hinweis

Die Entscheidung des OLG Hamm kann im Ergebnis überzeugen. Sie zeigt deutlich, dass die wahrheitsgemäße Beantwortung der Gesundheitsfragen im Rahmen einer Antragstellung und damit die Offenbarungspflicht ein wesentlicher Schwerpunkt des Prüfungsverfahrens bei Berufsunfähigkeit ist. Werden hierbei Fehler gemacht, ziehen sich diese durch das gesamte Leistungsprüfungsverfahren. Bei Berufsunfähigkeit ist stets anzuraten, sich kompetente Unterstützung zu suchen. Gerade Leistungsablehnungen von Berufsunfähigkeitsversicherungen sollten juristisch überprüft werden.

Daher ist es für Vermittler und Versicherte von Vorteil, sich mit dem Ablauf eines typischen BU-Verfahrens mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung vertraut zu machen, bevor Leistungsansprüche geltend gemacht werden. Auch an dieser Entscheidung ist zu erkennen, dass es sinnvoll ist, frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, um etwaige Anspruchsvereitelungen zu vermeiden. 

Über den Autor:
Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Informationstechnologierecht. Er ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Die Kanzlei informiert regelmäßig in Vorträgen und auf einem jährlichen Vermittlerkongress über Themen des Versicherungs- und Vermittlerrechts.


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