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Hedgefonds: So verdienen sie Geld (Interview, Teil 1)

DAS INVESTMENT Academy: Was ist der Hauptzweck eines Hedgefonds?
Robin Binder: Hedgefonds verfolgen im Gegensatz zu klassischen Fonds – wie ETFs, Aktien- oder Rentenfonds – nicht das Ziel, den Markt abzubilden oder mit steigenden Kursen Gewinne zu erzielen. Stattdessen setzen sie auf komplexe Anlagestrategien und innovative Anlageinstrumente. Diese sollen es ihnen ermöglichen, sowohl in bullischen (steigenden) als auch in bearischen (fallenden) Märkten Gewinne zu erzielen.
Wann sind Hedgefonds entstanden?
Robin: Die Ursprünge der Hedgefonds lassen sich bis in die 1940er Jahre zurückverfolgen. Als Vater der Hedgefonds gilt Alfred Winslow Jones, der 1949 den ersten Fonds dieser Art auflegte. Jones' Ziel war es, eine positive Rendite unabhängig von der Marktrichtung zu erzielen. Dafür setzte er auf die Kombination von Long- und Short-Positionen und den Einsatz von Hebelmechanismen.
In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die Hedgefonds-Branche stetig weiter. Sie erlebte in den 1980er und 1990er Jahren einen starken Aufschwung. Heute verwaltet die Branche Billionen von US-Dollar und ist ein wichtiger Bestandteil des globalen Finanzsystems. Mittlerweile existieren Tausende von Hedgefonds mit unterschiedlichen Anlageklassen und Strategien.
Wie verdienen Hedgefonds Geld?
Robin: Hedgefonds erzielen Gewinne durch den Einsatz verschiedener und kombinierter Anlagestrategien, die auf aktivem Portfoliomanagement und Risikomanagement beruhen.
- Zu den wichtigsten Strategien gehören Long- und Short-Positionen: Hier werden Aktien oder andere Wertpapiere in der Erwartung gekauft, dass ihr Wert steigt (long) oder fällt (short).
- Häufig wird ein Hebel (Leverage) eingesetzt, der die Wertentwicklung der Anlagen vervielfacht. Das kann dazu führen, dass sich das Erhöhen einer Position um ein Vielfaches auf die Wertentwicklung des Fonds auswirkt.
- Andere Strategien nutzen Preisunterschiede desselben Wertpapiers an verschiedenen Börsen aus (Arbitrage).
- Oder investieren in Unternehmen, bei denen Ereignisse wie Übernahmen oder Fusionen bevorstehen (Event-Driven-Investing).
Wie sieht es mit der Rendite von Hedgefonds aus?
Robin: Die durchschnittlichen Renditen von Hedgefonds schwanken stark. Sie hängen von verschiedenen Faktoren wie Anlagestrategie, Marktumfeld und Talent des Managers ab. Renditen sind abhängig vom Risiko, welches der Hedgefonds hat. Je höher das Risiko, welches Investoren eingehen, desto höher können auch die Renditen sein.
In einigen Jahren erzielten Hedgefonds deutlich höhere Renditen als andere Anlagemöglichkeiten, während sie in anderen Jahren Verluste hinnehmen mussten. Einige Hedgefonds-Strategien zielen gar nicht auf Gewinnmaximierung ab. Stattdessen verfolgen die Strategie, die Volatilität stark zu reduzieren, sodass der Hedgefonds einen eher risikostabilisierenden Charakter auf das Portfolio hat.
Kannst du erklären, was Shortselling ist und warum Hedgefonds das machen?
Robin: Beim Shortselling, auch Leerverkauf genannt, verkauft ein Anleger Wertpapiere, die er nicht besitzt. Er leiht sie sich stattdessen von einem Broker gegen eine geringe Gebühr und verkauft sie an einen anderen Anleger. Dabei spekuliert der Leerverkäufer auf einen fallenden Kurs des Wertpapiers.
Fällt der Kurs tatsächlich, kann er die Wertpapiere zu einem niedrigeren Preis zurückkaufen, den Gewinn aus dem (Leer)Verkauf einstreichen und die geliehenen Wertpapiere an den Broker zurückgeben. Das ist natürlich sehr riskant. Denn wenn der Kurs des Wertpapiers entgegen den Erwartungen des Shortsellers steigt, muss er die Wertpapiere zu einem höheren Preis zurückkaufen. In diesem Fall erleidet er einen Verlust, der theoretisch nahezu unbegrenzt sein kann.
Kannst du uns ein Beispiel für Shortselling geben?
Robin: Ein Investor ist der Meinung, dass die Aktie eines Unternehmens überbewertet ist. Er leiht sich 100 Aktien des Unternehmens eines Brokers und verkauft sie für 100 Euro pro Aktie, insgesamt also für 10.000 Euro. Fällt der Aktienkurs anschließend auf 50 Euro pro Aktie, kann der Investor die 100 Aktien für 5.000 Euro am Markt kaufen. Er gibt sie dem Broker inklusive einer kleinen Leihgebühr zurück und behält die Differenz von 5.000 Euro als Gewinn. Steigt der Aktienkurs auf 150 Euro pro Aktie, muss der Investor die 100 Aktien für 15.000 Euro am Markt kaufen und macht 5.000 Euro Verlust (zuzüglich Leihgebühr).
Warum nutzen Hedgefonds Shortselling-Strategien?
Robin: Zum einen können Hedgefonds durch Leerverkäufe von fallenden Märkten profitieren. Andererseits können Leerverkäufe zur Absicherung von Long-Positionen eingesetzt werden, um das Gesamtrisiko eines Portfolios zu reduzieren.
Einige Hedgefonds nutzen Leerverkäufe auch, um vermeintliche Fehlbewertungen von Wertpapieren auszunutzen. Sie gehen davon aus, dass der Markt nicht immer effizient ist und es daher möglich ist, unterbewertete Wertpapiere zu finden und überbewertete Wertpapiere leer zu verkaufen.
Einige Fonds gehen zudem investigativ vor und leerverkaufen Aktien, um anschließend einen Shortseller-Bericht zu veröffentlichen, in dem Skandale in den betreffenden Unternehmen aufgedeckt werden, um die Marktteilnehmer zu Verkäufen zu veranlassen und so den Kurs zu drücken.
Was bedeutet der Begriff „Leverage“ und wie wird er von Hedgefonds eingesetzt?
Robin: Die Nutzung von Leverage (englisch für Hebel) ist ein Kernelement des Hedgefonds-Managements. Es beschreibt den Einsatz von Fremdkapital, um das Anlagevolumen und die potenzielle Rendite einer Investition zu erhöhen.
Hat ein Hedgefonds beispielsweise 10 Millionen Euro an Kapital und möchte Aktien im Wert von 20 Millionen Euro kaufen, kann sich der Fonds dazu 10 Millionen Euro von einer Bank leihen. Der Fonds hat jetzt 20 Millionen Euro in die Aktie investiert, aber nur 10 Millionen Euro Eigenkapital eingesetzt. Die Rendite der Investition wird auf das gesamte Anlagevolumen berechnet, also auf 20 Millionen Euro.
Steigt der Kurs der Aktie um 10 Prozent, hat der Fonds einen Gewinn von 2 Millionen Euro erzielt, was prozentual auf das Eigenkapital einer Rendite von 20 Prozent entspricht, also doppelt so viel wie bei einem Kauf ohne Hebel. Fällt der Kurs der Aktie allerdings um 10 Prozent, hat der Fonds einen Verlust von 2 Millionen Euro. Ohne Leverage hätte der Verlust nur 1 Million Euro betragen.
Hedgefonds setzen Leverage häufig ein, da sie dadurch ihre Renditechancen deutlich erhöhen können. Allerdings gehen sie damit ein höheres Risiko ein.
>> Lest in der kommenden Woche in Teil 2 des Interviews, was Robin Binder zu den typischen Mythen und Vorurteilen zu Hedgefonds wie Filmfigur Gordon Gecko aus „Wall Street“ sagt.
Zur Person
Robin Binder ist CEO und Gründer von Nao. Er war knapp acht Jahre für die Unicredit Bank tätig und beriet mittelständische Unternehmen. Anschließend baute er das Family Office Zeitgeist Group sowie den Fintech-Venture Capital Zeitgeist X Ventures mit auf. In seiner Rolle als Geschäftsführer des Frühphasen-Venture Capitalists war er an Investments in Fintechs wie Bling, Timeless und Unitplus beteiligt.