Heinz-Werner Rapp, Vorstand und Investmentchef bei Feri
Die Fragilität der Eurozone nimmt zu
Heinz-Werner Rapp ist Vorstand und Investmentchef bei Feri. Foto: Feri
Nur wenig von der Öffentlichkeit und den Finanzmärkten bemerkt: Warum Italien zum Spielverderber wird und wie eine Gruppe europäischer Länder eine neue Bruchlinie der Währungsunion bilden könnte.
Nassim Nicholas Taleb, Autor einer vielbeachteten Abhandlung über „Schwarze Schwäne“, widmet sich in einem neueren Buch intensiv dem Thema „Fragilität“. Wer sich mit dessen Inhalten näher auseinandersetzt, denkt unwillkürlich an den Zustand und die mögliche Zukunft der Europäischen Währungsunion (Economic and Monetary Union = EMU). Wo liegt der Zusammenhang, und worauf basiert die These zunehmender Fragilität der EMU?
Seit dem Ende der Euro-Krise 2012 dämmert Europa in einem künstlichen Wachkoma. In dieser Phase hat die Währungsunion – durch massive Geldspritzen der Europäischen Zentralbank ruhiggestellt – drängende Strukturprobleme und akute Friktionen einfach weggelächelt. Verantwortlich...
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Nassim Nicholas Taleb, Autor einer vielbeachteten Abhandlung über „Schwarze Schwäne“, widmet sich in einem neueren Buch intensiv dem Thema „Fragilität“. Wer sich mit dessen Inhalten näher auseinandersetzt, denkt unwillkürlich an den Zustand und die mögliche Zukunft der Europäischen Währungsunion (Economic and Monetary Union = EMU). Wo liegt der Zusammenhang, und worauf basiert die These zunehmender Fragilität der EMU?
Seit dem Ende der Euro-Krise 2012 dämmert Europa in einem künstlichen Wachkoma. In dieser Phase hat die Währungsunion – durch massive Geldspritzen der Europäischen Zentralbank ruhiggestellt – drängende Strukturprobleme und akute Friktionen einfach weggelächelt. Verantwortlich für diesen Zustand war, neben der Reformverweigerung vieler EMU-Länder, vor allem die bisherige Politik der EZB. Deren massives Programm zum Ankauf von EMU-Staatsanleihen, das sogenannte Quantitative Easing oder kurz QE, flutete die Eurozone mit billigem Geld, führte zu historisch niedrigen – vielfach sogar negativen – Zinsen und überdeckte damit bestehende Bruchlinien der Eurozone.
Vergessene Strukturreformen
Der Zustrom von insgesamt rund 2,5 Billionen Euro an neu gedrucktem Geld von der EZB vermittelte den EMU-Ländern ein trügerisches Gefühl von Geborgenheit. Die positiven Effekte – tiefe Zinsen, Ruhe an den Anleihemärkten und tendenziell sinkende Kosten der Staatsverschuldung – wurden von vielen Ländern gerne angenommen; das Einleiten und Umsetzen zügiger Strukturreformen wurde hingegen schlicht vergessen. Die Hilfestellung von EZB-Chef Mario Draghi, der den EMU-Ländern Zeit und Ruhe für notwendige Reformen verschaffen wollte, wurde so faktisch ausgehebelt und konterkariert.
Auf dem Weg zur Transferunion
Gemäß bisheriger Planung wird die EZB im Dezember 2018 jedoch den Ausstieg aus der bisherigen QE-Politik vollziehen. Auf diese wichtige Änderung hat sich die gesamte EMU bisher jedoch kaum vorbereitet.
Wiederholte Angebote von Frankreichs Präsident Macron zu grundlegenden Reformen der EU (Stichwort „Neugründung“) sind wirkungslos verpufft; aus ökonomischer Sicht gehen diese Ideen allerdings ohnehin an den relevanten Problemstellungen vorbei. Statt nachhaltige Staatshaushalte und striktere ökonomische Konvergenz durchzusetzen, werden neue Mechanismen zur Umverteilung von Risiken, zur generellen Erhöhung diverser Verschuldungskapazitäten sowie zur Überwälzung systemischer Probleme und Altlasten gefordert.
Sollte auch nur ein Teil dieser Vorschläge umgesetzt werden, beschreitet die EMU zunehmend den Weg in eine fragile Transferunion. Das impliziert nicht nur steigende Transferleistungen starker EMU-Mitglieder, sondern auch deutlich erhöhte Haftungsrisiken, sowohl für bereits bestehende als auch zukünftige Schulden der gesamten EMU.
Doch ein solches Transfersystem löst die bestehenden Probleme der EMU nicht wirklich. Eher würden die schon bisher vorhandenen Anreize zum ökonomischen und fiskalischen Trittbrettfahren deutlich und dauerhaft erhöht. Dringend erforderliche Strukturreformen prekärer Länder, wie etwa Italien, würden dann wohl gar nicht mehr stattfinden.
- Seite 1 − Auf dem Weg zur Transferunion
- Seite 2 − Italien als Spielverderber
- Seite 3 − Finanzmärkte als Nachtwächter
- Seite 4 − Euro Wake Up oder Euro Break Up?
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