Heinz-Werner Rapp, Vorstand und Investmentchef bei Feri
Die Fragilität der Eurozone nimmt zu
Heinz-Werner Rapp ist Vorstand und Investmentchef bei Feri. Foto: Feri
Nur wenig von der Öffentlichkeit und den Finanzmärkten bemerkt: Warum Italien zum Spielverderber wird und wie eine Gruppe europäischer Länder eine neue Bruchlinie der Währungsunion bilden könnte.
Diese Verbindlichkeiten würden bei einem Austritt Italiens aus der EMU schlagartig entwertet, entweder vollständig (im Fall der Target-Salden) oder teilweise (Staatsschulden und faule Kredite der Banken). Die dadurch insgesamt generierten Ausfallrisiken wären so gewaltig, dass kein Rettungsschirm der EMU sie jemals würde auffangen können. Folglich wäre die Stabilität der gesamten EMU unmittelbar gefährdet.
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Die derzeitige (scheinbare) Ruhe in Italien sollte nicht über die strukturelle Risikolage und die mögliche Konfliktbereitschaft des Landes hinwegtäuschen. Italiens „Game of Chicken“ hat noch gar nicht ernsthaft begonnen, könnte aber...
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Diese Verbindlichkeiten würden bei einem Austritt Italiens aus der EMU schlagartig entwertet, entweder vollständig (im Fall der Target-Salden) oder teilweise (Staatsschulden und faule Kredite der Banken). Die dadurch insgesamt generierten Ausfallrisiken wären so gewaltig, dass kein Rettungsschirm der EMU sie jemals würde auffangen können. Folglich wäre die Stabilität der gesamten EMU unmittelbar gefährdet.
Die derzeitige (scheinbare) Ruhe in Italien sollte nicht über die strukturelle Risikolage und die mögliche Konfliktbereitschaft des Landes hinwegtäuschen. Italiens „Game of Chicken“ hat noch gar nicht ernsthaft begonnen, könnte aber Politik und Finanzmärkte für längere Zeit unter Druck setzen.
Die neue Regierung in Italien ist folglich ein ernsthaftes Problem, wenn nicht sogar der Worst Case für das politische Establishment und die aktuelle Struktur der EMU. Noch ist nicht absehbar, wie sich dieses Problem in nächster Zeit entwickeln wird. Dennoch ist vorerst von einer weiteren Verschärfung auszugehen.
Jede mögliche Lösung dieses Problems dürfte sehr teuer, sehr gefährlich oder beides zugleich werden – speziell für Deutschland. Bereits dieser Faktor sorgt für erhöhte strategische Fragilität der gesamten Euro-Zone.
Finanzmärkte als Nachtwächter
Auf diese veränderte Risikolage haben zuletzt auch die Finanzmärkte, nach langer Phase naiver Sorglosigkeit, erschreckt reagiert: Aussagen der italienischen Regierung zu geplanten wirtschaftspolitischen Maßnahmen weckten akute Zweifel an der Tragfähigkeit der italienischen Staatsschulden, was Ende Mai 2018 einen sprunghaften Anstieg von Zinsen und Risiko-Spreads bei italienischen Staatsanleihen nach sich zog.
Diese zeitverzögerte Reaktion hat allerdings wieder einmal unter Beweis gestellt, dass die Finanzmärkte zur Durchdringung und Decodierung komplexer Sachverhalte oft nicht in der Lage sind. Obwohl die ökonomischen und finanziellen Risiken Italiens seit Jahren bekannt sind und der Wahlausgang in Rom seit Monaten relativ klar zu erwarten war, haben die Finanzmärkte das Risiko Italien lange Zeit komplett ignoriert. Paradoxerweise fielen diverse Risiko-Indikatoren, etwa die Zinsen zweijähriger italienischer Staatspapiere sowie die Spreads zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen, noch im April 2018 in die Nähe historischer Tiefs.
Erst Ende Mai, als harte Aussagen aus Italien bereits überall nachgelesen werden konnten, wurde das „Problem Italien“, und dessen gefährliche Rückwirkung für die gesamte EMU, an den Finanzmärkten angemessen wahrgenommen. Dies führte dann umgehend – aber deutlich verspätet – zu einer schmerzhaften Neubewertung. Dieser Punkt ist für Investoren sehr wichtig: Er entlarvt die Finanzmärkte in wichtigen Fragen der EMU als Nachtwächter ohne ernstzunehmende Prognosefähigkeit.
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