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Hendrik Leber „Im Asset-Management scheint die Zeit stehen geblieben zu sein“

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So nutzt Acatis die Technik

Ausgehend von den beschriebenen Erkenntnissen versucht die Acatis Investment GmbH seit etwa fünf Jahren, Werkzeuge der künstlichen Intelligenz nutzbar zu machen. Begonnen wurde mit Methoden der Textanalyse, mit denen Tausende von Geschäftsberichten durchgearbeitet werden. Nachdem diese Textanalysewerkzeuge mit numerischen Daten gespeist wurden, konnten Ähnlichkeiten zwischen Firmen mit ähnlichen wirtschaftlichen Strukturen entdeckt werden. Mit dem Computer als Ideengeber. Versuche, die Analyse von Bilanzen als eine Art Bildmusteranalyse zu verstehen, ermöglichten den Aufbau von Portfolios mit stabiler Outperformance. Ein Computer, der im Bild Hund und Katze unterscheiden kann, muss auch in der Lage sein, eine gute von einer schlecht performenden Aktie zu trennen.

Acatis nutzt außerdem seit vielen Jahren Modelle, die einer Diskriminanzanalyse ähneln (Random-Forest- und Tree-Boost-Verfahren). Robuste Methoden, die überraschend gute Ergebnisse bringen. In Zusammenarbeit mit einem internationalen Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz setzt Acatis inzwischen auf die end-to-end-optimierte Portfoliobildung. Hierzu ermittelt der Computer auf Basis von 232 Rohdaten das optimale Portfolio von 50 Aktien und deren richtige Gewichtung – ohne dass der Mensch noch an irgendeiner Stelle eine Meinung abgeben müsste.

Hoher Tracking Error

Die bisherige Erfahrung zeigt, dass die eingesetzten Verfahren funktionieren. Allerdings liefern sie, anders als klassische Faktormodelle, die stetige Ergebnisse zeigen, Portfolios mit hohem Tracking Error. Das heißt, die Outperformance kann bei 3 Prozent liegen, bei plus 20 oder auch bei minus 10 – sie ist hoch, wenig korreliert, aber auch unzuverlässig. Es lässt sich auch beobachten, dass die Modelle in den letzten fünf Jahren schlechter funktionierten als zuvor. Das liegt zum einen an der zunehmenden Markteffizienz, die durch Faktormodelle geschaffen wird, und zum anderen an den Störungen des Markts durch makroökonomische Eingriffe wie zum Beispiel der Zinspolitik oder der Schuldenpolitik der letzten Jahre. Wo der Markt von der Politik außer Kraft gesetzt wird, funktioniert auch ein Modell nicht, das auf Marktfaktoren trainiert wurde.

Die Signale, die die Modelle erzeugen, fließen einerseits in das Portfoliomanagement ein, das aus den Ideen unserer Modelle schöpft. Andererseits dienen sie auch als Vorgaben für die Portfoliooptimierung, und schließlich liefern die Modelle auch eigenständige, optimierte Portfolios. Es lässt sich im Moment noch nicht erkennen, ob die Kombination von Mensch und Maschine besser funktioniert als das Agieren von Mensch oder Maschine allein. Es zeichnet sich jedoch deutlich ab, dass der Verzicht auf die Werkzeuge der künstlichen Intelligenz im Portfoliomanagement ein schwerer Fehler wäre. Es sind Werkzeuge, die Weitsicht verleihen. Ein Schiffskapitän, so traditionsverhaftet er auch sein mag, würde im Nebel auch nicht auf Radar und GPS verzichten.

Kombination Mensch & Maschine

Es ist zu vermuten, dass in wenigen Jahren selbstfahrende Autos die Norm sein werden und jeder Autofahrer, der noch von Hand steuert, als Hasardeur betrachtet wird. Ähnliches wird auch im Asset-Management passieren. Manager, die auf künstliche Intelligenz verzichten, wird man als rückständig betrachten, denn die meisten von ihnen werden deren Analysekraft nicht gewachsen sein. Die Transformation der Branche ist unausweichlich – und nur noch eine Frage der Zeit.

Dieser Gastbeitrag erschien zuerst unter dem Titel „KI - Kollege Computer als Asset-Manager“ in der Ausgabe 02/2017 von „Trends im Asset Management“ (TiAM).

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