HWWI-Chef Henning Vöpel
Angriffe auf die Soziale Marktwirtschaft nehmen zu
Prof. Dr. Henning Vöpel ist Direktor und Geschäftsführer des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Foto: HWWI
Die Angriffe gegen die Soziale Marktwirtschaft mehren sich. Das ist gefährlich, denn die Marktwirtschaft ist zugleich die größte Bastion der Demokratie. Die Forderung nach Verstaatlichung großer Unternehmen ist dabei nicht die erste Attacke.
Der erste Angriff auf die Marktwirtschaft begann vielleicht schon in den achtziger Jahren, als sich der sogenannte Neoliberalismus als wirtschaftspolitisches Paradigma durchzusetzen begann und später den Umgang mit der Globalisierung wesentlich dominierte. Der neoliberale Angriff auf die Marktwirtschaft bestand darin, die ökonomischen Wirkungen der Globalisierung auf die Gesellschaft politisch einfach hingenommen zu haben. Dabei waren die Folgen für die Einkommens- und Vermögensverteilung insbesondere für eine damals noch starke Mittelschicht, die vielleicht das wichtigste Charakteristikum der Sozialen Marktwirtschaft ist, dramatisch: Kapitaleinkommen haben in den Industrieländern stärker von...
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Der erste Angriff auf die Marktwirtschaft begann vielleicht schon in den achtziger Jahren, als sich der sogenannte Neoliberalismus als wirtschaftspolitisches Paradigma durchzusetzen begann und später den Umgang mit der Globalisierung wesentlich dominierte. Der neoliberale Angriff auf die Marktwirtschaft bestand darin, die ökonomischen Wirkungen der Globalisierung auf die Gesellschaft politisch einfach hingenommen zu haben. Dabei waren die Folgen für die Einkommens- und Vermögensverteilung insbesondere für eine damals noch starke Mittelschicht, die vielleicht das wichtigste Charakteristikum der Sozialen Marktwirtschaft ist, dramatisch: Kapitaleinkommen haben in den Industrieländern stärker von der Globalisierung profitiert als die Arbeitseinkommen, höher qualifizierte Arbeit wesentlich stärker als geringer qualifizierte.
Die zunehmende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen hat zudem zu regionalen Unterschieden geführt, was nicht zuletzt zu Trump und Brexit zumindest beigetragen hat. Eine Umverteilung der asymmetrischen Globalisierungsgewinne durch Besteuerung war indes kaum möglich, da Kapital im Vergleich zu Arbeit durch die Finanzmarktglobalisierung gleichzeitig viel mobiler geworden war. In einer Studie kam jüngst zutage, dass die Aktiengewinne in den USA seit den Achtzigern zu fast der Hälfte durch die relative Verschiebung von Arbeits- zu Kapitaleinkommen erklärt werden.
In der größten Krise der Globalisierung, der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008, kam es nach dem neoliberalen zum lobbypolitischen Angriff auf die Marktwirtschaft. Gläubiger wurden massiv geschützt und Banken gerettet. Wenngleich die ergriffenen Maßnahmen durch die systemischen Risiken damals gerechtfertigt schienen, haben die Privatisierung der Gewinne und die Sozialisierung der Verluste der Marktwirtschaft viel Kredit gekostet und ihrem Ansehen bis heute einen erheblichen Schaden zugefügt. Eine wettbewerbliche und innovative Gesellschaft wird durch Lobbyismus zu einer „rentseeking society“: Die Verteilung des Kuchens wird wichtiger als seine Entstehung.
Der nächste Angriff war dadurch vorgezeichnet: der populistische Angriff auf die Soziale Marktwirtschaft. Die durch die Krise verursachte Beschädigung von Institutionen und Regeln, der Verlust von Glaubwürdigkeit und Vertrauen, das Fehlverhalten von selbstsüchtigen Eliten wurden politisch durch die so erstarkenden Populisten missbraucht. Kennzeichen des Populismus sind Kurzfristigkeit der Politik und nationale Abschottung. Die etablierte Politik hat es über Jahre versäumt, langfristig wichtige Strukturreformen durchzuführen und öffentliche Investitionen zu tätigen, wie etwa im Bereich der Digitalisierung.
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