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Herbert Walter: "Der Verkauf von Standard-Produkten gegen Provision behält die Oberhand"

Herbert Walter, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank
Herbert Walter, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank
Die Autoren Roger Peverelli, Reggy de Feniks und Walter Capellmann haben über drei Jahre hinweg weltweit mit Vorständen von Banken und Versicherungsunternehmen über die Zukunft der Finanzdienstleistungen gesprochen. Die Mehrheit war überzeugt, dass sich die Branche dramatisch und irreversibel verändert hat. Aber wie geht es nun weiter? In einer 8-teiligen Serie veröffentlicht DAS INVESTMENT Online dazu Gastbeiträge von Spitzenmanagern führender Finanzinstitute und Branchenexperten. Den Anfang macht Herbert Walter, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank.

Nach der Finanzkrise hat sich eine unschöne Gemengelage ergeben. Verbraucher haben viel Vertrauen in die Finanzberatung verloren. Sie scheuen davor zurück, sich längerfristig finanziell zu binden und in Risikopapiere zu investieren. Die Politik versucht unterdessen, mit einer härteren Regulierung des Marktes den Verbraucherschutz zu verbessern, d.h. mit bürokratischen Mitteln für mehr Vertrauen zu sorgen. Sollte sich die Vertrauenslage nicht ändern, sind Wohlstandsverluste unvermeidlich.

Die Rückgewinnung des Vertrauens

Die Kernfrage lautet, ob die deutsche Kreditwirtschaft die Rückgewinnung des Vertrauens dem Staat überlassen oder aus eigenem Antrieb einen markanten Beitrag leisten will. Grundsätzlich lassen sich die Vertrauensbeziehungen erst dann wieder aufbauen, wenn neue Praktiken, Regeln und Verhaltensweisen die alten ersetzen, die in Frage gestellt wurden. Das ist ein langer und steiniger Weg. Vier Einsichten stehen am Anfang, dass nämlich:

  • tatsächlich ein drängendes Vertrauensproblem in der Finanzberatung besteht,
  • bei aller Notwendigkeit einer besseren Regulierung durch den Staat eine Initiative der Banken unerlässlich sein wird,
  • im Mittelpunkt des Neuanfangs der Filialvertrieb stehen muss, also die Beratung für Anlage und Zukunftssparen,
  • die Situation nur dann nachhaltig verbessert werden kann, wenn Kunden eine reformierte Bankberatung honorieren und sich selbst stärker als in der Vergangenheit für ihre Finanzanlagen interessieren.
Vertrauensprobleme in der Finanzbranche

Studien zeigen, dass Deutschlands Finanzbranche heute in der Gruppe der Länder mit einem ausgesprochen niedrigen Vertrauensniveau zu finden ist. Nur 14 Prozent der Bundesbürger vertrauen der Berufsgruppe der Finanzberater, lediglich 17 Prozent hatten 2010 Vertrauen in das Bankensystem. Vier von fünf Deutschen fordern ein Berufsverbot für schlechte Berater. Obwohl Deutschlands Wahrnehmung als finanzkräftiger Zahlmeister Europas gewachsen ist, haben die Deutschen deutlich weniger Vertrauen als etwa die Portugiesen. Besonders kritisch sind die Besserverdiener und vermögenden Kunden, von denen nur jeder Dritte Vertrauen in die eigene Bank, nur jeder Achte noch Vertrauen in das System von Banken und Finanzberatung entwickelt.

Problemlösung nicht dem Staat überlassen

Es mag sein, dass die Politik den Bürgern die Angst vor Bankenpleiten nehmen kann. Der Appell von Bundeskanzlerin Merkel Ende 2008 (»die Spareinlagen sind sicher«) wird manchen noch bewusst sein. Aber ist dadurch das Vertrauen in die Bankenbranche gestiegen? Die Feldstudien sagen etwas anderes. Außerdem wird die Regulierung der Kreditwirtschaft von den Bürgern ja gerade nicht als ein transparenter und konsequenter Prozess eingeschätzt, sondern wirkt auf sie eher wie ein bürokratisches Tauziehen zwischen Verbraucherschutz und Banken um Beratungsprotokolle, Produktbeipackzettel und Gebühren für Geldautomaten, so dass man sich nicht wundern muss, wenn sich das Publikum bisher mit Vertrauensbekundungen in diesen Prozess zurückhält. Ein Neuanfang wird deshalb nur gelingen, wenn die Branche die Sache selbst in die Hand nimmt und ihre Geschäftsmodelle glaubwürdig und transparent reformiert.
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