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Gerd Kommer und Jonas Schweizer
Hilft Wirtschaftswissen beim Investieren?
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Gerd Kommer und Jonas Schweizer Hilft Wirtschaftswissen beim Investieren?

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Aus der Perspektive eines Privatanlegers, der in Eigenregie anlegt, lässt sich festhalten, dass er oder sie eigentlich nie genug Kenntnisse und Expertise in den ersten vier dieser Wissensgebiete haben kann. Das fünfte Teilgebiet (Wirtschaftspolitik, Teilgebiet E) ist hingegen für nachhaltigen Erfolg beim Anlegen in Kapitalmarktprodukten oder Immobilien unbedeutend. Paradoxerweise widmet die Mehrheit der Privatanleger der Wissensaneignung auf diesem Teilgebiet mehr Zeit als allen vier anderen Teilgebiete zusammen – vermutlich, weil das mehr Entertainment-Wert hat und weniger technisch ist.

Warum sind wirtschaftspolitische und volkswirtschaftliche Informationen für Anleger überwiegend nutzlos oder – wenn man Anlageentscheidungen vorwiegend auf ihrer Grundlage trifft – oft sogar sehr schädlich? 

 

Weil bei solchen Informationen der vergleichsweise schwächste Zusammenhang zwischen einer gegebenen Information und dem Geschehen in den Kapitalmärkten in den anschließenden zwölf Monaten oder 20 Jahren besteht. Soweit überhaupt ein Zusammenhang existiert, verläuft dieser oft umgekehrt als es uns unser Bauchgefühl und auch die Verbreiter dieser Informationen glauben machen wollen.

Das illustrieren wir nachfolgend anhand von acht „falschen VWL-Thesen“,2 die unausgesprochen oder ausgesprochen der verbreiteten Vorstellung zugrunde liegen, volkswirtschaftliche oder wirtschaftspolitische Sachverhalte hätten eine irgendwie kausale, für Privatanleger ausnutzbare Auswirkung im Aktien- oder Anleihenmarkt. Und weil das so sei, mache es sich bezahlt, über die Volkswirtschaft und die aktuelle wirtschaftspolitische Diskussion gut informiert zu sein.

Falsche VWL-These 1

„Hohes Wirtschaftswachstum in einem Land bewirkt tendenziell hohe Aktienmarktrenditen; es gibt einen systematischen Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftswachstum eines Landes und seinen Aktienmarktrenditen.“

Die Fakten: Nein, statistisch betrachtet und in einer für Anleger nutzbaren Weise existiert kein solcher Zusammenhang. Die Korrelation zwischen nationalem Wirtschaftswachstum in einem Jahr und nationalen Aktienmarktrenditen im gleichen Jahr oder im Jahr davor oder danach ist null. Länder mit überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum können über 30 Jahre niedrigere Aktienmarktrenditen haben als Länder mit unterdurchschnittlichem Wachstum. Deswegen ist die Vorstellung, man müsse verstärkt dort anlegen, wo Experten (oder man selbst) hohes Wirtschaftswachstum erwarten, als Investmentstrategie nutzlos oder sogar nachteilig. Ein Beispiel: Über die letzten 30 Jahre hatte kein Land der Welt ein höheres Wirtschaftswachstum als China. Trotzdem hat der chinesische Aktienmarkt in diesen drei Dekaden unter den rund 45 Industrie- und Schwellenländern eine der schwächsten Renditen geliefert, schlechter als die von Deutschland und Japan. Warum generell kein für Anleger ausbeutbarer Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Aktienrenditen besteht, haben wir 2022 in einem Youtube-Video erläutert. Wer es noch genauer wissen will, sei auf die wissenschaftlichen Studien von Cornell 2010 und Ritter 2012 verwiesen.

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