Manch ein Vorstandschef dürfte insgeheim aufgeatmet haben, als die Nachricht die Wall Street erreichte: Hindenburg Research, der wohl einflussreichste Leerverkäufer der vergangenen Jahre, macht dicht. Was für die einen ein Grund zur Erleichterung ist, markiert für andere das Ende einer Ära der Aufdeckung dubioser Geschäftspraktiken an den Finanzmärkten.
Nathan „Nate“ Anderson, der Mann hinter Hindenburg Research, begründete seinen Rückzug in einem offenen Brief mit dem schlichten Satz: „Die Ideenpipeline ist abgearbeitet.“ Eine erstaunlich nüchterne Erklärung für jemanden, der mit seinen detaillierten Enthüllungsberichten ganze Konzernimperien ins Wanken brachte und Milliarden an Börsenwert vernichtete.
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Manch ein Vorstandschef dürfte insgeheim aufgeatmet haben, als die Nachricht die Wall Street erreichte: Hindenburg Research, der wohl einflussreichste Leerverkäufer der vergangenen Jahre, macht dicht. Was für die einen ein Grund zur Erleichterung ist, markiert für andere das Ende einer Ära der Aufdeckung dubioser Geschäftspraktiken an den Finanzmärkten.
Nathan „Nate“ Anderson, der Mann hinter Hindenburg Research, begründete seinen Rückzug in einem offenen Brief mit dem schlichten Satz: „Die Ideenpipeline ist abgearbeitet.“ Eine erstaunlich nüchterne Erklärung für jemanden, der mit seinen detaillierten Enthüllungsberichten ganze Konzernimperien ins Wanken brachte und Milliarden an Börsenwert vernichtete.
Die prominente Liste von Hindenburg Research
Die Liste seiner „Opfer“ liest sich wie ein Who-is-Who der Unternehmensskandale der letzten Jahre: Der Elektro-Lkw-Hersteller Nikola, dessen Chef Trevor Milton nach Hindenburgs Enthüllungen wegen Betrugs verurteilt wurde. Das Konglomerat des indischen Milliardärs Gautam Adani, das nach Vorwürfen der Bilanzmanipulation massive Kursverluste erlitt und dessen Chef im November 2024 angeklagt wurde. Oder der bekannte Investor Carl Icahn, dessen Holding nach einer Hindenburg-Attacke mehr als 80 Prozent an Wert verlor.
„Wir haben einige Imperien durchgeschüttelt, bei denen wir das Gefühl hatten, dass sie durchgeschüttelt werden mussten“, schreibt Anderson in seinem Abschiedsbrief. Eine Untertreibung, wenn man bedenkt, dass allein der Kurssturz der Icahn Enterprises einem Wertverlust von mehr als 13 Milliarden Dollar entspricht.
Dabei begann Anderson, der seine Karriere als Krankenpfleger startete, 2017 mit wenig mehr als forensischer Neugier und dem Willen, Ungereimtheiten in Unternehmensbilanzen aufzuspüren. Seine ersten Ziele verklagten ihn prompt, die Mietkosten für sein Apartment konnte er zeitweise nicht mehr bezahlen. Doch der Durchbruch kam 2020 mit der Enthüllung über Nikola – einer Firma, die vorgab, revolutionäre Elektro-Lkw zu bauen, aber nicht einmal einen funktionierenden Prototyp besaß.
Anders als viele seiner Kollegen verwaltete Anderson nie Kundengelder. Stattdessen teilte Hindenburg Research seine Erkenntnisse mit anderen Fonds gegen eine Gewinnbeteiligung und arbeitete eng mit Aufsichtsbehörden zusammen. Ein Geschäftsmodell, das sich als lukrativ erwies.
Hindenburg leistete sich auch Patzer
Nicht immer lag Hindenburg richtig. Die jüngste Attacke auf die Spieleplattform Roblox erwies sich als Fehlschlag, die Aktie stieg nach Bekanntwerden der Vorwürfe um 50 Prozent. Das Unternehmen reagierte prompt mit verschärften Kontrollen und entkräftete viele der Anschuldigungen.
Doch die Trefferquote war beeindruckend. Von den größten Hindenburg-Attacken führten viele zu staatsanwaltlichen Ermittlungen oder aufsichtsrechtlichen Konsequenzen. Die US-Börsenaufsicht SEC verhängte allein im Fall Icahn Enterprises Strafen von zwei Millionen Dollar wegen nicht ordnungsgemäß offengelegter Kredite.
„Wir sind keine klassischen Shortseller, sondern forensische Finanzermittler“, betonte er stets. Statt nur auf fallende Kurse zu setzen, arbeitete die Firma eng mit Behörden zusammen und stellte ihre Recherchen auch Strafverfolgern zur Verfügung.
Das Ende der Shortseller
Hindenburgs Abgang fällt in eine Zeit, in der klassische Leerverkäufer zur bedrohten Spezies werden. Jim Chanos, bekannt für seine frühe Warnung vor dem Enron-Skandal, schloss 2023 seinen Fonds. Bill Ackman und Daniel Loeb, einst gefürchtete Shortseller, meiden heute öffentliche Wetten auf fallende Kurse.
Anderson will sich nun seiner Familie widmen und sein Vermögen in „stressfreie“ Indexfonds investieren. Zudem plant er, sein Wissen über die Aufdeckung von Bilanzbetrug in Online-Tutorials weiterzugeben. Anderson selbst sieht seine Mission als erfüllt an. Er will künftig sein Wissen in Form von Online-Tutorials weitergeben – quasi eine Anleitung zum Aufspüren von Betrug für die nächste Generation von Finanzermittlern. Ob diese jedoch den gleichen Einfluss entwickeln können wie Hindenburg, bleibt fraglich. Denn neben forensischem Geschick brauchte es vor allem eines: den Mut, sich mit den Mächtigen der Finanzwelt anzulegen.